OGH 13Os117/05p

OGH13Os117/05p23.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Besenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang Z***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Privatbeteiligten Beatrice Z***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 17. August 2005, GZ 20 Hv 71/05p-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen wird der Akt dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang Z***** des Verbrechens (richtig der Verbrechen) des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I.1.), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (I.2.), des Vergehens (richtig der Vergehen) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (I.1. und 2.) sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Hohenberg und an einem nicht mehr feststellbaren Ort in Kärnten

I. in der Zeit von 2000 bis Herbst 2003 mit seiner Tochter Beatrice Z*****, geboren am 2. September 1990, somit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person

1. eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er sie dazu brachte, mit ihm Oralverkehr durchzuführen,

2. außer dem Fall des § 206 StGB in wiederholten Angriffen geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen, indem er mit seinem Penis sowie den Fingern ihre Scheide berührte bzw sie dazu brachte, dass sie seinen erigierten Penis berührte und ihn manuell befriedigte, wodurch die Genannte eine posttraumatische Belastungsstörung, somit eine an sich schwere Körperverletzung, erlitt;

II. Beatrice Z***** am 9. April 2001 dadurch, dass er sie an den Haaren riss und vom Stockbett zog, wobei die Genannte einen Bruch der Elle und Speiche des linken Unterarms erlitt, am Körper an sich schwer verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

In der Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrags auf Beischaffung der gesamten Krankengeschichte zum Vorfall des 9. April 2001 einschließlich der Ambulanzkarte, in der der Zeitpunkt der Verletzung sowie der Beginn der Behandlung angeführt ist, sowie auf Beischaffung der Arbeitszeitaufzeichnungen des damaligen Arbeitgebers vom 9. April 2001, zum Beweis dafür, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt als die Verletzung eingetreten ist, gar nicht zu Hause war, sondern in der Arbeit (S 56/II).

Zum einen legte der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb die vom Krankenhaus Lilienfeld übermittelten umfangreichen medizinischen Unterlagen (ON 22) unvollständig sind und weshalb bei einem von Beatrice Z***** im Krankenhaus dargestellten Sturz zu Hause (S 187/I und 248/I) in sonstigen Schriftstücken außerhalb der übersendeten Anamnese genauere Angaben zum Zeitpunkt des Sturzgeschehens vermerkt worden sein sollten. Dieses Beweisbegehren zielt daher auf einen unzulässigen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f) Erkundungsbeweis. Zum anderen lässt dieser Antrag die eigene Einlassung des Angeklagten außer Acht, wonach er zwar am 9. April 2001 „vielleicht ... gearbeitet", aber jedenfalls seine verletzte Tochter selbst ins Krankenhaus zur Behandlung gebracht habe (S 37/II). Da sich weder aus seiner Verantwortung noch aus sonstigen Beweisergebnissen Indizien ergeben, wonach zwischen der Verletzung und deren Behandlung eine längere Zeit verstrichen sei, stand der Nichtigkeitswerber zum inkriminierten Geschehen schon nach seinem Vorbringen in einem zeitlichen und örtlichen Naheverhältnis. Im Hinblick darauf vermag selbst eine Bestätigung seines Dienstgebers, wonach er an diesem Tag gearbeitet hat, die Täterschaft nicht auszuschließen. Auf die in der Beschwerdeausführung vorgebrachte, den Charakter eines Erkundungsbeweises unterstreichende, weil bloß eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes anstrebende Begründung war nicht weiter einzugehen, weil die Berechtigung eines Beweisantrags stets nur auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

In der Sanktionsrüge (Z 11) behauptet der Rechtsmittelwerber einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil die ihm als erschwerend angelastete oftmalige Tatwiederholung beim Schuldspruch I.2. als Tatsachengrundlage für die Annahme der Qualifikation des § 207 Abs 3 erster Fall StGB herangezogen worden ist. Abgesehen davon, dass als strafsatzerhöhend nach dieser Bestimmung nicht die Tatwiederholung vorgesehen ist, sondern eine (allenfalls auch, nicht aber notwendig durch eine wiederkehrende Delinquenz verursachte) gravierende Gesundheitsschädigung iSd § 84 Abs 1 StGB, übergeht der Nichtigkeitswerber insoweit die auch zum Schuldspruch I.1. und in Bezug auf die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses vorliegende Faktenmehrheit (vgl US 6), sodass der kritisierte Strafzumessungsgrund vom Erstgericht zu Recht angenommen wurde. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte