OGH 14Os89/05b

OGH14Os89/05b22.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hannes M***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 14. Juni 2005, GZ 28 Hv 104/05w-16, nach Anhörung der Generalprokuratur und Gegenäußerung des Angeklagten in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hannes M***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen; vgl Kirchbacher/Schroll RZ 2005, 143) nach § 28 Abs 2 (vierter Fall), Abs 3 erster Fall (richtig im Hinblick auf die angenommene Privilegierung nach Abs 3 letzter Satz: nur § 28 Abs 2; vgl 13 Os 100/04) SMG (zu A.) und „des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens nach §§ 27 Abs 1 SMG und 15 StGB" (richtig: der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall [zu B.1.] und des gemäß § 15 StGB im Versuchsstadium verbliebenen Vergehens nach § 27 dritter Fall SMG [zu B.2.]) schuldig erkannt.

Danach hat er zu näher nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen Frühjahr 2003 und 23. März 2005 im Großraum Innsbruck den bestehenden Vorschriften zuwider

A. Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich eine ziffernmäßig nicht mehr feststellbare, die Grenzmenge jedoch jedenfalls mehrfach übersteigende große Menge an Marihuana im Kilogrammbereich durch gewerbsmäßigen Verkauf an namentlich nicht bekannte Drogenkonsumenten in Verkehr gesetzt;

B. Suchtgifte erworben, besessen sowie zu erzeugen versucht, und zwar:

1. durch Erwerb und Besitz von ziffernmäßig insgesamt nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten (Haschisch und Marihuana) und von etwa 40 Gramm Kokain sowie

2. durch den Versuch, nicht mehr feststellbare Mengen an Marihuana durch Pflege und Aufzucht von Hanfpflanzen zu erzeugen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO macht der Beschwerdeführer einen die Tatzeit zum Schuldspruch A. betreffenden „unlösbaren Widerspruch zwischen Urteilsspruch und Urteilsbegründung" geltend, dem zufolge „das Erstgericht die ihm gemäß § 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO auferlegte Individualisierungs- und Konkretisierungspflicht (ne bis in idem) verletzt hat". Der behauptete Widerspruch liegt nicht vor; beziehen sich doch die Tatzeitpunkte im Urteilstenor auf alle Straftaten des Beschwerdeführers, somit auch auf jene des Schuldspruchs B.1. und 2., während in den Gründen die dem Schuldspruch A. zu Grunde liegenden Straftaten auf den Tatzeitraum Oktober 2004 bis Dezember 2004 einschränkt werden (US 5 ff). Damit entspricht der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO in dem für die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) entscheidenden Umfang den als erwiesen angenommenen Tatsachen der Entscheidungsgründe und ist somit aus der Z 3 unbedenklich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 272).

Weshalb der Individualisierungpflicht in Bezug auf die im Urteilsspruch genannten Tatobjekte „Marihuana" (A.) sowie „Marihuana" und „Haschisch" (B.1.) nicht Genüge getan worden wäre, zeigt die - lediglich auf unterschiedliche Bezeichnungen des inkriminierten Suchtgifts durch den Angeklagten und durch Julia H***** rekurrierende - Beschwerde nicht auf.

Durch die Abweisung des Antrages auf Vernehmung des Mag. C***** (S 211) wurde der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt (Z 4). Denn der angestrebte Nachweis, „dass der Angeklagte keine Suchtmittel weitergegeben hat, und zwar deshalb, weil der Zeuge in der Wohnung des Angeklagten lebte und eine Geschäftstätigkeit des Angeklagten wahrnehmen hätte müssen" (S 209), wurde vom Erstgericht zu Recht als bloßer Erkundungsbeweis verworfen, zumal der Rechtsmittelwerber trotz Kenntnis, dass Mag. C***** im Tatzeitraum am Landesgericht Innsbruck als Rechtspraktikant die Gerichtspaxis absolviert hatte (S 211), bei Antragstellung nicht dargelegt hat, inwiefern dieser nicht ständig in seiner Nähe aufhältige Zeuge den Vorwurf der Suchtgiftweitergabe hätte widerlegen können. Auf die dazu erst in der Verfahrensrüge nachgeholte Begründung war hingegen nicht weiter einzugehen, weil sich die Prüfung der Berechtigung eines gestellten Begehrens stets auf den Antragszeitpunkt zu beziehen hat (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Die zum Schuldspruch B.1. mit dem Hinweis auf von Hannes M***** und Julia H***** verwendete unterschiedliche Bezeichnungen der erworbenen und besessenen Suchtmittel eingewendete Aktenwidrigkeit (Z 5) ist nicht gegeben. Zum einen zeigt die Beschwerde nicht auf, welche entscheidungswesentlichen Aussagen oder Urkunden im Urteil inhaltlich unrichtig bzw unvollständig wiedergegeben worden wären. Zum anderen betreffen die vorgebrachten Unterschiede (Marihuana, Haschisch, „Gras" und „Shit") keinen für den Schuldspruch nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG erheblichen Umstand; handelt es sich doch sowohl bei Marihuana als auch bei Haschisch um Cannabisprodukte. Deren in der Mängelrüge herausgestrichener, regelmäßig divergierender Reinheitsgehalt in Bezug auf den darin jeweils enthaltenen Wirkstoff THC ist für die Schuldfrage ohne Belang; denn die Quantität des Suchtgiftes ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG.

Als „Aufklärungsmangel" (inhaltlich Z 5a) macht der Rechtsmittelwerber geltend, das erkennende Gericht habe ein in der von Gendarmeriebeamten mit Julia H***** aufgenommenen Niederschrift von ihr erwähntes (vgl S 79) handschriftliches Geständnis dieser Zeugin nicht beigeschafft und mit ihren späteren mündlichen Angaben verglichen. Zu diesem Vorwurf einer Vernachlässigung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zeigt jedoch der Beschwerdeführer nicht auf, wodurch er selbst an der Ausübung seines Rechtes, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (§ 3 StPO), um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die nur gegen den Schuldspruch A. gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach bei Feststellung der Menge der vom Angeklagten an Dritte weitergegebenen Suchtmittel sein täglicher Eigenverbrauch während des gesamten im Urteilsspruch genannten Tatzeitraumes zwischen Frühjahr 2003 und März 2005 (und nicht nur von Oktober bis Dezember 2004) zu berücksichtigen gewesen wäre, setzt sich über die Konstatierung hinweg, dass Hannes M***** das von ihm später in Verkehr gesetzte Suchtgift von Julia H***** erst zwischen Oktober und Dezember 2004 erworben hatte (US 5).

Weder einen Rechtsirrtum des erkennenden Gerichtes noch einen Mangel an Feststellungen macht der Nichtigkeitswerber mit der Behauptung geltend, für die Annahme des (von Oktober bis Dezember 2004 reichenden) Tatzeitraumes ermangle es einer entsprechenden Beweisgrundlage. Mit diesem (der Sache nach erneut einen Begründungsmangel iSd Z 5 ansprechenden) Vorbringen vermag die Rüge in Bezug auf die von den Tatrichtern auf Basis der als glaubwürdig erachteten Zeugenaussage der Julia H***** in diesem Zusammenhang gezogenen Schlussfolgerungen (US 6 f) weder einen Verstoß gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Lebenserfahrung darzustellen. Des weiteren zeigt er mit dem bloßen Hinweis auf seine Herkunft aus Südtirol nicht auf, weshalb den vom Schöffengericht angenommenen (im Großraum Innsbruck gelegenen) Tatorten eine entscheidungswesentliche und damit erörterungsbedürftige Bedeutung zukommen sollte. Das abschließende Vorbringen in der Rechtsrüge, wonach auf Grundlage der vorliegenden (so wie das Urteil nur relativ unbestimmte Angaben über Tatzeitraum, Tatorte, Menge und die Käufer des von ihm in Verkehr gesetzten Suchtgiftes enthaltenden) Anklage eine ausreichende Vorbereitung der Verteidigung iSd Art 6 Abs 3 lit a EMRK nicht möglich gewesen sei, behauptet weder eine Verletzung des materiellen Rechts noch ein auch durch zweckentsprechende Antragstellung nicht ausräumbares Prozesshindernis (Z 9 lit b). Abgesehen davon wurde der Beschwerdeführer grundrechtskonform „in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung" durch die seinem Verteidiger schon Anfang Mai 2005 zugegangene (vgl S 3a), von ihm sodann mit Einspruch bekämpfte (ON 9) Anklageschrift so rechtzeitig in Kenntnis gesetzt, dass er seine Verteidigung - ohne Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) - auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einstellen konnte. Soweit schließlich ohne Einschränkung beantragt wurde, „das angefochtene Urteil aufzuheben", fehlt es hinsichtlich des Schuldspruchs wegen versuchter Suchtgifterzeugung (B.2.) an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes (§ 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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