OGH 2Ob264/05w

OGH2Ob264/05w21.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 1. September 2004 verstorbenen DI Erwin B*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erbl. Witwe Erika B*****, des erbl. Sohnes Wolfgang B***** und der erbl. Tochter Sylvia L*****, alle vertreten durch Dr. Harald Blümel, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. September 2005, GZ 45 R 343/05g-22, womit der Rekurs der erbl. Erben gegen die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Hietzing vom 4. Mai 2005, GZ 11 A 78/04d-16, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über den Rekurs der erblasserischen Erben unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Testament vom 30. 4. 2002 setzte der Erblasser die erbl. Witwe Erika B***** und seine beiden Kinder, Sylvia L***** und Wolfgang B***** zu Erben ein. Er verfügte unter anderem, dass „zu keinem Zeitpunkt Seitenverwandte aus seiner Familie oder der Familie seiner Ehefrau aus dem Nachlass etwas erhalten dürften; auch seine Erben hätten ihre Testamente für das übernommene Liegenschaftserbe im gleichen Sinn zu gestalten."

Mit der Einantwortungsurkunde wurde der Nachlass den oben genannten unbedingt erbserklärten Erben aufgrund des Testamentes zu einem Drittel eingeantwortet.

In die Einantwortungsurkunde wurden Verbücherungsklauseln betreffend die jeweils zugedachten Liegenschaften und Liegenschaftsanteile mit der Beschränkung in der Form aufgenommen, dass die jeweilige Einverleibung des Eigentumsrechtes gemeinsam „mit dem im Testament vom 30. 4. 2002 auferlegten Veräußerungsverbot zu Lasten der Seitenverwandten von DI Erwin B***** und Erika B*****", zu bewilligen sein würde.

Zu zuletzt genannten Verfügung verwies das Erstgericht in seiner Begründung auf die in der letztwilligen Verfügung enthaltene Beschränkung, Seitenverwandte aus seiner Familie oder der Familie seiner Ehefrau dürften zu keinem Zeitpunkt etwas aus diesem Nachlass erhalten. Es handle sich dabei um eine Auflage im Sinne des § 709 ABGB, die nach § 158 Abs 1 1. Satz AußStrG aF - jeweils als Veräußerungsverbot zu Lasten der Seitenverwandten des Erblassers und seiner Ehefrau - im Grundbuch einzuverleiben und in der Verbücherungsanordnung zu berücksichtigen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht einen von den Erben gegen die in die Einantwortungsurkunde aufgenommene Beschränkung ihres Eigentumsrechtes erhobenen Rekurs zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine Verbücherungsklausel gehöre nicht zu den notwendigen Inhaltserfordernissen einer Einantwortungsurkunde oder eines Mantelbeschlusses. Die Aufnahme einer solchen Klausel entspreche lediglich der Übung der Gerichte. Eine Verbücherungsklausel in der Einantwortungsurkunde kündige nur an, was nach Rechtskraft der Unbedenklichkeitsbescheinigung zu veranlassen sein werde. Diese Ankündigung bilde kein Präjudiz für die Verbücherung des Abhandlungsergebnisses und sei der Rechtskraft nicht fähig. Die Verbücherungsklausel hindere das Gericht auch nicht, sich bei Anordnung der grundbücherlichen Eintragungen neuerlich mit der Frage zu beschäftigen, wie die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Erbinnen vorzunehmen sei. Ihre komme für die grundbuchsrechtliche Verfügung keine konstitutive Bedeutung zu. Bei Verbücherung der Einantwortungsurkunde sei allein der Grundbuchsstand maßgeblich. Eine darüber hinausgehende konstitutive Anordnung iSd § 174 AußStrG (aF) liege nicht vor. Durch die bloße Absichtserklärung in Form der Verbücherungsklausel seien die Rekurswerberinnen nicht beschwert, weshalb der Rekurs mangels Rechtsschutzinteresse zurückzuweisen sei. Da die Entscheidung des Rekursgerichtes der stRsp des Obersten Gerichtshofes entspreche (7 Ob 76/03g, 5 Ob 302/03b) sei der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der erbl. Erben mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichtes aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat. Er ist auch berechtigt.

Die Ausführungen des Rekursgerichtes über die Rechtsnatur der sogenannten „Verbücherungsklausel" sind grundsätzlich richtig. § 174 Abs 2 AußStrG, der den Inhalt der Einantwortungsurkunde normiert, sieht eine solche - in der Gerichtspraxis allerdings übliche - Klausel nicht vor. Ihr kommt für die grundbuchsrechtlichen Verfügungen keine konstitutive Bedeutung zu. Bei der Verbücherung der Einantwortungsurkunde ist allein der Grundbuchsstand maßgeblich (JBl 1999, 124). Sie kündigt nur an, was nach Rechtskraft der Unbedenklichkeitsbescheinigung zu veranlassen sein wird. Der daraus vom Rekursgericht gezogene Schluss auf das mangelnde Rechtsschutzinteresse der Erben, eine derartige Verbücherungsklausel anzufechten, kann aber nur solche Fälle betreffen, in denen die Verbücherungsklausel über den oben beschriebenen Inhalt nicht hinausgeht und keine konstitutive Anordnung enthält (9 Ob 103/99h = NZ 2001, 228). Die vom Rekursgericht zur Begründung der Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses zitierten Entscheidung 7 Ob 76/03g betraf nur einen Fall, in welchem in der Verbücherungsklausel eine bloße deklarative Ankündigung erfolgte. Die Entscheidung 5 Ob 302/03b aber wies ausdrücklich darauf hin, dass der Rechtssatz, wonach einer Verbücherungsklausel in der Einantwortungsurkunde keine konstitutive Wirkung zukomme und bei der Verbücherung der Einantwortungsurkunde allein der Grundbuchsstand maßgebend ist, dann nicht gilt, wenn sie eine konstitutive Anordnung iSd § 174 AußStrG (alt) enthält.

Der Umstand, dass eine in die Einantwortungsurkunde aufgenommene Verbücherungsklausel nur ankündigt, was nach Rechtskraft der Einantwortungsurkunde zu veranlassen sein wird, hindert nicht die Annahme einer Beschwer der Erben bei ihrer Anfechtung. Abgesehen davon, dass die Erben grundsätzlich legitimiert sind, im Abhandlungsverfahren ergangene Beschlüsse mit Rechtsmittel zu bekämpfen, wird ihre Rechtsposition durch die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung der letztwilligen Verfügung - wonach es sich bei der Anordnung des Erblassers um eine bei Verbücherung des Eigentumsrechts einzutragende Auflage handelt - jedenfalls berührt (10 Ob 14/04p mwN).

Nach dem Wortlaut der gesamten Einantwortungsurkunde kann nicht zweifelhaft sein, dass das Erstgericht zum Ausdruck bringen wollte, der Nachlass solle den Erben nur mit der in den Beschluss aufgenommenen Beschränkung ihres Eigentums eingeantwortet werden. Damit geht aber die von den Erben bekämpfte Verfügung in ihrer Bedeutung über eine bloß deklarative Ankündigung hinaus; die darin gelegene Verfügung einer Beschränkung des Eigentums der Erben betrifft die Frage, „ob die Verlassenschaft dem Erben als freies Eigentum zugefallen" ist und damit den notwendigen Inhalt der Einantwortungsurkunde (§ 174 Abs 2 und 3 AußStrG).

Da die Einantwortungsurkunde in ihrer Gesamtheit nach dem Entscheidungswillen des Erstgerichtes eine Beschränkung des Eigentums der Erben zum Ausdruck bringen wollte, kann den Erben ein Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden (9 Ob 103/99h; vgl auch 10 Ob 14/04p).

In Stattgebung des Revisionsrekurses war dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs der Erben aufzutragen.

Stichworte