OGH 14Os99/05y

OGH14Os99/05y18.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Georg Ernst S***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 30. Juni 2005, GZ 12 Hv 30/03d-56, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Georg S***** (richtig:) der Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (2 und 3) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem wurde Georg S***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB eingewiesen.

Nach dem Schuldspruch hat Georg S***** in Garsten und anderen Orten unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad

1. in drei Angriffen am 21. Mai, 19. August und 4. Oktober 2002 durch im Urteil näher angeführte gefährliche Drohungen mit dem Tod den Richter des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Werner R***** zur Wiederaufnahme des Verfahrens 20 p Vr 10.737/94, Hv 7948/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zur Erwirkung eines Freispruches und demgemäß zur Veranlassung seiner Entlassung aus der Strafhaft zu nötigen versucht;

2. am 21. Mai 2002 Dr. Birgit K*****, Heinz H***** und Wolfgang W***** durch die im Urteil detailliert zitierte Äußerung mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

3. am 24. Juni 2002 Dr. Werner R***** in einem an die Staatsanwaltschaft Steyr gerichteten Schreiben gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen das Einweisungserkenntnis richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist nicht im Recht.

Die Mängelrüge (der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall) macht zunächst geltend, die Feststellung, der Angeklagte habe sich geweigert, sich zum Sachverständigen vorführen und von ihm explorieren zu lassen, sei unvollständig begründet. Seine Verantwortung, er habe wegen eines Unfalles Schmerzmittel einnehmen müssen und habe zum Zeitpunkt der vorgesehenen Untersuchung geschlafen, aufgeweckt habe man ihn nicht, sei nämlich unberücksichtigt geblieben.

Abgesehen davon, dass die Konstatierung keinen entscheidenden Umstand betrifft, richten sich die Einwände letztlich gegen die Glaubwürdigkeit des Gutachtens von Prim. Univ. Prof. Dr. Reinhard H*****, weil behauptet wird, im Falle einer persönlichen Untersuchung wäre „sehr wahrscheinlich festgestellt worden, dass keine geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad iSd § 21 Abs 2 StGB vorliegt". Der Sachverständige hatte nur aufgrund der Aktenlage eine schriftliche Expertise erstattet und diese dann in der Hauptverhandlung aufgrund des dort gewonnenen persönlichen Eindrucks ergänzt (ON 53 und S 396 ff). Die Prüfung der Glaubwürdigkeit eines Gutachtens ist aber eine Tatfrage, welche vom Erstgericht zu lösen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 457).

Soweit in diesem Zusammenhang auch releviert wird, das Erstgericht hätte den Sachverständigen dazu „verhalten" müssen, eine persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers durchzuführen, ist dem entgegenzuhalten, dass nicht Gegenstand der Z 5 des § 281 Abs 1 ist, ob alle Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung genützt wurden (Ratz aaO Rz 426; Fabrizy, StPO9 § 281 Rz 44). Anträge in diese Richtung wurden in der Hauptverhandlung nicht gestellt (Z 4), eine Behinderung der sachgerechten Antragstellung (Z 5a) wird nicht behauptet. Der weitere Einwand, die Tatrichter hätten sich mit dem Befund der klinischen Psychologin Dr. S***** nicht auseinandergesetzt, wonach beim Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung nicht nachweisbar sei (S 319), lässt außer Acht, dass wegen Vorliegens widersprechender Gutachten Prim. Univ. Prof. Dr. H***** gemäß § 126 Abs 2 StPO zum Sachverständigen bestellt wurde (S 3n verso f). Dieser hat alle Vorgutachten berücksichtigt (S 347) und dabei ausdrücklich auch die relevierte Passage im bezeichneten Befund beachtet. Das Schöffengericht ist dem Gutachten des Sachverständigen Prim. Univ. Prof. Dr. H***** gefolgt und hat dazu erwähnt, dass er auch den psychologischen Befund von Dr. S***** miteinbezogen hat, sodass deren Einschätzungen nicht unerörtert geblieben sind (US 11/12). Im Übrigen hat die klinische Psychologin Dr. Irmgard S***** lediglich ausgeführt, dass nur in der Selbstbeschreibung und im projektiven Rorschachverfahren keine Persönlichkeitsstörung nachweisbar war. Sie hat jedoch auf skrupellose, auch dissoziale Persönlichkeitszüge hingewiesen und zudem angeführt, dass sich aggressive Tendenzen in indirekter Form abzeichnen (S 319).

Soweit diese Einwände die Zukunftsprognose betreffen, bekämpfen sie ebenso wie das Vorbringen, der positive Führungsbericht der Justizanstalt Garsten sei nicht berücksichtigt worden, nur die Ermessensentscheidung des Tatgerichtes. Sie werden daher im Rahmen der Berufung zu berücksichtigen sein.

Feststellungen zur abnormen Persönlichkeit des Angeklagten hat das Gericht ausreichend getroffen (US 8/9). Zu deren Begründen stützte es sich auf das Gutachten des Sachverständigen Prim. Univ. Prof. Dr. Reinhard H***** (US 11). Welcher „weiterer Feststellungen bzw Erörterungen" es noch bedurft hätte, bringt die Beschwerde nicht vor; sie bestreitet vielmehr lediglich substanzlos neuerlich die angeführte Expertise.

Unter dem Nichtigkeitsgrund des Z 11 des § 281 Abs 1 StPO behauptet das Rechtsmittel, das Schöffengericht habe in unvertretbarer Weise gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen, weil es eine bedingte Einweisung abgelehnt habe. Ungeachtet dessen, dass für die geforderte bedingte Nachsicht der Einweisung nach § 45 Abs 1 zweiter Satz StGB die gleichzeitige bedingte Nachsicht der Strafe Voraussetzung wäre (12 Os 36/05v), stellen die Einwände lediglich ein Berufungsvorbringen gegen die diesbezüglich ausführlich begründete Entscheidung (US 12/13) dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte