OGH 9ObA127/05z

OGH9ObA127/05z30.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Jela D*****, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Herbert H*****, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ing. Josef H*****, wegen EUR 33.174,80 sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Mai 2005, GZ 7 Ra 74/05m-16, womit der Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Februar 2005, GZ 25 Cga 68/04g-8 (berichtigt mit Beschluss vom 25. März 2005, ON 10), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes aufgehoben und diesem die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen wird.

Der beklagte Masseverwalter ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.358,28 (darin EUR 226,38 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit EUR 1.629,18 (darin EUR 271,53) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Gatte der Klägerin war im Betonwerk des (späteren) Gemeinschuldners als Arbeiter beschäftigt und erlitt dort am 5. 2. 2002 einen tödlichen Arbeitsunfall.

Mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 17. 12. 2002, 27 S 461/02h, wurde über das Vermögen des Ing. Josef H***** das Konkursverfahren eröffnet. Mit ihrer Klage vom 23. 11. 2004 begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von EUR 33.124,80 sA, bestehend aus EUR 997,60 Begräbniskosten, EUR 5.727,20 Leichenfeierkosten, EUR 3.000 Überführungskosten, EUR 17.400 Unterhalt und EUR 6.000 Trauerschaden. Zur näheren Begründung brachte sie zunächst nur vor, dass eine außergerichtliche Bereinigung der berechtigten Ansprüche der Klägerin über die Haftpflichtversicherung des Beklagten gescheitert sei.

Der beklagte Masseverwalter wendete die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges ein und berief sich auf die gemäß § 6 KO eingetretene Prozesssperre. Die Klägerin habe es bisher verabsäumt, die bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens entstandenen Forderungen im Konkursverfahren anzumelden. Eine Schadenersatzpflicht des Gemeinschuldners scheitere überdies am Haftungsausschluss des § 333 ASVG.

In der Folge brachte die klagende Partei vor (ON 5), dass „die beklagte Partei" eine Betriebshaftpflichtversicherung für derartige Unfälle abgeschlossen habe. Über Aufforderung des Klagevertreters habe die Versicherungsgesellschaft jedoch bekannt gegeben, dass für die Schadenersatzansprüche gegen „die beklagte Partei" aufgrund von Obliegenheitsverletzungen durch „die beklagte Partei" keine Versicherungsdeckung gewährt wurde. „Die beklagte Partei" habe daher gegen ihre Fürsorgepflicht verstoßen und hafte nun für den Ausfall, der dadurch entstanden sei, dass die Versicherung keine Leistungen an die Klägerin erbracht habe. Da der Anspruch der Klägerin erst nach Eröffnung des Konkurses entstanden sei, gehe der auf § 6 KO gestützte Einwand des beklagten Masseverwalters ins Leere.

Das Erstgericht wies die Klage zurück und erklärte gleichzeitig das bisherige Verfahren für nichtig. Mit Beschluss vom 25. 3. 2005 (ON 10) ergänzte es den vorgenannten Beschluss um eine Kostenentscheidung, wobei die Prozesskosten gegenseitig aufgehoben wurden. Die Klagezurückweisung und die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens begründete das Erstgericht damit, dass sich der gegenständliche Arbeitsunfall vor der Konkurseröffnung ereignet habe und die Klägerin den Anspruch daher im Konkursverfahren als Masseforderung (?) geltend hätte machen müssen. Da sie dies unterlassen habe, stehe dem streitigen Rechtsweg nach wie vor die Prozesssperre des § 6 Abs 1 KO entgegen.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichtes und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 jedenfalls unzulässig sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Klägerin zu beheben und dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung aufzutragen, hilfsweise, dem Rekursgericht bzw dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem unrichtigen, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichtes ist ein Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig. Das Rekursgericht hat nämlich nicht nur die Nichtigerklärung durch das Erstgericht, sondern auch die aus formellen Gründen erfolgte Zurückweisung der Klage bestätigt. Unter den Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO ist daher ein Revisionsrekurs zulässig; die Revisionsrekurswerberin macht auch einen erheblichen Rechtsgrund im Sinne dieser Bestimmung geltend.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Da die Klägerin zunächst keinen Zeitpunkt der Schadensverursachung genannt hatte, wäre ihr Vorbringen erörterungs- und verbesserungsbedürftig gewesen. Diese notwendige Klarstellung hat sie jedoch im Rekurs insoweit nachgeholt, als sie dort ihre Behauptung dahin ergänzte, dass „die beklagte Partei" die Obliegenheitsverletzung gegenüber der Versicherung und damit die Fürsorgepflichtverletzung gegenüber der Klägerin nach Eröffnung des Konkursverfahrens gesetzt habe. Keine Relevanz kommt in diesem Zusammenhang dem in der Revisionsrekursbeantwortung erhobenen Einwand zu, dass der Schriftsatz der Klägerin (ON 7) vom 16. 2. 2005 (Fax) bzw 17. 2. 2005 (durch persönliche Unterschrift verbesserte Eingabe) wegen einer bereits eingetretenen Bindung des Erstgerichts an seine Entscheidung nicht zu berücksichtigen gewesen wäre. Abgesehen davon, dass darin ohnehin nur Wiederholungen schon erstatteten Vorbringens (ON 5) bzw nicht entscheidungserhebliches Vorbringen enthalten sind, war das Erstgericht gemäß dem - auch für Beschlüsse geltenden (RIS-Justiz RS0041700; M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 III § 416 ZPO Rz 6) - § 416 Abs 2 ZPO an seinen Zurückweisungsbeschluss erst mit der Übergabe an die Geschäftsstelle, d.i. am 17. 3. 2005, gebunden.

Entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, welches für die Zulässigkeit der Klage wie das Erstgericht nur auf den Zeitpunkt des Arbeitsunfalls abstellte, ergeben sich aus dieser Präzisierung des Klagebegehrens folgende Konsequenzen:

Bei Beurteilung dessen, welchen Anspruch die Klägerin geltend machen will, kommt es auf ihr Vorbringen und nicht auf die Einwendungen an. Nach diesem Klagevorbringen begehrt die Klägerin Ersatz eines Schadens, der nach ihren Angaben erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden ist. Gemäß § 51 Abs 1 KO sind Konkursforderungen solche Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche an den Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung zustehen. Ausgehend vom Klagevorbringen ist daher der Bestand einer Konkursforderung zu verneinen.

Da die Klägerin sowohl die Obliegenheitsverletzung als auch die dadurch bewirkte Fürsorgepflichtverletzung der „ beklagten Partei" zuordnet, ist daraus zunächst der Schluss zu ziehen, dass sie damit den beklagten Masseverwalter meint. Insoweit sie daher Ansprüche gegenüber dem Masseverwalter aus dessen Rechtshandlungen ableitet, könnte darin die Geltendmachung einer - nicht anmeldepflichtigen - Masseforderung iSd § 46 Abs 1 KO liegen. In diesem Falle wäre daher sowohl die Zurückweisung der Klage als auch die Nichtigerklärung des Verfahrens mangels Anmeldung im Konkurs verfehlt. Sollte die Klägerin hingegen - was noch zu erörtern sein wird - ein vom Gemeinschuldner persönlich nach Eröffnung des Konkursverfahrens gesetztes schuldhaftes Verhalten als Haftungsgrund heranziehen, läge auch darin kein anmeldepflichtiger Anspruch. Alle nach Konkurseröffnung entstehenden Forderungen, die nach der KO weder Konkurs- noch Masseforderungen sind, wozu etwa auch Ersatzansprüche gegen den Gemeinschuldner aus seinem persönlichen rechtswidrigen Handlungen zählen (Konecny in Konecny/Schubert, Komm zu den Insolvenzengesetzen Rz 17 zu § 102 KO), eröffnen nämlich keinen Konkursteilnahmeanspruch, sondern lediglich die Möglichkeit, den Gemeinschuldner - unabhängig vom eröffneten Konkursverfahren - persönlich zu belangen (SZ 53/92; EvBl 1989/70). Ob und inwieweit derartige Ansprüche materiell berechtigt wären, kann vom Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium nicht geprüft werden.

Da Klagszurückweisung und Nichtigerklärung somit jedenfalls zu Unrecht erfolgten, ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

Durch seine Einwendungen betreffend die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges hat der beklagte Masseverwalter einen Zwischenstreit herbeigeführt. Gemäß §§ 41, 50 Abs 1 ZPO hat er daher der im Zwischenstreit obsiegenden Klägerin die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen. Hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz hatte eine Kostenentscheidung zu unterbleiben, weil in diesem Stadium besondere Kosten eines Zwischenstreits nicht angefallen sind.

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