OGH 13Os78/05b

OGH13Os78/05b28.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer in der Maßnahmensache des Hans G***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 27. April 2005, GZ 14 Hv 67/05m-41, nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers und Sachwalters gemäß § 35 Abs 2 StPO in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Hans G***** wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 27. Jänner 2005 in Pruggern und Allerheiligen unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer anhaltenden wahnhaften Störung im Sinne einer querulatorischen Paranoia in Verbindung mit einem beginnenden Hirnabbau im Sinne einer Demenz, durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich durch die telefonisch gegenüber dem vom Bezirksgericht Schladming zum Sachverständigen bestellten Karl W***** getätigte Ankündigung, er werde Personen, die seinen Hof betreten würden, insbesondere Leute von der Bank, die ihn um seinen Besitz bringen würden, erschießen, Vertreter der betreibenden Gläubigerin zur Unterlassung der Intervention bei der vom Sachverständigen für den 15. Februar 2005 angesetzten Befundaufnahme in einem Zwangsversteigerungsverfahren zu nötigen versucht, mithin eine Tat begangen, die ihm außerhalb dieses Zustandes als das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre und mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, welche nominell (irrig) auf § 345 Abs 1 Z 5, 10a, 11 und 12 StPO gestützt wird.

Soweit aus dem weitwendigen, angebliche Nichtigkeits- und Berufungsgründe miteinander vermengenden Beschwerdevorbringen eine deutliche und bestimmte Bezeichnung von Umständen, durch die sich der Betroffene erschwert erachtet, überhaupt erkennbar ist, ist zu den (richtig:) in § 281 Abs 1 StPO beschriebenen Nichtigkeitsgründen zu erwägen:

Unter anderem einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) erblickt die Beschwerde (nominell aus § 345 Abs 1 „Z 10 bzw 10a bzw 11 StPO") zwischen den Konstatierungen der subjektiven Tatseite einerseits und der fehlenden Diskretions- und Dispositionsfähigkeit andererseits, verwechselt mit diesem Einwand jedoch die Fähigkeit, etwas mit den Sinnen aufzunehmen und einen Willen zu bilden, mit der Fähigkeit, diesen Willen verantwortlich an den Rechtsnormen auszurichten. Als Rechtsrüge (Z 9 lit b) verfehlt dieses Vorbringen die Ausrichtung am Urteilssachverhalt.

Gleiches gilt für Behauptung bloßen Vorliegens einer milieubedingte Unmutsäußerung (Z 9 lit a).

Mit dem Beschwerdehinweis „bloß lapidarer Formulierungen" des Urteils und der Verweisung auf die Verantwortung des Betroffenen werden keine Begründungsmängel (Z 5) oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Tatwillen des Beschwerdeführers, sohin entscheidende Tatsachen betreffende Feststellungen (Z 5a) geltend gemacht.

Die Beschwerde moniert (nominell aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO) die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der behandelnden Ärzte Dr. We***** und OA Dr. M***** der Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz zum Beweise dafür, „dass entgegen der Ansicht des Sachverständigen Dr. H***** keine Demenz und keine Paranoia mit einer entsprechenden Gefährlichkeitsprognose vorliegt, sondern lediglich nur ein gewisser Realitätsverlust bzw eine Realitätsverweigerung ... Der Antrag wird daher „auch" ausdrücklich zum Beweise dafür gestellt, dass beim Betroffenen eine eklatante Besserung eingetreten, keine Gefährlichkeit mehr gegeben ist und die Weiterbehandlung durchaus auch ambulant erfolgen kann."

Soweit sich aus diesem Antrag eine Bezugnahme auf einen einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustand zum Zeitpunkt der Anlasstat (und dessen Einflusses hierauf) noch erkennen lässt (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall iVm Z 4, eine ausdrückliche Bezugnahme hierauf unterblieb allerdings), verfiel er zu Recht der Abweisung. Im Hinblick darauf, dass der Sachverständige die aus der Krankengeschichte ersichtliche Meinung der behandelnden Ärzte ausdrücklich auch die Meinung Dris. We***** berücksichtigt hat, hätte es des weiteren Vorbringens bedurft, weshalb aus den beantragten Beweismitteln andere Erkenntnisse über den Geisteszustand des Angeklagten zur Tatzeit zu gewinnen gewesen wären.

Dass der Sachverständige nach einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Verteidiger von diesem in der Hauptverhandlung vergeblich abgelehnt wurde, wird ausführlich geschildert, doch wird nicht behauptet, dass sich hieraus für den Angeklagten Nachteiliges ergeben hätte.

Weitläufig kritisiert die Beschwerde noch die Abweisung weiterer Beweisanträge (Vernehmung von Zeugen, Aktenbeischaffung), behauptet ein Art 6 EMRK verletzendes Unterbleiben der Beiziehung eines zweiten Sachverständigen sowie durch den Sachverständigen Dr. H***** verwertete „Feststellungen, die nicht einmal Aktenbestandteil" seien, insbesondere von Aussagen von ihm vernommener Personen (meint damit die Befundaufnahme) und legt schließlich (entgegen dem Neuerungsverbot) ein weiteres Gutachten eines Sachverständigen vor. Alle diese Anträge und Bemängelungen erfolgen jedoch ausschließlich hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose und der vorzunehmenden Therapie (eine Bekämpfung des Geisteszustandes zur Tatzeit und seines Einflusses auf die Tat kann diesem Vorbringen nicht entnommen werden) und somit eine Ermessensentscheidung (also ob die Einweisung notwendig ist), die nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde (mit Neuerungsverbot), sondern mit Berufung angefochten werden kann (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 8 ff; selbiger, WK-StPO § 281 Rz 674, 715 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

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