OGH 11Os80/05g

OGH11Os80/05g27.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Christian K***** und Markus A***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 4. April 2005, GZ 16 Hv 75/04i-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Bacher, sowie des Angeklagten Markus A***** und der Verteidiger der beiden Angeklagten, nämlich Dr. Weber für Dr. Christian K***** und Dr. Cudlin für Markus A*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen der beiden Angeklagten wird insoweit Folge gegeben, als die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen auf jeweils sechs Monate herabgesetzt werden.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Dr. Christian K***** und Markus A***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben am 8. April 2004 in Waidhofen an der Thaya I. Dr. Christian K***** als Schlachttier- und Fleischuntersuchungsorgan, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf behördliche Schlachttieruntersuchung vor Verwendung des Fleisches zum Genuss für Menschen (§ 1 Abs 1 FUG) zu schädigen, dadurch, dass er mittels Protokollformular die Schlachttieruntersuchung am lebenden Tier mit der Ohrmarkennummer AT415898345 bestätigte, obwohl dieses bereits ca eine Stunde vor dem Untersuchungszeitpunkt notgeschlachtet worden war, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, und II. Markus A***** den Dr. Christian Walter K***** durch die Aufforderung, eine solche Schlachttieruntersuchungsbestätigung auszustellen, wissentlich zu der unter I angeführten Tat bestimmt. Gegen dieses Urteil richten sich die (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, wobei Markus A***** die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a, Dr. Christian K***** jene der „Z 10 iVm Z 9 lit b" des § 281 Abs 1 StPO geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Rechts- bzw Subsumtionsrüge bestreiten die beiden Angeklagten im Wesentlichen übereinstimmend die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales „Beamter", weil Dr. Christian K***** nicht als vom Landeshauptmann bestelltes Fleischuntersuchungsorgan gemäß § 4 Abs 2 FUG, sondern als freiberuflich tätiger Tierarzt im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 1 FUG eingeschritten sei. Dabei sei ihm nur die Stellung eines sachverständigen Beraters des zuständigen Amtsarztes oder einer Person des öffentlichen Glaubens zugekommen, weil er - ähnlich einem Notar - lediglich eine Urkunde, nämlich ein Protokoll über die Schlachttieruntersuchung, errichtet habe, die für die Eintragung in das nach § 45 FUG zu führende Protokollbuch bestimmt gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer aus den von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend dargelegten Erwägungen nicht im Recht.

Richtig ist zwar, dass Deliktsubjekt des Amtsmissbrauches nur ein Beamter im Sinne des § 74 Abs 1 Z 4 StGB sein kann. Beamter ist demnach, wer als bestelltes Organ der dort angeführten Rechtsträger in deren Namen Rechtshandlungen vornehmen kann oder sonst mit Aufgaben des Bundes-, Landes- oder der Gemeindeverwaltung betraut ist (Jerabek WK2 § 74 Tz 6, 8). Der Beamtenbegriff der zitierten Gesetzesstelle ist jedoch funktional auszulegen. Ein dienstrechtliches Ernennungs- oder Anstellungserfordernis oder die Einbindung in die Organisationsstruktur des Rechtsträgers ist keine Voraussetzung für die Beamteneigenschaft. Die Beachtung bestimmter Förmlichkeiten bei der Bestellung oder Betrauung ist ebenso wie deren zeitliche Dauer ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein die Ausübung der betreffenden Funktion (Jerabek aaO Rz 4).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall:

Grundsätzlich obliegt die Schlachttier- und Fleischuntersuchung den vom Landeshauptmann bestellten Fleischuntersuchungsorganen (§ 4 Abs 2 FUG), die in dieser Eigenschaft - freiberuflich im Rahmen eines behördlichen Auftrages - in Vollziehung des Fleischuntersuchungsgesetzes mit der Hoheitsverwaltung des Bundes zuzuordnenden Aufgaben betraut und daher Beamte gemäß § 74 Abs 1 Z 4 (zweiter Typus) StGB sind (vgl Prändl-Psota-Walla-Stuller-Brustbauer, Fleischuntersuchungsrecht, § 4 FUG, 38; SSt 59/69; 12 Os 47/91). Bei Notschlachtungen ermächtigt jedoch § 20 FUG in der Fassung BGBl I 143/2003 (in Kraft getreten am 1. 1. 2004) alle freiberuflich tätigen Tierärzte, auch wenn sie nicht als Fleischuntersuchungsorgane beauftragt sind, an Stelle der Schlachttieruntersuchung durch das zuständige Fleischuntersuchungsorgan eine dieser Untersuchung entsprechende Untersuchung durchzuführen, wenn zu befürchten ist, dass das Tier bis zur Ankunft des zuständigen Untersuchungsorgans verenden oder das Fleisch durch Verschlechterung des krankhaften Zustandes wesentlich an Wert verlieren werde oder wenn das Tier infolge eines Unglücksfalles aus Tierschutzgründen sofort getötet werden muss. Diese Untersuchung gilt als Schlachtieruntersuchung und ist im Sinne des § 45 FUG aufzuzeichnen.

Dem Angeklagten Dr. K*****, der in Wahrnehmung dieser generellen Ermächtigung und damit in Vollziehung des Fleischuntersuchungsgesetzes ein Protokoll über eine Schlachttieruntersuchung vor Notschlachtung im Sinne des § 20 Abs 1 FUG errichtete, waren dabei - in gleicher Weise wie einem bestellten Untersuchungsorgan - hoheitliche Aufgaben der Bundesverwaltung, nämlich die wesentliche Mitwirkung an der Lebensmittelkontrolle, übertragen. Er war daher (funktional) Beamter iSd § 74 Abs 1 Z 4 (zweiter Fall) StGB. Anders als ein sachverständiger Berater des Amtstierarztes oder ein nicht als Gerichtskommissär tätiger Notar handelte Dr. K***** somit in Ausübung des Gesetzes. Soweit der Angeklagte Markus A***** unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach zum Tatzeitpunkt noch nicht eindeutige Rechtslage die Annahme eines wissentlichen Befugnismissbrauchs durch den Erstangeklagten Dr. K***** bestreitet, argumentiert er nicht auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen (siehe insbesondere US 7), wendet sich im Ergebnis nur gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung und bringt damit den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung.

Bei seinem Einwand, das Erstgericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob er erkannt oder gewusst habe, dass Dr. K***** als Beamter „hoheitlich" eingeschritten sei, übergeht er, dass die Tatrichter diese Wissenskomponente unter Bezugnahme auf die getroffenen Feststellungen zur objektiven Tatseite ausdrücklich bejaht haben (US 7 iVm US 13 f).

Die subjektive Tatseite hat das Erstgericht unter Hinweis auf die umfassende Kenntnis der beiden Angeklagten von der zum Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage im Übrigen hinreichend begründet (US 7, 10), sodass auch der vom Angeklagten A***** geltend gemachte Begründungsmangel (Z 5) nicht vorliegt.

Da dem Schuldspruch wegen § 302 StGB kein Rechtsfehler anhaftet, können die vom Angeklagten Dr. K***** angestellten Erwägungen über die mögliche Strafbarkeit seines Verhaltens nach anderen Strafbestimmungen auf sich beruhen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren daher zu verwerfen. Hingegen kann den Berufungen der beiden Angeklagten Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Ausgehend vom Strafrahmen des § 302 Abs 1 StGB (sechs Monate bis fünf Jahre) verhängte das Schöffengericht über die Angeklagten jeweils bedingt nachgesehene Freiheitsstrafen in der Höhe von sieben (Dr. K*****) und acht Monaten (A*****). Dabei wurde beiden Angeklagten der bisher ordentliche Lebenswandel, Dr. K***** auch die Verhinderung eines Schadenseintrittes als mildernd zugebilligt, während beim Erstangeklagten dessen Funktion als Präsident der niederösterreichischen Tierärztekammer, beim Zweitangeklagten die Verführung eines anderen zu einer strafbaren Handlung als erschwerend gewertet wurde.

Die Funktion des Angeklagten Dr. K***** als Tierärztekammerpräsident wurde zu Recht als erschwerend beurteilt, weil sein strafbares Verhalten im Zusammenhang mit seinen Berufspflichten steht, deren Beachtung von ihm als führendem Funktionär der Berufsvereinigung in besonderem Maße zu erwarten ist. Andererseits wurde dem Umstand, dass sich der Angeklagte besann und unmittelbar nach der Falschbeurkundung hierüber den zuständigen Fleischuntersuchungstierarzt informierte, damit aber weitere Nachteile, so insbesondere jene Gefahr, der die verletzten Gesetzesvorschriften vorbeugen sollen, nämlich dass nicht genusstaugliches Fleisch in die Nahrungskette gelangt, letztlich verhinderte, vom Erstgericht nicht ausreichend Rechnung getragen. Im Hinblick auf diesen Milderungsumstand fällt allerdings der Beitrag des Angeklagten Dr. K***** zur Wahrheitsfindung zusätzlich nicht ins Gewicht. Unter weiterer Berücksichtigung seines tadelsfreien Vorlebens kann zwar von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe, wie dies für die Anwendung außerordentlicher Strafmilderung nötig wäre, nicht gesprochen, jedoch mit der schuldangemessenen Mindeststrafe von sechs Monaten das Auslangen gefunden werden.

Dem Angeklagten A***** wiederum wurde, ausgehend von den Tatsachenfeststellungen des Schöffengerichtes, die über bloß einfaches Bestimmen hinausgehende Einwirkung auf den Mitangeklagten, dem Berufungsvorbringen zuwider, zutreffend als Verführen und damit als erschwerend iSd § 33 Abs 1 Z 3 StGB gewertet. Dessen ungeachtet hielt der Oberste Gerichtshof bei Abwägung der vom Erstgericht im Wesentlichen vollzählig erfassten Strafbemessungsgründe eine Reduktion der Freiheitsstrafe auf die bei diesem Angeklagten ebenfalls schuldangemessene gesetzliche Mindeststrafe für gerechtfertigt, zumal in der, wenngleich wirtschaftlich motivierten, auf die Vermeidung eines Vermögensschadens gerichteten Vorgangsweise dieses Angeklagten entgegen der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung vertretenen Ansicht kein zusätzlich schulderhöhendes Gewinnstreben zu erblicken ist.

Der Umwandlung in eine Geldstrafe nach § 37 StGB stehen generalpräventive Erwägungen entgegen, weil im sensiblen Bereich der Nahrungsmittelindustrie ein bloß mit einer Geldstrafe sanktioniertes Fehlverhalten die entsprechende Konsumentenerwartung nicht genügend zu sichern geeignet ist.

Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen kam die von der Staatsanwaltschaft angestrebte Strafenkombination nach § 43a Abs 2 StGB nicht in Betracht, sodass die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die Erledigung der Berufung der beiden Angeklagten zu verweisen war.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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