Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 199,87 (darin EUR 33,31 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit 1993 als Angestellte beim Beklagten beschäftigt und wurde von diesem am 8. 10. 2002 entlassen. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin bereits schwanger. Sie berief sich nicht auf die Unwirksamkeit der ohne gerichtliche Genehmigung ausgesprochenen Entlassung (§ 12 MSchG), sondern erklärte, Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machen zu wollen.
Sie wurde am 14. 4. 2003 von Zwillingen entbunden und bezog bis einschließlich 4. 8. 2003 Wochengeld. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind noch der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung sowie auf Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 5. 8. 2003 bis 14. 8. 2003 (= Ablauf der 4-Monatsfrist nach § 12 Abs 1 MSchG).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass sowohl für Zeiten des Bezuges von Wochengeld als auch von Karenzgeld kein Anspruch auf Kündigungsentschädigung bestehe.
Das Berufungsgericht sprach der Klägerin für die Zeit vom 5. 8. bis 14. 8. 2003 Kündigungsentschädigung von EUR 339,36 und Urlaubssatzleistungen für die Zeit vom 1. 5. 2003 bis 31. 7. 2003 in Höhe von EUR 294,66 bzw EUR 44,36 zu.
Es hat dabei die Frage, ob der Klägerin auch für die Zeit des Wochengeldbezuges Anspruch auf Urlaubsersatzleistung zusteht, genauso zutreffend bejaht wie die Frage des Anspruches auf Kündigungsentschädigung trotz des Bezuges von Kindergeld. Insoweit kann daher auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionswerber vermeint zunächst, gestützt auf eine analoge Anwendung der zu 9 ObA 82/03d entwickelten Grundsätze, dass der Klägerin überhaupt kein Wahlrecht zugestanden sei, statt der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses Ansprüche wie bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verlangen, weil sie sofort nach Zugang der Entlassung auf Geldersatz bestanden und daher dem Beklagten keine Dispositionsmöglichkeit eingeräumt habe.
Dem Revisionswerber ist zunächst zuzugestehen, dass die Entscheidung 9 ObA 82/03d im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung noch nicht veröffentlicht und daher die dort genannte Ausnahme vom Wahlrecht eines trotz Bestandschutz gekündigten oder entlassenen Arbeitnehmers noch nicht bekannt war. Selbst wenn man jedoch die dort aufgestellten Grundsätze auf die Folgen eines trotz Bestandschutzes nach dem Mutterschutzgesetz unwirksam aufgelösten Arbeitsverhältnisses anwenden wollte, können auch die weitergehenden und dann ebenso anzuwendenden Erwägungen der zitierten Entscheidung nicht übersehen werden.
Zu 9 ObA 82/03d wurde der Sachverhalt beurteilt, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer kündigte, von dessen Behinderteneigenschaft bzw dessen Antragstellung beim Bundessozialamt er nichts wusste bzw nichts wissen konnte. Erst nach Ausspruch der Kündigung wurde er vom Bescheid informiert. In diesem Fall sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass sich der Arbeitnehmer leistungsbereit zeigen müsste, um dem Arbeitgeber eine entsprechende Reaktionsmöglichkeit betreffend Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zu geben. Es wurde weiters festgehalten, dass der Arbeitgeber dann, wenn er von einer Antragstellung des Arbeitnehmers beim Bundessozialamt Kenntnis hat und dennoch die Kündigung ausspricht, in diesem Fall die für ihn erkennbare Möglichkeit, dass sich seine Beendigungserklärung im Falle eines Erfolges des Antrages als unzulässig erweist, in Kauf nimmt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin vorgebracht, dass sie bereits vor ihrer Entlassung dem beklagten Arbeitgeber von ihrer Schwangerschaft Mitteilung gemacht und dieser dennoch die Entlassung ausgesprochen habe. Dieses Vorbringen wurde nicht substantiiert bestritten, sodass gemäß § 267 Abs 1 ZPO ein Prozessgeständnis vorliegt. Wusste daher der Beklagte auf Grund der Mitteilung der Klägerin von deren Schwangerschaft und sprach er, ohne etwa ein entsprechendes Attest zu verlangen, sofort die Entlassung aus, so musste er damit rechnen, dass die Klägerin an die Unwirksamkeit dieser Erklärung entsprechende Folgen knüpfen werde. Mangels Schutzwürdigkeit kann sich der Beklagten daher nicht auf die zu 9 ObA 82/03d dargestellte Ausnahme vom Wahlrecht des Arbeitnehmers berufen. Vielmehr kommt auch hier der Grundsatz zum Tragen, dass ein Arbeitnehmer nicht gezwungen werden soll, ein durch eine ungerechtfertigte Auflösungserklärung belastetes Arbeitsverhältnis fortzusetzen (RdW 1998, 763).
Der Beklagte beruft sich zur Untermauerung seiner Einwendung, dass der Klägerin auch für die Zeit vom 5. bis 14. 8. 2003 keine Kündigungsentschädigung zustehe, auf eine Außerstreitstellung, wonach die Klägerin vom 5. 8. 2003 bis 14. 8. 2003 „Karenzgeld" bezogen habe (AS 33). Zunächst können schon Zweifel daran bestehen, dass mit dieser Prozesserklärung nur das „alte" Karenzgeld im Sinne des Karenzgeldgesetzes und nicht Kindergeld nach § 2 KBGG gemeint war. Selbst wenn man diese Erklärung so wörtlich auffassen wollte, besteht insoweit aber keine Bindung des Gerichtes an ein Geständnis, weil auf Grund der Gesetzeslage das Gegenteil der zugestandenen Tatsache allgemein bekannt ist (RIS-Justiz RS0040110 [T 2]): Es wird nämlich für nach dem 1. 1. 2002 geborenen Kinder nur mehr „Kinderbetreuungsgeld" nicht jedoch „Karenzgeld" ausbezahlt (§ 60 Karenzgeldgesetz; § 49 KBGG).
Wie schon oben dargelegt, konnte die Klägerin im vorliegenden Fall auf ihren Bestandschutz „verzichten" und statt der Rechtsunwirksamkeit der Entlassungserklärung (und daher statt des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses) die Ansprüche nach § 29 AngG geltend machen (RIS-Justiz RS0070823). Ob und in welchem Umfang ein Dienstnehmer Anspruch auf „Kündigungsentschädigung" hat, hängt davon ab, inwieweit bei ordnungsgemäßer Beendigung des Dienstverhältnisses vertragsmäßige Ansprüche auf das Entgelt zugestanden wären. Der Arbeitnehmer soll das bekommen, was ihm ohne Auflösung des Arbeitsverhältnisses zugekommen wäre. Der Schadenersatzanspruch nach § 29 AngG bzw § 1162b ABGB ist daher vom hypothetischen Verlauf des weiteren Arbeitsverhältnisses nicht völlig unabhängig. Eine „Pauschalierung" des Schadenersatzes ist durch das Gesetz nur insofern vorgesehen, als es die Einrechnung dessen, was der Angestellte infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat, ausschließt, soweit der Zeitraum drei Monate nicht übersteigt und die sofortige Fälligkeit bis dahin gebührenden Entgelts normiert. Das damit gesetzliche angeordnete Verbot der Vorteilsausgleichung setzt aber voraus, dass für die maßgebende Zeit überhaupt ein vertragsmäßiger Anspruch auf Entgelt bestanden hätte (stRSp RIS-Justiz RS0070823 ua; Spenling in Koziol/Bydlinski/Bollenberger Rz 3 zu § 1162b ABGB).
Nun normiert § 15 Abs 1 MSchG zwar den Entfall des Arbeitsentgeltes bei Inanspruchnahme einer Mutterschaftskarenz, jedoch kann ein solcher Sachverhalt entgegen der Auffassung des Revisionswerbers hier nicht ohne weiteres unterstellt werden. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach § 2 Abs 1 KBGG besteht nämlich unabhängig von einer früheren (sozialversicherungspflichtigen) Tätigkeit (620 Beil. NR. 21. GP zu § 2 Abs 1) dann, wenn der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte iSd § 8 KBGG des Elternteils im Kalenderjahr den Grenzbetrag von EUR 14.600 nicht übersteigt (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG). Da, wie festgestellt, die von der Klägerin bei Unterstellung eines aufrechten Arbeitsverhältnisses erzielten Einkünfte diesen Grenzbetrag nicht überstiegen hätten, kann allein aus der Tatsache des Bezuges von Kindergeld nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass die Klägerin nach Ablauf der Schutzfrist eine Mutterschutzkarenz in Anspruch genommen und kein Entgelt erzielt hätte. Vielmehr wäre es daher am Beklagten gelegen, bereits im Verfahren erster Instanz den entsprechenden rechtsvernichtenden Einwand zu erheben und unter Beweis zu stellen, was jedoch unterblieben ist.
Die Revision erweist sich somit als nicht berechtigt.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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