OGH 14Os19/05h

OGH14Os19/05h9.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wagner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz P***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 11. August 2004, GZ 603 Hv 314/01v-89, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz P***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 28. September 1992 und 21. Jänner 1994 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Franz G***** in mehreren Angriffen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche des Magistrates der Stadt Wien durch Täuschung über Tatsachen, und zwar Franz G*****, indem er als Verantwortlicher der S***** GesmbH nicht angefallene Baukosten verrechnete und für das durchzuführende Bauprojekt nicht erforderliches Füllmaterial auf Kosten der Stadt Wien abrufen ließ, Franz P***** als Aufsichtsorgan der Stadt Wien, indem er ordnungsgemäße Kontrollen unterließ und über Auftrag von Franz G***** unrichtige Aufmaßblätter, somit falsche Beweismittel erstellte, die als Grundlage der Abrechnung dienten, zu Handlungen, nämlich zur Begleichung überhöhter Rechnungen und Bezahlung von zu Unrecht bezogenem Material an die Firma K***** verleitet, wodurch die Gemeinde Wien in einem 40.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete und auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist im Recht:

In der wegen Erkrankung des bisherigen und Hinzuziehung eines anderen Berufsrichters als Beisitzer neu durchgeführten (§ 276a StPO) Hauptverhandlung am 11. August 2004 wurden nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls die bis dahin erzielten Verfahrensergebnisse sowie die Anzeigen, Erhebungsergebnisse und der Inhalt zahlreicher Beilagenordner und Beiakten einverständlich verlesen, wobei die Parteien auf die tatsächliche Vorlesung derselben verzichteten (S 532, 539/IV).

In einer gemäß § 285f StPO eingeholten Stellungnahme teilte die Vorsitzende des Schöffengerichts mit, dass ein Referat über den wesentlichen Inhalt dieser Schriftstücke - mit Ausnahme der wörtlichen Verlesung des Punktes 7. der Beilage 12 aus ON 4a sowie des zweiten Absatzes der S 13, einer kurzen Erläuterung der Kritikpunkte des Kontrollamtes und der Mitteilung, dass eine Schadensgutmachung erfolgt ist (S 533 f/IV) - unterblieben war (ON 99).

Nach stRsp ist dann, wenn der Beschwerdeführer auf die tatsächliche Verlesung oder Vorführung von im § 252 Abs 1 oder Abs 2 StPO genannten Schriftstücken oder technischen Aufzeichnungen verzichtet hat, die Art, wie ein solches Beweismittel in der Hauptverhandlung vorgekommen ist (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO), einer nachträglichen Kritik aus Z 5 entzogen. Da der aufklärende Bericht der Vorsitzenden des Schöffengerichts jedoch ergeben hat, dass die in der Beschwerde genannten Beweismittel auf gar keine Art vorgekommen sind, leidet das angefochtene Urteil unter der aus Z 5 vierter Fall demnach zutreffend aufgezeigten Nichtigkeit (vgl 12 Os 41/02), sodass eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist.

Dieser Mangel zwingt zur Aufhebung des Urteils bereits bei nichtöffentlicher Beratung und zur Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 285e StPO). Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Stichworte