OGH 14Os47/05a

OGH14Os47/05a9.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wagner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ingo F***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 10. Februar 2005, GZ 40 Hv 1/05p-22, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ingo F***** des (richtig: der) Verbrechen(s) des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1a), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1b), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2) und des (richtig: der) Vergehen(s) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (richtig: § 212 Abs 1 Z 2 idF StRÄG 2004; 3) schuldig erkannt. Danach hat er in Nenzing und Gais

„1) ab 1999 bis August 2004 mit seiner am 3. August 1994 geborenen unmündigen Tochter Susanne F*****

a) mehrfach eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er jeweils einen Finger in deren Scheide einführte und diese ableckte;

b) im Sommer 2004 außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an sich vornehmen lassen, indem er sie aufforderte, sein erigiertes Glied anzufassen und ihn zu befriedigen [was sie auch tat;

US 5];

2) im Jahr 1999, jedenfalls nach den ersten sexuellen Übergriffen, seine Tochter Susanne F***** durch die ihr gegenüber gemachte Äußerung, falls sie es jemanden erzähle, bekomme sie Schläge, dass ihr Hören und Sehen vergehe, mithin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, zur Geheimhaltung der Geschehnisse genötigt;

3) in Götzis im Sommer 2003 unter Ausnützung seiner Stellung als Lebensgefährte ihrer Mutter die unter seiner Aufsicht stehende minderjährige Stefanie P***** zur Unzucht missbraucht, indem er mit ihr zweimal den Geschlechtsverkehr vollzog."

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Indem sich die Verfahrensrüge (Z 3; inhaltlich Z 2) gegen die Verlesung der Aussagen der Zeugin Susanne F***** vor dem Landesgendarmeriekommando Vorarlberg wendet, weil die Genannte dort über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 StPO nicht belehrt worden sei, übersieht sie, dass außerhalb des § 88 Abs 3 StPO zum Zweck der Strafgerichtspflege vorgenommene Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden oder -organe keine Vorerhebungen iS § 281 Abs 1 Z 2 StPO darstellen, die unterlassene Belehrung mithin nicht mit Nichtigkeit bewehrt ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 178). Im Übrigen hat sich der Angeklagte nicht gegen die bezügliche Verlesung verwahrt.

Der Antrag auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychologie zum Beweis dafür, dass der Angeklagte die ihm zum Nachteil der Susanne F***** vorgeworfenen Handlungen nicht begangen hat und dass die seitens der minderjährigen Susanne F***** gemachten Angaben falsch bzw teilweise manipuliert sind" (S 17/II), verfiel zu Recht der Abweisung (Z 4). Er legt nicht dar, warum anzunehmen sei, das sich das Tatopfer, welches bei der kontradiktorischen Vernehmung erklärt hatte, nicht mehr aussagen zu wollen (S 417/I), dennoch zu einer Mitwirkung an einer Befundaufnahme durch den Sachverständigen bereitfinden werde (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350).

Zudem unterlässt er es darzutun, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327). Kommt doch die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen primär den Tatrichtern zu, welche sich auch mit diversen Aussagedivergenzen eingehend auseinandergesetzt haben (US 7 bis 10). Diesbezügliche Nachträge im Rechtsmittel sind unbeachtlich. Hinsichtlich des Faktums 3) mangelt es der die Aufhebung des gesamten Urteils beantragenden Beschwerde an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen.

Da die Urteilskonstatierungen die unterbliebene Subsumtion der zu 3) des Spruchs genannten Taten auch unter § 212 Abs 1 Z 2 idF des StRÄG 2004 tragen (US 6), sieht sich der Oberste Gerichtshof diesbezüglich zu keinem Vorgehen nach § 290 StPO veranlasst. Dass auch hinsichtlich der Schuldspruchsfakten 1a) und 1b) die Annahme des idealkonkurrierenden Vergehens nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB indiziert gewesen wäre (vgl Schick in WK2 § 212 Rz 15), kann, weil es zum Nachteil des Angeklagten ausschlagen würde, dahinstehen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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