OGH 13Os49/05p

OGH13Os49/05p27.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer in der Strafsache gegen Thomas S***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 18. Februar 2005, GZ 632 Hv 3/04a-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas S***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Klosterneuburg und Wien in der Zeit von ca 1988 bis etwa 1993 in einer Vielzahl von Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB „eine geschlechtliche Handlung von einer unmündigen Person, nämlich durch den am 28. April 1982 geborenen Peter Sch*****, an sich vornehmen lassen und vorgenommen", indem er diesen veranlasste, sein erigiertes Glied in die Hand zu nehmen und ihn durch Handonanie bis zum Orgasmus zu befriedigen, wobei er auch dessen Glied betastete, wobei die Taten eine schwere Körperverletzung, nämlich eine chronische posttraumatische Belastungsstörung in Kombination mit Alkoholabhängigkeit, depressiver Verstimmung, Angststörung, dissoziativen Störungen (Lähmungen bzw Sensibilitätsstörungen ohne organische Ursache) und Selbstverletzungen zur Folge hatten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche jedoch fehl geht.

Die Mängelrüge behauptet eine Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall), die darin bestehen soll, dass das Erstgericht der Aussage der Zeugin Ilse Z*****, die eine Einsichtsmöglichkeit von außen in die Toilette des Hauses behauptete, mit der Begründung nicht Glauben schenkte, dies sei von der Zeugin Christine Sch***** in Abrede gestellt worden, „zumal man eben aufstehen und sich auf die Klomuschel stellen hätte müssen, wenn man durch ein hoch oben angebrachtes (US 10: hoch angebrachtes) „Fenster aus dem WC hätte blicken wollen". Die Zeugin hätte nämlich gar nicht ausgesagt, dass das Fenster „hoch oben angebracht" gewesen sei.

Die Beschwerde übersieht, dass die kritisierte Urteilsstelle keine Wiedergabe der Aussage der Zeugin darstellt, sondern einen daraus gezogenen Schluss.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) bezweifelt, dass Peter Sch***** von ca 1988 bis etwa 1993 über Ersuchen seiner Mutter vom Angeklagten bei beabsichtigter Verrichtung der großen Notdurft auf die Toilette begleitet worden sei, und weiters, dass die Beziehung des Angeklagten zur Zeugin R***** erst im Februar 1998 begonnen hätte (woraus seine homosexuelle Neigung in jüngeren Jahren erschlossen worden sei), werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der den Schuldspruch stützenden Feststellungen entscheidender Tatsachen aufgezeigt. Die von der Beschwerde kritisierte im Urteil erwähnte „äußerst seltsam anmutende" frühzeitige Beiziehung eines Rechtsanwaltes als Antwort auf die außergerichtlichen schriftlichen Vorhalte des Tatopfers an den Angeklagten (AS 99) ist ersichtlich bloß eine belanglose Randbemerkung und nicht als Sachverhaltsgrundlage des Schuldspruchs zu werten.

Der Einwand in der Rechtsrüge (Z 9 lit b), wonach angesichts der vor dem StRÄG 1998 begangenen Straftaten gemäß § 61 StGB der im Tatzeitpunkt noch nicht geltende § 58 Abs 3 Z 3 StGB keine Anwendung finden dürfe, zeigt nicht auf, weshalb dem klaren, die Fälle der Tatbegehung vor der Novellierung des § 58 StGB erfassenden und insoweit § 61 StGB abändernden (vgl Höpfel in WK2 § 61 Rz 1) Gesetzeswortlaut des Art V Abs 3 StRÄG 1998 keine Bedeutung zukommen sollte.

Soweit der Beschwerdeführer hingegen die Anwendbarkeit des Art V Abs 3 StRÄG 1998 verneint, bringt er keine unrichtige Gesetzesauslegung vor, sondern bekämpft die beim inkriminierten Sachverhalt heranzuziehende Norm.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Sitzung sofort zurückweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufung des Angeklagten das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle. Für das in der Beschwerde angeregte Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG fand sich kein Grund: Die oben genannte Übergangsbestimmung steht nämlich entgegen der - insoweit nicht auf Darlegung eines Nichtigkeitsgrundes abzielenden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 597) - Beschwerde nicht im Widerspruch zu Art 7 Abs 1 MRK, der - soweit hier von Bedeutung - nur die Verurteilung wegen einer Handlung oder Unterlassung, die zur Zeit ihrer Begehung nicht strafbar war, und die Verhängung einer höheren Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung angedrohten Strafen, nicht aber eine Änderung betreffend den Lauf von Verjährungsfristen verbietet (14 Os 111/02). Ein Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG ist daher nicht indiziert.

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