OGH 13Os59/05h

OGH13Os59/05h27.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer in der Strafsache gegen Herwig F***** wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 10. März 2005, GZ 13 Hv 237/04k-91, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Herwig F***** des Vergehens (richtig der Vergehen) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 3 StGB, des Vergehens (richtig der Vergehen) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und des Verbrechens (richtig der Verbrechen) der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz Herma L*****

in zahlreichen Fällen durch Versetzen von Stößen, Schlägen und Fußtritten, wodurch Herma L***** einmal über eine Stiege stürzte und einmal gegen eine Kastentür stieß und „fortlaufend" Hämatome am Körper, Schmerzen am Steißbein und Prellungen erlitt,

a) ab dem Jahr 1983 bis Ende Februar 1988 vorsätzlich am Körper verletzt;

b) ab 1. März 1988 bis Februar 2004 vorsätzlich am Körper verletzt, wobei er mindestens drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat;

ab dem Jahr 1983 bis Februar 2004 in zahlreichen Fällen durch die Äußerung, er werde sie umbringen, mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

ab dem Jahr 1983 bis Februar 2004 in zahlreichen Fällen durch die Äußerung, wenn sie jemandem etwas erzähle, ihn verlasse oder die Anzeige erstatte, werde er sie umbringen, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von den vorbezeichneten Handlungen, genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 345 Abs 1 Z 10a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Dem Einwand, wonach schon der in der Abstimmung der Geschworenen zum Ausdruck kommende Standpunkt einer „geteilten Glaubwürdigkeit" der Zeugin Herma L***** Bedenken hervorrufe, ist zu erwidern, dass das Abstimmungsverhalten der Laienrichter keine sich aus den Akten ergebende, aus in der Hauptverhandlung vorkommenden Beweismitteln abgeleitete (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 11 und 16; vgl auch ders § 281 Rz 471) Tatsache iSd § 345 Abs 1 Z 10a StPO darstellt. Die Geschworenen verneinten die Hauptfragen 1 und 2, welche auf dem Beschwerdeführer angelastete fortlaufende Sexualdelikte gerichtet waren, zu denen belastende Angaben der Lebensgefährtin des Angeklagten vorlagen. Die den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Hauptfragen bejahten die Geschworenen, wobei hinsichtlich dieser Anschuldigungen nicht nur Aussagen der Zeugin Herma L***** zur Verfügung standen, sondern auch weitere Beweisergebnisse wie die Angaben der Zeugen Werner V***** (S 452 ff/II), Dr. Claudia E***** (S 69 ff/III) und Christa H***** (S 105/III), die u.a. über Aggressionen des Angeklagten gegenüber Herma L***** bzw über bei ihr sichtbare blaue Flecken berichteten. Im Einklang damit referierte die Zeugin Dr. Ingeborg P***** über eine von ihr bei der Belastungszeugin diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (S 502/II), welche mit den von Herma L***** geschilderten Aggressionshandlung des Herwig F***** in Übereinstimmung gebracht werden kann. Diese Diagnose deckt sich im Übrigen mit dem Ergebnis der Befundung des Sachverständigen Dr. Heinz H***** (S 503 ff/II; S 112 ff/III). Im Hinblick darauf bestehen entgegen dem ausschließlich auf die Angaben der Lebensgefährtin abstellenden Vorbringen in der Rüge keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen. Dass Herma L***** die den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Sachverhalte erst im Verlauf des ursprünglich auf die Vorwürfe mehrfacher Vergewaltigungen konzentrierten Verfahrens präzisierte, dass sie mit dem Angeklagten trotz der geschilderten Vorfälle - insbesondere mit Blick auf die von den Geschworenen bejahten gefährlichen Drohungen und schweren Nötigungen - die Beziehung fortsetzte und mit ihm selbst aus dem Krankenhaus heraus telefonisch Kontakt aufnahm, vermag angesichts der viele Jahre hindurch aufrecht erhaltenen Lebensgemeinschaft derartige Bedenken ebenso wenig zu erwecken wie der Umstand, dass die Vorgesetzten und Arbeitskollegen des Beschwerdeführers diesem - ohne detaillierten Einblick in das Familienleben - ein untadeliges Verhalten attestierten. Gleiches gilt für die spekulativen Überlegungen zu Motiven der Belastungszeugin, den Angeklagten falsch zu beschuldigen, sowie für die eine Parteilichkeit der Zeugen Werner V***** und Dr. Claudia E***** behauptenden Einwände oder für die in der Tatsachenrüge hervorgehobenen Umstände, dass Menschen aus dem Umfeld der Herma L***** Aggressionshandlungen des Rechtsmittelwerbers gegenüber seiner Lebensgefährtin nicht beobachten konnten bzw dass Herma L***** eine Person nicht nennen wollte, der sie sich im Hinblick auf die Gewalttätigkeiten des Herwig F***** anvertraut hatte. Damit werden lediglich für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen angesprochen, ohne einen unvernünftigen Gebrauch des Beweiswürdigungsermessens der Geschworenen aufzeigen zu können (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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