OGH 11Os56/05b

OGH11Os56/05b26.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juli 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wagner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ilhan C***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Februar 2005, GZ 35 Hv 263/04b-93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen im Spruch unbekämpft unerwähnt gebliebenen, in den Gründen als Gegenstand eines Freispruchs bezeichneten Anklagepunkt enthält, wurde Ilhan C***** (richtig:) der Verbrechen nach § 28 Abs 2 (zu ergänzen: zweiter, dritter und vierter Fall) SMG iVm § 12 erster und dritter Fall StGB und Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er zwischen Ende Mai 2004 und Ende Juni 2004 (in den Niederlanden) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge, in Verkehr gesetzt und dazu beigetragen, dass es von den Niederlanden aus- und über Deutschland nach Österreich eingeführt wurde, wobei er gewerbsmäßig handelte, und zwar:

1. um den 28./29. Mai 2004 durch Verkauf einer ziffernmäßig nicht exakt feststellbaren, die Grenzmenge des Abs 6 jedoch jedenfalls übersteigenden großen Menge Kokain, an den gesondert verfolgten Murat S***** und

2. um den 29. Juni 2004 durch Verkauf von cirka 700 g qualitativ hochwertigen Kokains an den gesondert verfolgten Mehmet B*****.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welcher indes keine Berechtigung zukommt. Dem aus Z 5 (zweiter Fall) zum Schuldspruch 1 erstatteten Beschwerdevorbringen zuwider überging das Schöffengericht die entlastenden Angaben des Zeugen Murat S***** (S 65/III) keineswegs, sonders bezog sie mit in seine beweiswürdigenden Erwägungen ein, maß ihnen jedoch keine Glaubwürdigkeit zu (US 6 f). Mit der Aussage des Zeugen Mahmut Ö***** wiederum (S 73/III) musste sich das Erstgericht schon deshalb nicht auseinandersetzen, weil hiedurch die Urteilsfeststellungen gar nicht in Frage gestellt werden. Die Tatbeteiligung des Angeklagten am verfahrensaktuellen Suchtgifttransfer, nämlich die Übergabe (Schuldspruch 1, US 4) bzw die „Organisation" (Faktum 2, US 7) der Drogen, erschloß das Erstgericht unter anderem aus den Ergebnissen einer Telekommunikationsüberwachung. Dabei wurden, ausgehend von der als allgemein bekannt vorausgesetzten Tatsache, dass die Kommunikation zwischen Tätern, die mit der Vorbereitung und Durchführung von Suchtgifttransaktionen befasst sind, regelmäßig (zumindest durch Verwendung von Deckbegriffen für die Suchtmittel) verschlüsselt erfolgt, die durch die Überwachung bekannt gewordenen (schriftlichen und gesprochenen) Mitteilungen nicht nach ihrem Wortsinn, sondern in einer Gesamtschau mit den übrigen Beweisergebnissen interpretiert. Soweit der Beschwerdeführer unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO die Annahme, die in Rede stehenden Mitteilungen seien verschlüsselt, als nicht begründet rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass notorische Tatsachen - und um eine solche handelt es sich hier - keiner weiteren Begründung bedürfen. Nun sagt zwar der Umstand, dass die Mitteilungen verschlüsselt waren, über deren Bedeutungsinhalt nichts aus, doch kann dieser aus dem Kontext mit anderen Verfahrensergebnissen in freier, den Denkgesetzen und der Beachtung allgemeiner Lebenserfahrung verpflichteter Beweiswürdigung festgestellt werden. Vorliegend gelangte das Erstgericht solcherart unter Heranziehung des Gesprächs zwischen Murat S***** und Erdal Ö***** (S 35/I), der Aussage des Zeugen Christian K***** (S 409 ff/I, insbes S 417/I), den SMS-Nachrichten vom 25. und 26. Mai 2004 (S 95/I) sowie vom 29. Mai 2004 (S 505 ff/I), des Telephongesprächs zwischen S***** und dem Beschwerdeführer vom 27. Mai 2004 und des Telephon-Überwachungsprotokolls vom 29. Mai 2004 (S 557/I) zu den schuldspruchrelevanten Feststellungen (US 4 iVm US 5 bis 7). Der Einwand, diese seien unbegründet geblieben oder nur „zum Schein" begründet worden, ist daher haltlos. Dass die Tatrichter in diesem Zusammenhang auch der Tatsache, dass bei der zweiten Schmuggelfahrt ca 700 Gramm Kokain nach Österreich eingeführt wurden, eine gewisse Indizwirkung für die Urteilsannahme zum Schuldspruch 1 zuerkannten, ist logisch und empirisch einwandfrei und bewirkt solcherart keinen formellen Begründungsmangel. Bei der gegebenen Beweissituation kann das - isoliert betrachtet - vom Beschwerdeführer zutreffend als Scheinbegründung (nämlich als Zirkelschluss) kritisierte Argument, das „mit dieser Schmuggelfahrt" (vom 29. Mai 2004) „verbundene Risiko ... und die damit zusammenhängenden Kosten sind ein sicherer Beweis" und „...kann daher mit Sicherheit davon ausgegangen werden", auf sich beruhen.

Der zum Schuldspruch 2 erhobene Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach der Angeklagte die verfahrensverfangene Menge Kokain in den Niederlanden zum Zwecke des Schmuggels nach Österreich organisiert habe, lässt die beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffensenates (US 8 ff) außer Acht, aus welchen dieser seine Überzeugung von der Suchtmittelbeschaffung durch den Beschwerdeführer gewonnen hat und welche den für eine formell mängelfreie Beweiswürdigung erforderlichen Zusammenhang zwischen Feststellung und Gründen, hier vor allem mit Blick auf Zeitpunkt und Inhalt des zwischen Mahmut Ö***** und dem Beschwerdeführer geführten Telephongesprächs vom 30. Juni 2004 (S 47/I), noch zureichend erkennen lassen. Schließlich ist auch die Annahme der gewerbsmäßigen Begehungsweise durch den Hinweis auf die innerhalb kürzester Zeit (nach forensischer Erfahrung unzweifelhaft) mit Gewinntendenz erfolgte Tatwiederholung (noch) hinreichend begründet (US 10), weshalb auch insoweit der relevierte Begründungsmangel nicht vorliegt.

In seinem Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) zeigt der Beschwerdeführer keine aktenkundigen Umstände auf, aus denen sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten Tatsachen ergeben, sondern versucht lediglich, durch eigenständige Bewertung der Beweisergebnisse die Konstatierungen des Erstgerichtes in Zweifel zu ziehen. Damit unternimmt er aber den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die Urteilsannahmen nach Art einer dort nicht vorgesehenen Schuldberufung zu bekämpfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon in nichtöffentlichder Sitzung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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