OGH 8Ob79/04g

OGH8Ob79/04g21.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Eugen P*****, Pensionist, *****, vertreten durch Schreiner Lackner & Partner, Rechtsanwälte in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei Ing. Harald P*****, Bautechniker, ***** , vertreten durch Dr. Bernd Fritsch ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 16.125,23 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13. Mai 2004, GZ 4 R 45/04a-34, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Dezember 2003, GZ 20 Cg 48/01w-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 938,16 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 156,36 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Brüder. Der Nachlass ihrer am 3. 3. 1998 verstorbenen Mutter wurde ihnen und ihrer Schwester nach Abgabe bedingter Erbserklärungen zu je einem Drittel eingeantwortet. Der reine Nachlass betrug S 74.953,12.

Die Erblasserin hat dem Beklagten 1979 und 1980 insgesamt 4 Grundstücke geschenkt. Zwei davon (nunmehr zu einem zusammengefasst) hat der Beklagte mit Kaufvertrag vom 13. 4. 1979 um S 90.000,- verkauft, ein weiteres am 6. 3. 1981 um S 150.000,-. Der Verkehrswert der verkauften Grundstücke betrug zum Zeitpunkt der Schenkung EUR 6.540,- und EUR 10.530,-, zum Zeitpunkt des Erbanfalls EUR 76.180,- und EUR 45.783,-.

Ihrer Tochter schenkte die Erblasserin mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 21. 9. 1987 und mit Schenkungsverträgen vom 19. 8. 1988 und vom 23. 8. 1988 Liegenschaften und Liegenschaftsanteile, deren Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbanfalls insgesamt EUR 265.188,55 betrug.

Dem Kläger und seiner Ehefrau schenkte die Klägerin mit Vertrag vom 2. 2. 1998 je zur Hälfte ein Grundstück, dessen Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbanfalls EUR 16.228,43 betrug.

Der Kläger begehrt vom Beklagten letztlich EUR 16.125,23 sA. Der Beklagte habe anrechnungspflichtige Schenkungen im Wert von mindestens EUR 109.009,25 erhalten, seine Schwester solche im Wert von EUR 265.188,55. Ihm selbst sei nur ein Vermögen von EUR 8.114,21 geschenkt worden. Schenkungen und Reinnachlass hätten zusammen einen Wert von EUR 387.759,10. Sein Pflichtteilsanspruch (ein Sechstel des Nachlasses) betrage daher EUR 64.626,52. Abzüglich des gemeinen Pflichtteils von EUR 907,85 und der ihm zugekommenen Schenkung von EUR 8.114,21 betrage sein Schenkungspflichtteil daher EUR 55.604,46. Davon hätten im Verhältnis des Werts der ihnen zugekommenen Schenkungen der Beklagte 29 % und seine Schwester 71 % an ihn zu leisten. Der Beklagte habe bei der Pflichtteilsbemessung zu berücksichtigende Geschenke veräußert, obwohl er nach den Umständen mit der künftigen Schenkungsanrechnung hätte rechnen müssen.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe durch anrechenbare Vorausempfänge so viel erhalten, dass ihm kein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehe. Die Schenkung der Grundstücke, mit Ausnahme der Schenkung des noch in seinem Eigentum befindlichen Grundstücks, sei ausschließlich deshalb erfolgt, um ihm dringend benötigtes Bargeld für den Kauf eines Hauses zu verschaffen, weshalb er die Grundstücke auch unmittelbar nach der Schenkung zweckgemäß verkauft habe. Zur Ermittlung der Pflichtteilsansprüche sei daher der Verkaufserlös von EUR 17.441,48 mit dem zum Zeitpunkt des Todes aufgewerteten Betrag von EUR 29.069,13 heranzuziehen. Das bei ihm verbliebene Grundstück habe einen Verkehrswert von EUR 1.090,09,-. Auf die Relation der Grundstücke, die die Schwester der Streitteile erhalten habe, zu jenen Grundstücken, die der Kläger erhalten habe, werde Bedacht zu nehmen sein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Alle anrechnungspflichtigen Schenkungen der Erblasserin seien zusammenzuzählen. Danach sei für jeden Berechtigten der Pflichtteil zu bestimmen. Die Differenz des erhöhten Pflichtteils zum Nachlasspflichtteil stelle den Schenkungspflichtteil dar, von dem die Schenkungen abzuziehen seien, die der Pflichtteilsberechtigte erhalten habe. Bei der Berechnung des Nachlasses sei rechnerisch anzunehmen, dass alle Schenkungen im Nachlass seien. Die Schenkungen seien auf den Zeitpunkt des Erbanfalls hin zu berechnen. Die vom Beklagten angestrebte Aufwertung des Verkaufserlöses für die von ihm veräußerten Liegenschaften komme daher nicht in Betracht. Er habe Liegenschaften erhalten und nicht Bargeld, weshalb auf den Wert der Liegenschaften - berechnet zum Zeitpunkt des Erbanfalls - abzustellen sei. Der reine Nachlass sei hier nicht den Schenkungen hinzuzurechnen, weil die Streitteile und deren Schwester je zu einem Drittel gesetzliche Erben seien, sodass nur auf die ihnen zugekommenen Schenkungen Bedacht zu nehmen sei. Beim Kläger sei nur ein Betrag von EUR 8.114,21 zu berücksichtigen, weil die zweite Hälfte seines Grundstücks seiner Ehefrau geschenkt worden sei. Beim Beklagten sei von dem vom Kläger behaupteten Wert von EUR 109.009,25 auszugehen. Unter Berücksichtigung der Schenkungen an die Schwester ergebe sich daher ein Gesamtwert von EUR 395.265,75. Der Schenkungspflichtteil des Klägers betrage EUR 65.877,63, wovon die ihm zugekommene Schenkung von EUR 8.114,21 abzuziehen sei. Entsprechend dem prozentuellen Verhältnis der Schenkungen an den Beklagten und an die Schwester habe daher der Kläger 29 % von EUR 57.763,42 - dies entspreche dem Klagebetrag - zu zahlen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Nach Lehre und Rechtsprechung seien - entgegen dem Wortlaut des § 794 ABGB - auch Liegenschaften zum Zeitpunkt des Erbanfalls zu bewerten. Es sei nicht zu fragen, um welchen Wert das Vermögen des Erblassers durch die Schenkung seinerzeit vermindert worden sei, sondern danach, welchen Wert die Verlassenschaft besäße, wäre die pflichtteilswidrige Verfügung unterblieben. Maßgeblich für die Bewertung zum Zeitpunkt des Erbanfalls seien aber der Zustand der Sache beim Empfang und alle damals bereits veranschlagbaren, wenn auch erst beim Erbanfall aktuell werdenden Umstände. Wertsteigerungen, die auf die Tätigkeit des Vorempfängers zurückzuführen seien, seien außer Acht zu lassen.

Dass - wie der Beklagte geltend mache - die verkauften Liegenschaft im Schenkungszeitpunkt nur als Aufschließungs-Wohngebiet und noch nicht als Bauland gewidmet gewesen seien, ändere daher nichts daran, dass der Wert der Liegenschaften zum Zeitpunkt des Erbanfalls zu berücksichtigen sei, weil es sich bei einer späteren Baulandwidmung nicht um eine Wertsteigerung handle, die auf die Tätigkeit des Geschenknehmers allein zurückzuführen sei, sondern um eine bereits beim Empfang der Schenkung veranschlagbare Entwicklung.

Allerdings sei zu beachten, dass die bisherige Rechtsprechung immer Fälle betroffen habe, in denen die geschenkte Sache im Zeitpunkt des Erbanfalls noch im Vermögen des Beschenkten gewesen sei. Da dies hier nicht mehr der Fall sei, hafte der Beschenkte gemäß § 952 ABGB nur im Umfang der noch vorhandenen Bereicherung oder - auch ohne noch bereichert zu sein - wenn die Besitzaufgabe durch ihn unredlich gewesen sei. Unredlich sei der Geschenknehmer dann, wenn er das Geschenk in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis eines Anrechnungsrechts an einen Dritten weitergegeben habe. Hier habe der Kläger den ihm obliegenden Beweis der Unredlichkeit des Beklagten aber nicht erbracht. Er habe nicht behauptet, dass der Beklagte die Liegenschaften trotz Kenntnis des Anrechnungsrechtes seines Bruders veräußert habe. Dies könne auch nicht unterstellt werden, weil nach den bereits 1979 und 1980 erfolgten Schenkungen an den Beklagten noch Liegenschaften im Wert von EUR 281.416,97 im Eigentum der Erblasserin verblieben seien. Dass damals bereits vorhersehbar gewesen sei, dass die Schwester den Großteil der Liegenschaften erhalten werde, sei nicht hervorgekommen. Damit hafte der Beklagte aber nur im Umfang der noch vorhandenen Bereicherung. Bereichert sei er in dem Umfang, als er sich durch die Verwendung des Erlöses der geschenkten Liegenschaften eigenes Geld erspart habe.

Berücksichtige man den so ermittelten Betrag, der für die verkauften Liegenschaften anzusetzen sei, und überdies den vom Kläger behaupteten und nicht substantiiert bestrittenen Verkehrswert der noch in seinem Eigentum befindlichen Liegenschaft mit S 15.000,- , errechne sich der Wert aller anrechenbaren Schenkungen mit EUR 303.461,98. Der Schenkungspflichtteil des Klägers von einem Sechstel betrage daher EUR 50.576,99. Nach Abzug der Schenkung zu Gunsten des Klägers von EUR 8.114,21 errechne sich sein Anspruch auf Pflichtteilserhöhung mit EUR 42.462,78. Zu dieser Pflichtteilserhöhung hätte aber der Beklagte, der selbst pflichtteilsberechtigt sei, gemäß § 951 Abs 2 ABGB nur insoweit beizutragen, als er infolge einer Schenkung (bzw der noch vorhandenen Bereicherung) mehr als den ihm selbst bei Einrechnung aller Schenkungen gebührenden Pflichtteil erhalten hätte. Der Pflichtteil des Beklagten betrage EUR 50.576,99. Da er selbst nur EUR 30.159,23 anrechenbar erhalten habe, habe er an den Kläger nichts zu leisten.

Die Revision sei zulässig, weil zur Berechnung der Bereicherung des Beschenkten, der die geschenkte Sache weiterverkauft und aus dem Erlös eine andere Sache erworben habe, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Der Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber zeigt zu Recht auf, dass das Berufungsgericht in unzulässiger Weise die Frage der Berechnung des Schenkungspflichtteils und die in § 952 normierte Beschränkung der Haftung für den auf diese Weise ermittelten Anspruch vermengt hat, weil § 952 ABGB zwar die Haftung des ermittelten Anspruchs beschränkt, aber mit der Berechnung des Anspruchs nichts zu tun hat. Darauf braucht aber nicht näher eingegangen zu werden, weil aus Anlass der zulässigen Rechtsrüge aufzugreifen ist, dass das Klagebegehren aus einem anderen Grund nicht berechtigt ist:

Wenn bei der Bestimmung des Pflichtteils Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785 ABGB), der Nachlass aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zur Deckung des Fehlbetrages verlangen (§ 951 Abs 1 erster Satz ABGB). Ist der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, so haftet er gemäß § 951 Abs 2 ABGB dem anderen nur insoweit, als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Einrechnung der Schenkung gebührenden Pflichtteil erhalten würde. Bei mehreren zeitlich auseinander fallenden Schenkungen haftet unter mehreren Beschenkten nach § 951 Abs 3 ABGB der später Beschenkte vor dem früher Beschenkten. Auf den früher Beschenkten ist nur dann zurückzugreifen, wenn die Ergänzung des Pflichtteils vom später Beschenkten allein nicht erlangt werden kann, gleichgültig, ob der Anspruch gegen ihn dazu nicht ausreicht oder uneinbringlich ist. Nur gleichzeitig Beschenkte haften verhältnismäßig. Dieser Haftungsbeschränkung liegt die Vermutung des Gesetzgebers zu Grunde, dass der Geschenkgeber erst durch die späteren Geschenke gegenüber dem Noterben pflichtwidrig handelte (6 Ob 189/00p; RZ 1961, 66; Bollenberger in KBB § 952 Rz 5; Welser in Rummel, § 951 Rz 2; Binder in Schwimann, §§ 951 952 Rz 18; Stanzl in Klang² IV/1 951).

Hier erfolgten die Schenkungen an den Beklagten in den Jahren 1979 und 1980 und damit lange vor den Schenkungen an die Schwester der Streitteile. Nach § 951 Abs 3 ABGB kann daher der Kläger nicht den früher beschenkten Beklagten in Anspruch nehmen, zumal weder behauptet noch bewiesen wurde, dass die später beschenkte Schwester zur Herausgabe nicht verpflichtet oder nicht imstande sei. Der Kläger legte seinem Begehren hingegen eine verhältnismäßige Haftung des Beklagten und seiner Schwester zu Grunde, die aber - wie gezeigt - nur bei gleichzeitig Beschenkten Platz greift. Damit erweist sich aber das gegen den Beklagten erhobene Begehren schon aus diesem Grunde als nicht berechtigt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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