OGH 7Ob132/05w

OGH7Ob132/05w11.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Dr. Wilhelm H*****, vertreten durch DDr. René Laurer, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Marktgemeinde T*****, vertreten durch Dr. Walter Anzböck und Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, wegen Entschädigung gemäß § 24 NÖROG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 17. Februar 2005, GZ 7 R 3/05d-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Tulln vom 17. November 2004, GZ 1 Nc 18/04d-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer des im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin gelegenen, 1.450 m2 großen Grundstückes EZ 305 GB *****. Er hat das Grundstück, das laut Gutbestandsblatt landwirtschaftlich genutzt ist, mit Kaufvertrag vom 28. 7. 1973 als „Acker" von einem Landwirt um S 116.000,-- erworben. Der Verkäufer sicherte dem Antragsteller zu, dass das Grundstück Bauland sei.

Am 6. 7. 1978 widmete der Gemeinderat der Antragsgegnerin im Zuge der Beschlussfassung über den vereinfachten Flächenwidmungsplan das Grundstück als Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone (im Folgenden BW-A), welcher Vorgang durch die NÖ Landesregierung am 31. 1. 1979 genehmigt wurde.

Der in der Folge im Rahmen eines örtlichen Raumordnungsprogrammes von der Antragsgegnerin 1993 kundgemachte und von der NÖ Landesregierung am 8. 8. 1995 genehmigte Flächenwidmungsplan brachte hinsichtlich der Widmung des genannten Grundstückes keine Änderung.

Bei einer zufolge des Wunsches eines Anrainers auf Umwidmung seines Grundstückes in Bauland am 13. 7. 2000 durchgeführten Besprechung legte der Bürgermeister ua auch dem Antragsteller dar, dass insbesondere aus naturschutzrechtlichen Erwägungen eine Umwidmung der betreffenden Grundstücke in Bauland nicht stattfinden werde können. Ein in diesem Zusammenhang von der Antragsgegnerin gestelltes Anbot eines Grundstückstausches nahm der Antragsteller - im Gegensatz zu zwei anderen Grundstückseigentümern - nicht an.

Am 20. 2. 2002 wurde vom Gemeinderat der Antragsgegnerin eine Abänderung der Flächenwidmung von BW-A in Grünland beschlossen. Der betreffende neue Flächenwidmungsplan wurde am 22. 4. 2002 von der NÖ Landesregierung bestätigt.

Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach § 24 NÖROG von EUR 87.724,-- mit der wesentlichen Begründung, seine am Ortsrand gelegene Liegenschaft sei, als er sie 1973 erworben habe, Bauland gewesen, weil es auf Grund des Fehlens eines Generalregulierungsplanes Einschränkungen der Verbaubarkeit nach der damals geltenden Bauordnung nicht gegeben habe. Insofern sei die Zusicherung des Verkäufers des Grundstücks richtig gewesen. Die Liegenschaft sei auch nach Widmung in BW-A nach dem maßgeblichen vereinfachten Flächenwidmungsplan 1979 weiter bebaubar gewesen. Der Zusatz „Aufschließungszone" im Flächenwidmungsplan habe keine Beschränkung der Bebaubarkeit bedeutet.

Die Antragsgegnerin wendete - soweit in dritter Instanz noch wesentlich - ein, die betreffende Liegenschaft sei zu keiner Zeit als Bauland gewidmet gewesen. Die Bebaubarkeit einer Liegenschaft, die in einer Aufschließungszone liege, sei erst durch Freigabe durch den Gemeinderat möglich. Die Widmung BW-A bedeute, dass es sich um nicht bebaubare Grundstücke im Sinn des § 11 NÖBO 1976 handle. Da auf Grund der Widmung noch kein baureifes Grundstück vorgelegen sei, entfalle die Zuerkennung einer Entschädigung.

Das Erstgericht wies das Antragsbegehren ab. Die am 6. 7. 1978 vorgenommene Widmung des Grundstückes als Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone (BW-A) habe dieses zu einem nicht bebaubaren Grundstück iSd § 11 NÖBO 1996 mit der Konsequenz gemacht, dass jedenfalls kein Rechtsanspruch des Grundeigentümers darauf bestanden habe, dass die Liegenschaft in weiterer Folge als Bauland-Wohngebiet gewidmet hätte werden müssen. Eine Freigabe als Bauland sei folglich gemäß § 16 Abs 4 NÖROG 1976 nach Maßgabe der Bestimmungen der NÖBO ausschließlich im Ermessen des Gemeinderates gelegen. Da also bis zur Umwidmung in Grünland ein bebaubares Grundstück nicht vorgelegen sei, seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Entschädigung nicht gegeben. Darüber hinaus sei keine ersatzfähige Aufwendung iS einer Wertminderung der Grundfläche vorgelegen.

Das vom Antragsteller angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Der Rekurswerber, der seine Rechtsrüge im Wesentlichen darauf stütze, dass als Rechtsgrundlage das NÖROG 1976 vor der Novelle LGBl 8000-10 zugrundezulegen sei, übersehe, dass gemäß Art II der NÖROG-Novelle 1995, LGBl 8000-10 idF gem der Kundmachung über die Berichtigung von Druckfehlern dieser Novelle, LGBl 8000-11, Art I Z 35 (anstatt ursprünglich fälschlich: 36) für Änderungen der Widmungs- und Nutzungsart nach Inkrafttreten des Art I gelte. Gemäß Art III sei Art I am 1. 1. 1996 in Kraft getreten. In Art I Z 35 sei der (hier) maßgebende § 24 NÖROG geändert worden. Da im vorliegenden Fall die Umwidmung nach dem 1. 1. 1996, nämlich am 20. 2. 2002 erfolgt sei, seien die Ersatzansprüche des Antragstellers nicht nach dem NÖROG vor der Novelle 1995 zu beurteilen, sondern sei vielmehr die Fassung LGBl 8000-13 anzuwenden.

Gemäß § 30 Abs 5 NÖROG 1976, LGBl 8000-13, seien die Bestimmungen dieses Gesetzes für die in den örtlichen Raumordnungsprogrammen und vereinfachten Flächenwidmungsplänen nach Abs 3 leg cit ausgewiesenen Widmungsarten anzuwenden. Widmungsarten, die nach ihrer Bezeichnung nicht mit den Bestimmungen dieses Gesetzes übereinstimmten, würden nicht als ausgewiesen gelten. Der Regelungsinhalt (die einzelnen Ausdrücke, wie Wohngebiet, Grünland usw) von Flächenwidmungsplänen richte sich nach den Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächenwidmungsplanes, es sei denn, Übergangsbestimmungen sähen eine andere Regelung vor. Mit der genannten Übergangsbestimmung des § 30 Abs 5 leg cit sei jedoch auch bei älteren Flächenwidmungsplänen für den Inhalt der einzelnen Festlegungen (etwa Wohngebiet) die neue gesetzliche Regelung maßgeblich. Demgemäß seien unter Aufschließungszonen gemäß §§ 16 Abs 4 NÖROG 1976, 75 NÖBO (idF LGBl 8200-6), festgelegte Bereiche des Baulandes im örtlichen Raumordnungsprogramm zur Sicherung einer geordneten Siedlungsentwicklung zu verstehen, die zur Bebaubarkeit einer Freigabe durch den Gemeinderat bedürften. Grundsätzlich sei einem Bauvorhaben mit der Widmung „Bauland-Aufschließungszone" die Baubewilligung zu versagen. Es komme daher hier nicht darauf an, ob mit der ursprünglichen Widmung des betreffenden Grundstücks im vereinfachten Flächenwidmungsplan als „Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone" bereits die Bebaubarkeit ausgeschlossen worden sei, sondern ob zum Zeitpunkt der Umwidmung in Grünland im Jahr 2002 die Bebaubarkeit gegeben gewesen und durch die Umwidmung ausgeschlossen oder weitgehend verringert worden sei. Gemäß § 24 Abs 1 NÖROG 1976 (idgF) sei die Gemeinde erst dann verpflichtet, dem Grundeigentümer eine angemessene Entschädigung für jene vermögensrechtlichen Nachteile zu leisten, die durch Änderungen von Baulandwidmungsarten in andere Widmungsarten ua unter der Bedingung entstanden seien, dass durch die Umwidmung die Bebaubarkeit ausgeschlossen oder weitgehend verringert worden sei (lit a). Einem als „Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone" gewidmeten Grundstück könne diese grundsätzliche Bebaubarkeit nicht zugestanden werden, sondern sei ein solches vielmehr als von vornherein unbebaubar zu betrachten, da es erst eines konstitutiven Aktes des Gemeinderates zur Freigabe bedürfe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da vom Obersten Gerichtshof zur Frage der Entschädigungsfähigkeit im Falle der Rückwidmung eines als „Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone" gewidmeten Grundstückes in Grünland nach dem NÖROG keine Rechtsausführungen vorlägen.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers, der unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache sowie Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens geltend macht und beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass ihm der begehrte Entschädigungsbetrag zugesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel des Antragstellers als unbegründet abzuweisen und ihr die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zuzusprechen. Sie hat aber im Revisionsrekursverfahren - anders als der Antragsteller - keine Kosten verzeichnet, weshalb eine Entscheidung über ihr offenbar irrtümlich gestelltes Kostenbegehren jedenfalls entfallen kann.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels oberstgerichtlicher Judikatur zur über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Frage einer Entschädigungspflicht nach § 24 NÖROG bei Umwidmung eines als Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone gewidmeten Grundstückes in Grünland zwar zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Vollständigkeit halber (eine wesentliche Konsequenz für die gegenständliche Entscheidung ergibt sich daraus nicht) ist vorauszuschicken, dass im vorliegenden Fall noch die Vorschriften über den Revisionsrekurs vor der Außerstreitreform anzuwenden sind.

Da der erkennende Senat die Rechtsmittelausführungen des Antragstellers für nicht stichhältig, die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses hingegen für zutreffend erachtet, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen und sie - bezugnehmend auf die Ausführungen des Revisionsrekurses - lediglich wie folgt kurz zu ergänzen:

Das Rekursgericht hat auf Seite 6, erster Absatz seines Beschlusses in Behandlung einer Feststellungsrüge des Antragstellers ausgeführt, aus dem vereinfachten Flächenwidmungsplan aus dem Jahr 1978 sei ersichtlich, dass das Grundstück „des Antragsgegners" mit BW-A gewidmet wurde. Dass damit nur das gegenständliche Grundstück des Antragstellers gemeint sein kann, liegt völlig auf der Hand; kein anderes ist im vorliegenden Verfahren in Rede stehend. Soweit der Revisionsrekurswerber aus diesem daher offenkundigen bloßen Schreibfehler rechtliche Konsequenzen, namentlich den Vorwurf, das Rekursgericht habe sich mit seiner betreffenden Feststellungsrüge nicht auseinandergesetzt, abzuleiten versucht, müssen die betreffenden Ausführungen ins Leere gehen.

Den Schwerpunkt seiner Rechtsmittelausführungen legt der Revisionsrekurswerber auf die Frage, ob die maßgebliche Bestimmung des § 24 NÖROG 1976 idF nach oder, wie er meint, noch vor der (6.) Novelle vom 31. 10. 1995 (LGBl 8000-10) anzuwenden ist. Zur Auffassung, es könnte noch die (Stamm-)Fassung vor der Novelle 1995 (und nicht die derzeit geltende Fassung - LGBl 8000-13) maßgeblich sein, kommt der Revisionsrekurswerber nur, weil er sich weigert, die vom Rekursgericht erwähnte Druckfehlerberichtigung vom 20. 2. 1996 (LGBl 8000-11) zu beachten, mit der (ua) die irrige Bezeichnung in Art II der Novelle 1995 „Z 36" in „Z 35" (das ist die § 24 betreffende Z) berichtigt wurde. Dafür, dass die betreffende Kundmachung über die Berichtigung von Druckfehlern in der Verlautbarung der NÖROG-Novelle 1995 entgegen dieser ausdrücklichen Bezeichnung nicht eine Druckfehlerberichtigung, sondern in Wahrheit eine - verfassungswidrige - „gesetzesändernde Verordnung" dargestellt habe, vermag der Revisionsrekurswerber keinen Anhaltspunkt zu nennen. Im Übrigen ist diese vom Antragsteller im Revisionsrekurs erstmals erhobene Behauptung zufolge des auch im Außerstreitverfahren zu beachtenden Neuerungsverbotes ohnehin unbeachtlich. Zu der in diesem Zusammenhang vom Revisionsrekurswerber angeregten Anrufung des Verfassungsgerichtshofes sieht der erkennende Senat keinerlei Veranlassung.

Richtig ist das Rekursgericht daher davon ausgegangen, dass unter Berücksichtigung der Druckfehlerberichtigung LGBl 8000-11 § 24 ROG nicht idF vor der Novelle 1995, sondern in der geltenden Fassung (LGBl 8000-13) anzuwenden ist. Danach ist die Gemeinde verpflichtet, dem Grundeigentümer eine angemessene Entschädigung für jene vermögensrechtlichen Nachteile zu leisten, die durch Änderungen von Baulandwidmungsarten in andere Widmungsarten ua unter folgenden Bedingungen entstanden sind:

a) Durch die Umwidmung muss die Bebaubarkeit ausgeschlossen oder weitgehend verringert worden sein.

b) Alle Voraussetzungen, welche die NÖ-Bauordnung an die Bebaubarkeit der betreffenden Grundfläche stellt, müssen - mit Ausnahme einer allenfalls noch erforderlichen Bauplatzerklärung gemäß § 11 Abs 2 der NÖ-Bauordnung 1996 sowie einer Bausperre nach § 23 Abs 1 leg cit - bereits erfüllt gewesen sein. ...

Dass bei einer Widmung Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone, die zur Bebaubarkeit einen Beschluss des Gemeinderats voraussetzt, die in § 24 NÖROG idgF genannten Voraussetzungen erfüllt seien, wird vom Antragsteller selbst gar nicht behauptet. Schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut sind daher die in der genannten Gesetzesbestimmung aufgestellten Kriterien, die erschöpfend vorliegen müssen (Hauer/Zaussinger, NÖ-Baurecht6 § 24 ROG Anm 6), nicht erfüllt. Die Ansicht der Vorinstanzen, bei Umwidmung eines als Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone gewidmeten Grundstückes in Grünland bestehe kein Entschädigungsanspruch nach § 24 NÖROG, erweist sich daher frei von Rechtsirrtum.

Da wegen der fehlenden Bebaubarkeit des gegenständlichen Grundstücks vor dessen Umwidmung in Grünland eine Entschädigung nach § 24 NÖROG also schon dem Grunde nach nicht in Betracht kommt, ist die Frage, ob die - demnach entbehrlichen - erstgerichtlichen Feststellungen hinsichtlich der Vergleichswerte, wie vom Revisionsrekurswerber moniert, unter Verletzung des Parteiengehörs zustandegekommen seien, nicht entscheidungswesentlich; schon deshalb ist eine in diesem Zusammenhang vom Antragsteller behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht gegeben. Auf alle weiteren Ausführungen des Revisionsrekurses, insbesondere auch betreffend den Begriff der „Aufwendungen" in § 24 NÖROG aF, muss mangels Entscheidungsrelevanz nicht mehr eingegangen werden.

Dem Antragsteller gebührt für sein daher erfolgloses Rechtsmittel kein Kostenersatz (vgl 6 Ob 538/94 ua).

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