OGH 2Ob145/05w

OGH2Ob145/05w7.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Josef O*****, vertreten durch Mag. Martin Kratky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Ingeborg F*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft OEG in St. Veit an der Glan, wegen EUR 9.580,07 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 23. März 2005, GZ 3 R 397/04y-30, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 23. September 2004, GZ 4 C 516/03i-26, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Über Vermittlung eines Studienkollegen des Klägers kam die Beklagte erstmals am 13. 6. 2002 zu einer Besprechung in dessen Kanzlei. Sie wollte vom Kläger in einem angestrebten Scheidungs- und Unterhaltsverfahren gegen ihren Ehegatten rechtsfreundlich vertreten werden. Der Kläger wies sie darauf hin, dass es schwierig sein werde, die Vermögenssituation der Eheleute zu durchleuchten, und dass hiefür jedenfalls aufwendige Recherchen notwendig wären. Über ihre Frage, wie hoch die Kosten seiner Vertretungstätigkeit sein würden, konnte der Kläger keine konkreten Zahlen nennen. Er erklärte ihr, dass er nach den Autonomen Honorarrichtlinien, also nach Einzelleistungen abrechnen würde und auf Grund der ihm geschilderten Situation eine Unzahl von Erhebungen durchzuführen wären, welche nicht vom allfälligen Prozessgegner zu bezahlen wären. Außerdem würden ihr durch Beauftragung eines Wiener Anwaltes in einem allenfalls in Kärnten durchzuführenden Scheidungsverfahren Mehrkosten entstehen. Die Beklagte erklärte sich damit einverstanden und unterfertigte auch die ihr vorgelegte Vertretungs- und Honorarvollmacht. Sie gab dem Kläger zu verstehen, dass für den Fall der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche die Anwaltskosten ohnehin über die ihr zustehenden Ausgleichsansprüche abgedeckt werden könnten und sohin letztlich ihr Ehegatte alles bezahlen würde. Der Kläger sagte der Beklagten auch im Zuge seiner weiteren Vertretungstätigkeit nicht, welche Prozess- und Vertretungskosten auf sie zukommen würden. Nachdem Vergleichsverhandlungen zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hatten, brachte der Kläger für die Beklagte am 29. 10. 2002 beim Erstgericht eine Scheidungs- und Unterhaltsklage, verbunden mit einem Antrag auf Gewährung von Provisorialunterhalt und eines Prozesskostenvorschusses ein. Die Bemessungsgrundlage für diese Klage betrug insgesamt EUR 473.872,04. Die Pauschalgebühr in Höhe von ca EUR 7.400,-- wurde von der Beklagten entrichtet. In der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung wendete ihr Ehegatte Verwirkung der Unterhaltsansprüche wegen Ehebruchs ein. Die Beklagte hatte den Kläger bis dahin von ihrer außerehelichen Beziehung zu einem anderen Mann nicht informiert und bestritt den Ehebruch auch weiterhin. Erst nachdem in der weiteren Tagsatzung vom 9. 1. 2003 entsprechende Lichtbilder vorgelegt worden waren, gestand die Beklagte ihre ehewidrige Beziehung ein. Der Kläger zeigte sich überrascht und riet der Beklagten, unbedingt eine vergleichsweise Regelung mit ihrem Ehegatten zu treffen. Die Beklagte kündigte in der Folge jedoch das Vollmachtsverhältnis auf, worauf der Kläger seine bisher erbrachten Leistungen mit Honorarnote vom 16. 1. 2003 in Rechnung stellte. Ausgehend von der Bemessungsgrundlage für die Klage ergab die Abrechnung nach AHR einen Gesamtbetrag von EUR 48.145,59, welchen der Kläger - unter Verrechnung nach Arbeitsstunden - auf EUR 23.380,07 reduzierte. Weiters zog er den von der Beklagten über Aufforderung im August 2002 geleisteten Kostenvorschuss von EUR 3.000,-- ab, sodass die restliche Honorarforderung EUR 20.380,07 betrug. Darauf leistete die Beklagte im März 2003 eine Teilzahlung von EUR 10.800,- -.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger das restliche Honorar von EUR 9.580,07 sA.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass das Klagebegehren abgewiesen wurde, und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es hielt das erstgerichtliche Verfahren für mangelhaft, weil die einzelnen Positionen der Klagsforderung nicht ausreichend aufgeschlüsselt worden seien und weil die von der Beklagten beantragte Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen für anwaltliches Honorarwesen unterblieben sei, erachtete das Klagebegehren aber schon aus rechtlichen Gründen, nämlich wegen Verletzung der Warnpflicht, als nicht berechtigt. Hiezu führte es im Wesentlichen Folgendes aus:

Einen Rechtsanwalt träfen dem Klienten gegenüber besondere Aufklärungspflichten. Schon mit der Aufnahme eines Kontaktes zu rechtsgeschäftlichen Zwecken würden die Geschäftspartner in ein beiderseitiges Schuldverhältnis treten, das sie zu gegenseitiger Rücksichtnahme bei der Vorbereitung und beim Abschluss des Geschäftes verpflichte. Es bestünden Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten, die den vertraglichen Nebenpflichten entsprächen. Die Pflicht zur Aufklärung darüber, wie die Honorarabrechnung erfolgen werde und mit welchen Kosten der Mandant etwa rechnen müsse, sei jedenfalls dann gegeben, wenn der andere Teil eine unzutreffende Meinung äußere oder überhaupt erkennen lasse, dass er in solchen Fragen unerfahren und unsicher sei. Keine Aufklärungspflicht werde dann anzunehmen sein, wenn der Vertragspartner zu erkennen gebe, dass er mit den Verhältnissen vertraut sei oder eine entsprechende Belehrung überhaupt ablehne.

Nach § 25 Abs 1 dritter und vierter Satz GebAG habe der Sachverständige das Gericht darauf hinzuweisen, wenn zu erwarten sei oder sich bei der Sachverständigentätigkeit herausstelle, dass die tatsächlich entstehende Gebühr des Sachverständigen den Wert des Streitgegenstandes oder erheblich die Höhe eines erlegten Kostenvorschusses übersteigen werde. Unterlasse der Sachverständige diese Warnung, habe er für seine Leistungen insoweit keinen Gebührenanspruch.

Wie der Oberste Gerichtshof zu 10 Ob 509/95 - im Gegensatz zu seiner noch in 8 Ob 688/89 geäußerten Ansicht - dargelegt habe, wäre es unter Bedachtnahme auf die aus diesem Gesetz hervorgehende Wertung des Gesetzgebers durchaus vertretbar, auch einem Rechtsanwalt eine entsprechende Warnpflicht aufzuerlegen. In jenen Fall habe sich die Frage aber deshalb nicht gestellt, weil der dortige Beklagte gegenüber dem Rechtsanwalt eine ihm angebotene Belehrung hinsichtlich der Honorarfrage ausdrücklich abgelehnt gehabt habe.

Hier liege aber der gegenteilige Fall vor: Die Beklagte habe den Kläger zu Beginn seiner Vertretungstätigkeit extra wegen der Höhe des zu erwartenden Honorars gefragt und er habe ihr dazu keine Zahlen nennen können. Der bloße Hinweis auf die besondere Aufwendigkeit der Recherchen und die Mehrkosten durch Betrauung eines auswärtigen Anwaltes könne hier nicht als ausreichende Auskunft gewertet werden. Der Kläger hätte der Beklagten zumindest auch klar machen müssen, wie hoch der Ansatz für eine Einzelleistung bzw für eine Arbeitsstunde bei der herangezogenen Bemessungsgrundlage sein würde. Dass die Beklagte in Fragen des anwaltlichen Honorarrechtes schon versiert gewesen wäre, habe der Kläger selbst nicht behauptet.

Zu beachten sei hier insbesondere auch, dass er von der Beklagten zu Beginn nur einen Kostenvorschuss von EUR 3.000,-- verlangt und bis zu Beendigung seiner Vertretungstätigkeit keinen Hinweis darauf gemacht habe, dass seine Honorarforderung schon ein Vielfaches dieses Betrages ausmachen würde. Auch wenn die Beklagte die Pauschalgebühr für die Scheidungs- und Unterhaltsklage in nicht unbeträchtlicher Höhe bezahlt habe, habe sie deshalb noch nicht darauf schließen müssen, in der Folge mit einer Entgeltforderung konfrontiert zu werden, die das Achtfache des Kostenvorschusses ausmache. Gemäß der getroffenen Vereinbarung wäre der Betrag mit EUR 48.145,59 sogar doppelt so hoch ausgefallen, was offenbar auch dem Kläger übermäßig erschienen sei.

Es wäre also an ihm gelegen gewesen, die Beklagte wenigstens in dem Zeitpunkt, als seine Honorarforderung den erlegten Kostenvorschuss um ein Mehrfaches überstiegen habe, über den aktuellen Kostenstand aufzuklären. Die Beklagte habe mangels Warnung in keinem Fall damit rechnen müssen, dass die Kostenforderung mehr als die von ihr im Ergebnis akzeptierten EUR 13.800,-- betragen würde. Die darüber hinausgehende Honorarforderung bestehe also schon deshalb nicht zu Recht.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Verletzung der anwaltlichen Warnpflicht hinsichtlich der Honorarhöhe - etwa analog § 25 GebAG - auch dann in Frage kommen könne, wenn der Rechtsanwalt den Klienten auf den mit seiner Vertretung voraussichtlich verbundenen hohen Zeitaufwand hingewiesen habe. Es finde sich auch ein gewisser Wertungswiderspruch in 8 Ob 688/89 und 10 Ob 509/95 hinsichtlich der Frage, ob dann, wenn der Honoraranspruch im Zuge der Vertretungstätigkeit einen auferlegten Kostenvorschuss übersteige, eine Warnpflicht des Rechtsanwaltes einsetze. Das Berufungsgericht sei auch in der Frage, ob sich durch die Anwendbarkeit der AHR ein Sachverständigengutachten über die Angemessenheit der Höhe der Honorarforderung erübrige, zum Teil von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Berufung der Beklagten gegen das erstgerichtliche Urteil abgewiesen werde.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Analogiefrage zulässig, sie ist im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, im Hinblick auf die Vereinbarung der Honorarabrechnung nach AHR erübrige sich die Einholung eines eigens erstellten Sachverständigengutachtens; ein Rechtsanwalt sei berechtigt, aber nicht verpflichtet, einen Kostenvorschuss zu verlangen; eine Warnpflicht in Art des § 25 Abs 1 GebAG treffe ihn bei Überschreitung eines allenfalls vom Mandanten bezahlten Kostenvorschusses nicht.

Hiezu wurde erwogen:

In 8 Ob 688/89 wurde ausgesprochen, eine spezielle Pflicht des Rechtsanwaltes, den Mandanten bei sonstigem Verlust seiner Honoraransprüche darauf hinzuweisen, dass durch die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entfaltete Tätigkeit Honoraransprüche in Höhe des geleisteten Kostenvorschusses entstanden sind, bestehe nicht. In 10 Ob 509/95 wurde es für vertretbar gehalten, unter Bedachtnahme auf die aus § 25 Abs 1 GebAG hervorgehende Wertung des Gesetzgebers auch einem Rechtsanwalt eine entsprechende Warnpflicht aufzuerlegen. Bei der Befassung mit dieser Erwägung ist von folgender Gesetzeslage auszugehen:

§ 365 ZPO sieht die Vorfinanzierung des Sachverständigenbeweises durch Erlag eines kostendeckenden Kostenvorschusses des Beweisführers vor. Damit soll die Inanspruchnahme von Amtsgeldern tunlichst vermieden werden. § 3 GEG trägt dem Gericht die nachträgliche Ergänzung eines unzureichenden Kostenvorschusses auf. § 25 Abs 1 GebAG normiert eine Warnpflicht des Sachverständigen, wenn seine Gebühren erheblich die Höhe des erlegten Kostenvorschusses übersteigen werden (vgl Krammer in Fasching III2 § 365 ZPO Rz 1, 2).

Entsprechende Bestimmungen für Rechtsanwälte enthält das Gesetz nicht; es kennt weder den zwingenden Erlag von kostendeckenden Honorarvorschüssen noch eine Warnpflicht des Rechtsanwaltes für den Fall, dass ein doch erlegter Kostenvorschuss nicht mehr kostendeckend ist. Zwar darf vor den Parteien generell - und nicht nur beim Sachverständigenbeweis - nicht verschleiert werden, welche Kosten auf sie zukommen (vgl Krammer aaO Rz 2). Einer realistischen wirtschaftlichen Einschätzung der Prozessführungskosten dient im Falle des Anwaltshonorars (dessen Höhe in der Regel wesentlich schwieriger prognostizierbar ist als Sachverständigengebühren) die auch vom Kläger zugestandene und von ihm nach den Feststellungen des Erstgerichtes im Wesentlichen auch eingehaltene allgemeine Pflicht des Rechtsanwaltes zur Aufklärung über sein Honorar. Hingegen ist bei Erschöpfung eines erlegten Vorschusses in wertender Betrachtung keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes anzunehmen, die durch analoge Anwendung des § 25 Abs 1 GebAG zu schließen wäre. Ein Rechtsanwalt (der einen Vorschuss gar nicht verlangen muss) ist also nicht im Sinne dieser Vorschrift verpflichtet, seinen Mandanten zu warnen, dass seine Honorarforderung einen erlegten Kostenvorschuss erheblich übersteigen wird. Ein Sonderfall, in dem sich aus der allgemeinen Aufklärungspflicht des Rechtsanwaltes anderes ergeben könnte, liegt hier nicht vor. Das Klagebegehren kann also - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht schon wegen Verletzung einer Warnpflicht abgewiesen werden.

Im vorliegenden Fall wurde Honorarverrechnung nach den AHR vereinbart. Abgesehen davon haben die AHR nach der Rechtsprechung zwar keinen normativen Charakter, werden von ihr aber als „kodifiziertes Sachverständigengutachten" über die Angemessenheit des Entgelts für anwaltliche Leistungen, zu denen das RATG keine Regelung enthält, bezeichnet (RIS-Justiz RS0052139, RS0038369). Ob im Einzelfall die (in der Praxis übliche) Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich ist, betrifft den der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehaltenen Tatsachenbereich (vgl 7 Ob 41/04m). Wenn das Berufungsgericht hier also einen Verfahrensmangel erster Instanz angenommen hat, kann dies der Oberste Gerichtshof, der nur Rechtsinstanz ist, nicht überprüfen. Die vom Berufungsgericht bejahte Mangelhaftigkeit führt zur Rückverweisung an das Erstgericht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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