OGH 6Ob133/05k

OGH6Ob133/05k23.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr. Gerhard O. M*****, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Mag. Hermann W*****, vertreten durch Hochsteger, Perz, Wallner & Warga, Rechtsanwälte in Hallein, wegen Unterlassung und Widerrufs ehrverletzender Äußerungen, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. April 2005, GZ 1 R 64/05w-11, womit über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 7. März 2005, GZ 12 Cg 8/05g-8, dem Erstgericht aufgetragen wurde, den Widerspruch der beklagten Partei gegen die einstweilige Verfügung als Rekurs zu behandeln, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt - gestützt auf § 1330 ABGB - die Unterlassung ehrverletzender Äußerungen. Das Erstgericht gab seinem Sicherungsantrag nach Einholung einer schriftlichen Äußerung des Beklagten statt. Dagegen erhob der Beklagte einen Widerspruch, den das Erstgericht mit Beschluss vom 7. 3. 2005 zurückwies. Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Beklagten die Zurückweisung des Widerspruchs und trug mit dem zweiten Teil seiner Entscheidung (lit b der Rekursentscheidung) dem Erstgericht auf, den „Widerspruch des Beklagten ON 7 als Rekurs gegen die einstweilige Verfügung zu behandeln". Es sprach zu diesem Punkt aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und das der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Zur Umdeutung des Widerspruchs in einen Rekurs führte das Rekursgericht im Wesentlichen aus, dass der Widerspruch des Beklagten eine Prozesshandlung darstelle, die erforderlichenfalls der Auslegung bedürfe. Angesichts der Bezeichnung des Schriftsatzes durch den anwaltlich vertretenen Beklagten als „Widerspruch", des Fehlens der Angabe des angerufenen Rekursgerichtes und eines gesonderten Rekursantrages, aber auch wegen des Umstandes, das Rekursgründe auch im Widerspruch geltend gemacht werden können, führe die objektive Auslegung dazu, dass der Beklagte einen Widerspruch erheben habe wollen. Der Widerspruch sei aber, weil der Beklagte im Verfahren erster Instanz vernommen worden sei, unzulässig. Dort wo die Auslegungen der Prozesserklärung versage, könnten unwirksame bzw unzulässige Prozesserklärungen umgedeutet werden, damit der Grundsatz des Vorrangs der Sacherledigung verwirklicht werde. Gemäß § 84 Abs 2 ZPO schade die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs nicht, wenn nur das Begehren deutlich erkennbar sei. Infolge des vorliegenden Eventualantrags samt Begründung sei der Schriftsatz in einen Rekurs umzudeuten. Der „Widerspruch" enthalte als Rechtsrüge anzusehende Ausführungen. Das Fehlen eines Rekursantrages sei unerheblich. Vor Vorlage des Aktes zur Rekursentscheidung müsse das Erstgericht noch ein ergänzendes Verbesserungsverfahren durchführen. Das Rekursverfahren sei zweiseitig. Die Gleichschrift des Schriftsatzes ON 7 „gemäß § 112 ZPO direkt" an den Klagevertreter reiche für das Auslösen der Notfrist für die allfällige Rekursbeantwortung nicht aus. Hinsichtlich des einfach eingebrachten Rechtsmittels habe das Erstgericht ein Verbesserungsverfahren zur Vorlage einer Gleichschrift einzuleiten und dann diese Gleichschrift an den Klagevertreter zuzustellen. Das Rekursgericht habe keine oberstgerichtliche Entscheidung zur Umdeutung eines Widerspruchs in einen Rekurs auffinden können. In der deutschen Judikatur werde dazu eine zurückhaltende Haltung eingenommen. Es liege eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO vor.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Rekurs des Beklagten zur Gänze nicht Folge gegeben werde, erkennbar also, dass der Auftrag an das Erstgericht ersatzlos behoben werde.

Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Beklagte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist ebenso unzulässig wie die Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 84 Abs 2 zweiter Satz ZPO ist die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels, eines Rechtsbehelfs oder von Gründen unerheblich, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist. Eine Umdeutung eines Schriftsatzes in das vom Einschreiter erkennbar Gewollte ist also zulässig. Zu prüfen ist, ob es sich beim bekämpften Auftrag an das Erstgericht um eine der Rechtskraft fähige, das Gericht bindende und selbständig anfechtbare Entscheidung oder aber um einen unanfechtbaren prozessleitenden Beschluss oder einen abgesondert nicht anfechtbaren Verbesserungsauftrag iSd § 84 Abs 1 ZPO handelt. Die Verfügung des Rekursgerichts geht zwar über einen nicht bindenden, bloß prozessleitenden Beschluss iSd § 425 Abs 2 ZPO hinaus. Darunter werden nur die absolut unanfechtbaren, nicht rechtsgestaltenden Mitteilungen und Ladungen eines Gerichts oder etwa auch der Beweisbeschluss verstanden. Der Auftrag an das Erstgericht, den Widerspruch als Rekurs zu behandeln, ist im Zusammenhalt mit den in der Begründung der Rekursentscheidung angeführten konkreten Verbesserungsschritten (Beischaffung einer Gleichschrift des „Rekurses", Zustellung der Gleichschrift zur Auslösung der Frist für die Erstattung einer Rekursbeantwortung) als Verbesserungsauftrag iSd § 84 ZPO zu werten, der nicht abgesondert anfechtbar ist (§ 84 Abs 1 zweiter Satz ZPO). Mit dem angefochtenen Beschluss wurde nicht rechtsgestaltend ausgesprochen, dass es sich beim Schriftsatz des Beklagten (auch) um einen Rekurs handelt, sodass dagegen zur Vermeidung des Eintritts der Rechtskraft ein Revisionsrekurs erhoben werden müsste. Die Verfügung des Rekursgerichts ist vielmehr nur in dem Sinne zu verstehen, dass das Erstgericht die aufgetragene Verbesserung hinsichtlich des möglicher Weise auch einen Rekurs darstellenden Widerspruchs vorzunehmen hat. Eine abschließende Entscheidung darüber, das der Schriftsatz tatsächlich als Rekurs zu qualifizieren ist, liegt noch nicht vor. Wenn das Rekursgericht die Verbesserung selbst veranlasst hätte läge zweifelsfrei keine anfechtbare Verfügung vor. Diesem Fall ist der vorliegende gleichzuhalten, wenn das Rekursgericht die angestrebte Verbesserung durch das Erstgericht vornehmen lässt. Bei Vorliegen eines absoluten Rechtsmittelausschlusses ist die in zweiter Instanz ausgesprochene Zulassung des Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof wirkungslos (1 Ob 114/04b). Der Revisionsrekurs des Klägers ist als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen. Das selbe rechtliche Schicksal ist der Rechtsmittelbeantwortung beschieden, weil dem Verfahrensgesetz die Beantwortung eines jedenfalls unzulässigen Rechtsmittels fremd ist (SZ 70/246; 6 Ob 24/05f).

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