OGH 4Ob69/05h

OGH4Ob69/05h24.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Ltd., *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*****GmbH, *****, vertreten durch Mag. René Schneider, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der Klägerin und der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Jänner 2005, GZ 4 R 162/04d-11, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Mai 2004, GZ 34 Cg 9/04m-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

a. Sind Art 7 der MarkenRL und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen, dass der Nachweis, wonach die Geltendmachung der Marke zu einer künstlichen Marktabschottung beitragen würde, nicht nur für das Umverpacken an sich, sondern auch für die Gestaltung der neuen Verpackung erbracht werden muss?

Für den Fall der Verneinung dieser Frage:

b. Ist die Gestaltung der neuen Verpackung am Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs zu messen oder (nur) daran, ob sie geeignet ist, den Ruf der Marke und ihres Inhabers zu schädigen?

2.

Sind Art 7 der MarkenRL und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen, dass der Parallelimporteur seiner Mitteilungspflicht nur genügt, wenn er dem Markeninhaber auch den Exportstaat und die näheren Gründe für das Umverpacken mitteilt?

II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung

I. Sachverhalt

Die Klägerin ist Inhaberin (ua) der österreichischen Wortmarken Nr 87216 ZOVIRAX mit Priorität vom 18. 8. 1977 und Nr 95475 ZOVIRAX mit Priorität vom 25. 6. 1980 sowie der österreichischen Wortbildmarke Nr 102029 ZOVIRAX mit Priorität vom 9. 11. 1982. Sämtliche Marken sind für die Klasse 5 (pharmazeutische Präparate) geschützt. Die Marken werden in Österreich mit Zustimmung der Klägerin durch die G***** GmbH für Arzneimittel laufend benützt.

Die Beklagte ist Arzneimittelgroßhändlerin. Sie vertreibt in Österreich - soweit für das Vorabentscheidungsersuchen von Bedeutung - parallel importierte Arzneispezialitäten der Marke ZOVIRAX in Packungen zu 60 Stück à 400 mg/Filmtabletten (ZOVIRAX 400/60), die die Klägerin oder Dritte mit Zustimmung der Klägerin in Staaten des EWR in Verkehr gebracht haben und die die Muttergesellschaft der Beklagten im regulären Arzneimittelhandel erworben hat. Die Beklagte vertreibt diese Arzneimittel in einer neuen Verpackung, deren Erscheinungsbild gegenüber dem Originalprodukt völlig verändert ist. Auf der Vorderseite befindet sich fettgedruckt und in Blockschrift der Hinweis "Umverpackt und importiert durch P*****"; auf den Hersteller wird seitlich und an der Rückseite in normaler Druckschrift hingewiesen. Die neue Verpackung ist an den Rändern mit einem blauen Streifen versehen, wie ihn die Beklagte für die von ihr vertriebenen Arzneimittel regelmäßig verwendet:

Mit Schreiben vom 12. 5. 2003 informierte die Beklagte eine österreichische Schwestergesellschaft der Klägerin vom beabsichtigten Vertrieb von ZOVIRAX 400/60 in Österreich. Sie legte diesem Schreiben Farbkopien der äußeren Verpackung, der Blister und der Gebrauchsinformation bei. Daraufhin ersuchte eine englische Schwestergesellschaft der Klägerin die Beklagte, in Zukunft Mitteilungen an die G*****Intellectual Property zu senden, und zwar unter Anschluss eines vollständigen Musters jeder Verpackungsart sowie unter Bekanntgabe des Exportstaats und der genauen Gründe für das Umverpacken. Die Beklagte gab die Gründe für das Umverpacken (andere Packungsgröße), nicht aber das Exportland bekannt. Sie wurde erneut aufgefordert, das Exportland und die genaueren Gründe für das Umverpacken mitzuteilen. Gleichzeitig wurde erklärt, es bestehe kein Grund, die Angaben über den Parallelimporteur so auffallend und in größerer, deutlicherer Schrift als den Namen des Herstellers anzubringen. Gegen die unterscheidungskräftige Ausstattung durch zwei farbige Streifen an den Packungsrändern werde Einspruch erhoben. Ferner wurden vollständige Verpackungsmuster angefordert. Am 4. 6. 2003 teilte die Beklagte mit, es sei aus produktionstechnischen Gründen nicht möglich, ein vollständiges Muster der fertigen Verpackung zu übermitteln, insbesondere wenn G***** nicht bereit sei, die Kosten zu tragen.

Die Beklagte importiert ZOVIRAX 400/60 aus Griechenland. Dort wird ZOVIRAX zu je 70 Tabletten in Verkehr gebracht; in Österreich beträgt die zulässige Packungsgröße 60 Tabletten.

II. Anträge und Vorbringen der Parteien

Die Klägerin beantragt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs - soweit im Vorabentscheidungsverfahren von Bedeutung -, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Österreich umverpackte Arzneimittel - insbesondere das Arzneimittel ZOVIRAX - mit auf der Umverpackung neu angebrachten oder beibehaltenen Marken, die in Österreich für die Klägerin geschützt sind, anzubieten und/oder zu vertreiben,

a) wenn sich der Hinweis, von wem die Ware umverpackt wurde, auf der Umverpackung in größerer und deutlicherer Schrift und/oder an prominenterer Stelle findet als der Hinweis auf den Hersteller,

b) wenn sich auf den Packungsrändern der Umverpackung farbige - insbesondere blaue - Streifen in der Breite von etwa 5 mm befinden, wie sie für Produkte der Beklagten wiederholt verwendet werden,

c) wenn sie die Klägerin vor Inverkehrbringen der umverpackten Ware nicht ordnungsgemäß über den bevorstehenden Vertrieb, insbesondere auch unter Angabe des Exportstaates und der näheren Gründe für die Erforderlichkeit des Umpackens unterrichtet hat.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

III. Bisheriges Verfahren

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag zu Punkt b und teilweise zu Punkt c statt und wies das Mehrbegehren ab. Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag zu Punkt a und c statt und wies das Mehrbegehren ab. Diesen Beschluss bekämpfen beide Parteien mit Revisionsrekurs, über den der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat.

Rechtliche Beurteilung

IV. Österreichische Rechtslage

Nach § 10b Abs 1 Markenschutzgesetz gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Abs 1 findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist (§ 10b Abs 2 Markenschutzgesetz). § 10b Markenschutzgesetz setzt Art 7 der MarkenRL um.

V. Gemeinschaftsrecht

Art 7 der MarkenRL 89/104 EWG ist mit dem diese Bestimmung umsetzenden § 10b Markenschutzgesetz inhaltsgleich. Durch das Umverpacken parallel importierter Arzneimittel wird deren Zustand regelmäßig im Sinne des Art 7 Abs 2 MarkenRL (= § 10b Abs 2 Markenschutzgesetz) verändert.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (C-427/93 , C-429/93 , C-436/93 , Bristol-Myers-Squibb; C-71/94 , C-72/94 , C-73/94 - Eurim-Pharm; C-232/94 , MPA Pharma ua) müssen fünf Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Umverpacken zulässig ist und die Erschöpfung des Markenrechts nicht hindert. Im vorliegenden Fall sind vier der fünf Voraussetzungen von Bedeutung: „Es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Marktabschottung beitragen würde"; „Auf der neuen Verpackung ist klar angegeben, von wem das Arzneimittel umverpackt worden ist und wer der Hersteller ist"; „Das umgepackte Arzneimittel ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann"; „Der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vorab vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels und liefert auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware". Ganz allgemein gilt für die Erschöpfung des Markenrechts der Grundsatz, dass bei der Verwendung von Mitteln, die den Parallelhandel ermöglichen, der spezifische Gegenstand des Markenrechts möglichst wenig beeinträchtigt werden muss (Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs; C-349/95 - Loendersloot/Ballantine).

VI. Vorlagefragen

1. Gestaltung der neuen Verpackung

Die Klägerin beanstandet, dass der Hinweis auf den Umverpacker und Parallelimporteur auffälliger und an „prominenterer" Stelle auf der neuen Verpackung aufgedruckt sei als der Name des Herstellers; sie beanstandet weiters, dass der Parallelimporteur die von ihm vertriebenen Arzneimittel durch das Anbringen der blauen Streifen an den Packungsrändern einheitlich gestalte. Die Zulässigkeit einer neuen Verpackung an sich zieht die Klägerin nicht in Zweifel.

Für die Beurteilung der neuen Verpackung ist maßgebend, ob der Nachweis, dass das Umverpacken der Ware erforderlich ist, um den tatsächlichen Marktzugang nicht zu beeinträchtigen, nur für das Umverpacken der Ware an sich erbracht werden muss. Wird diese Frage bejaht, so stellt sich die weitere Frage, woran die Gestaltung der neuen Verpackung zu messen ist. Zwei Möglichkeiten stehen dafür offen: Es kann der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs angewandt werden oder es kann die Gestaltung der neuen Verpackung (nur) daran gemessen werden, ob sie geeignet ist, den Ruf der Marke oder ihres Inhabers zu schädigen.

Der EuGH hat sich mit diesen Fragen noch nicht befasst. Sie sind (ua) Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens, das zu C-348/04 (Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal, England & Wales, Civil Division, vom 17. Juni 2004, im Rechtsstreit Boehringer Ingelheim KG ua gegen Swingward Ltd ua) anhängig ist.

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann der Nachweis einer künstlichen Marktabschottung nur verlangt werden, soweit es darum geht, ob und in welcher Weise (ob durch eine neue Verpackung, durch Aufkleben von Etiketten etc) umverpackt werden darf. Mit diesem Nachweis ist auch sichergestellt, dass der spezifische Gegenstand des Markenrechts nur soweit beeinträchtigt wird, wie erforderlich ist, um den Marktzugang sicherzustellen. Eine - aufgrund dieses Nachweises zulässige - neue Verpackung ist nur mehr daran zu messen, ob der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann. Dabei sind zwei der fünf Voraussetzungen zu beachten: Umverpacker und Hersteller müssen auf der neuen Verpackung deutlich angegeben werden; das umverpackte Arzneimittel darf nicht so aufgemacht werden, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann. Die notwendigen Angaben über Umverpacker, Parallelimporteur und Hersteller müssen daher einerseits so deutlich aufgedruckt sein, dass sie der normalsichtige Verbraucher bei Anwendung eines normalen Maßes an Aufmerksamkeit verstehen kann, andererseits dürfen sie aber nicht so aufgedruckt sein, dass der Ruf der Marke oder ihres Inhabers geschädigt werden kann. Dabei können Größe und Platzierung der Angaben wohl nur in Ausnahmefällen die Gefahr einer Rufschädigung begründen. Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht als Tatfrage zu beurteilen.

2. Umfang der Mitteilungspflicht des Parallelimporteurs

Zu den vom Importeur zu beachtenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Parallelimports gehört - wie oben dargelegt - die Verpflichtung, den Markeninhaber vorab vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels unterrichten und ihm auf Verlangen ein Muster zu liefern. Strittig ist der Umfang der Mitteilungspflicht. Die Klägerin meint, der Parallelimporteur habe dem Markeninhaber vorab auch den Exportstaat und die näheren Gründe für das Umverpacken mitzuteilen.

Der EuGH hat sich mit dieser Frage noch nicht befasst.

Für die Auffassung der Klägerin spricht, dass die Mitteilung den Markeninhaber in die Lage versetzen soll, die Zulässigkeit des Umverpackens zu prüfen. Dazu muss er wissen, in welchem Staat und in welcher Größe/Aufmachung der Importeur das Arzneimittel eingekauft hat. Die Mitteilung dieser Umstände belastet den Importeur an sich nicht, da sie ihm jedenfalls bekannt sind. Auch die Gefahr, dass der Markeninhaber auf diese Weise die Bezugsquellen des Importeurs erfahren und in der Folge den Bezug unterbinden könnte, ist gering einzuschätzen, da nur die Angabe des Exportstaats und nicht die des Vertragspartners gefordert wird. Fraglich erscheint allerdings, ob der Markeninhaber die notwendigen Informationen nicht ohnehin aus den Chargennummern gewinnen kann. Trifft dies zu, so spricht dies allerdings gegen die Standpunkte beider Seiten. Der Markeninhaber benötigt die Angaben in Wahrheit nicht; dem Importeur kann die Bekanntgabe von Exportstaat, Packungsgröße und -aufmachung keineswegs schaden.

VII. Verfahrensrechtliches

Nach österreichischem Verfahrensrecht kann ein Sicherungsverfahren nicht unterbrochen werden, um die Entscheidung in einem anhängigen Vorabentscheidungsverfahren abzuwarten (4 Ob 2391/96p = SZ 70/1). Es ist daher notwendig, die Frage zur Gestaltung der neuen Verpackung zur Vorabentscheidung vorzulegen, obwohl dazu ohnehin ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig ist.

Der Ausspruch über die Aussetzung beruht auf § 90a Abs 1 GOG.

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