OGH 15Os20/05p

OGH15Os20/05p21.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Nusret S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Avdija M***** und Abdulah N***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend diese Angeklagten, gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. September 2004, GZ 032 Hv 140/03w-197, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten Nusret S***** enthaltenden Urteil wurden Avdija M***** und Abdulah N***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB (A), Avdija M***** darüber hinaus des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden als Beteiligter nach §§ 12, 223 Abs 2 und 224 StGB (C) schuldig erkannt. Danach haben sie - soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - in der Zeit von Juni bis September 2001 „als faktische Machthaber der V***** GmbH im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter einen Bestandteil des Vermögens der genannten Gesellschaft, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, nämlich Geldbeträge, die aufgrund erbrachter Leistungen von dieser vereinnahmt worden waren, dadurch, dass Nusret S***** die Beträge sofort nach ihrem Eingang von den Konten der Gesellschaft bar behob und an die beiden Mittäter überbrachte, beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der V***** GmbH, nämlich unter anderem die BUAK und die WGKK sowie die Finanzbehörden (siehe vollständige Gläubigerliste S 263 - 269/V) vereitelt; wobei der Schaden zumindest 248.222,59 Euro betrug."

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene, gemeinsam ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Undeutlichkeit der Anführung der Gläubiger behauptenden Mängelrüge (Z 5) lässt sich aus dem Gesamtkontext von Spruch und Entscheidungsgründen hinreichend deutlich entnehmen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419), dass das Erstgericht alle in der Gläubigerliste (S 263 bis 269/V) angeführten natürlichen und juristischen Personen als Geschädigte angesehen hat. Dazu kommt, dass die namentliche Bezeichnung sämtlicher Gläubiger vorliegendenfalls keine für den Ausspruch über die Schuld der Beschwerdeführer oder auf diese anzuwendenden Strafsatz entscheidende Tatsache betrifft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399), ergibt sich doch aus den Entscheidungsgründen, dass schon die im Urteil genannten Gläubiger (Wiener Gebietskrankenkasse, Bauarbeiterurlaubskasse und Finanzamt), denen die Firma V***** Abgaben und Beiträge in der Höhe von insgesamt mehr als 6 Mio S schuldete, durch die inkriminierte Vermögensverringerung einen Befriedigungsausfall von 3,415.617.10 S (= 248.222,58 Euro) erlitten haben (US 11 f). Damit sind aber alle zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen getroffen, weshalb eine namentliche Anführung auch aller übrigen betroffenen Gläubiger nicht erforderlich ist.

Weshalb die „gesetzlichen Verpflichtungen" (gemeint die an die Wiener Gebietskrankenkasse und die Bauarbeiterurlaubskasse zu leistenden Beiträge sowie die an die Finanzämter abzuführenden Steuern) bei der Schadensberechnung keine Berücksichtigung finden dürfen, wird in der Beschwerde nicht näher dargetan, sodass dieser Einwand einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich ist.

Die Feststellungen zur Schadenshöhe hat das Erstgericht im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen mit dem Hinweis auf das für schlüssig und nachvollziehbar erachtete Gutachten des Sachverständigen Mag. Edgar Z***** (ON 133/V) begründet, wobei der Sachverständige die Möglichkeit von „Schwarzeinnahmen" und „Schwarzzahlungen" bei seiner Beurteilung ohnehin berücksichtigt (S 307, 309/V) und dabei zu Gunsten der Angeklagten derartige „Schwarzbeschäftigungen" nicht angenommen hat, weil er davon ausging, dass „schwarz" angestellte und bezahlte Arbeitnehmer zusätzliche Arbeitsleistungen erbringen und daher auch zu höheren Einnahmen führen würden, die wieder höhere Außenstände bei den öffentlichen Kassen zur Folge hätten. Insoweit die Beschwerdeführer die Berücksichtigung von Schwarzzahlungen bei der Schadensberechnung fordern, ist die Mängelrüge im Ergebnis nicht zu deren Vorteil ausgeführt.

Eine Unvollständigkeit erblickt die Beschwerde in der fehlenden Erörterung des Umstandes, dass illegale Betriebe höhere als die marktüblichen Stundenlöhne bezahlen müssten, unterlässt es aber darzutun, welche Verfahrensergebnisse, die Anhaltspunkte für eine entsprechende Vorgangsweise in diesem Fall bieten würden, vom Erstgericht mit Stillschweigen übergangen wurden.

Die Frage, ob auch Abdulah N***** leitender Angestellter iSd § 161 Abs 1 StGB war, betrifft ebenfalls keinen entscheidenden Umstand, weil die diesem Angeklagten angelasteten Tathandlungen jedenfalls zumindest als Beitragshandlungen iSd § 12 dritter Fall StGB zur betrügerischen Krida der beiden anderen Angeklagten darstellen, die Täterschaftsformen des § 12 StGB aber rechtlich gleichwertig sind (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 646; Mayerhofer/Hollaender, StPO5 § 281 Z 10 E 55, 56). Der diesbezügliche Vorwurf unzureichender Begründung erweist sich daher als nicht zielführend.

Der Beschwerde zuwider bieten weder die Aussage des Angeklagten Nusret S***** (vgl S 63/VII) noch das Gutachten des Sachverständigen Mag. Z***** (vgl S 231 ff/V) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Scheinrechnungen der Firma I***** GmbH, sodass der darauf gestützte Beschwerdeeinwand auf sich beruhen kann.

Der Einwand, eine Rücküberweisung in der Höhe von 451.689,43 S sei bei der Schadensberechnung unberücksichtigt geblieben, ist zwar zum Teil, nämlich bezüglich eines Betrages von 214.200 S berechtigt (vgl S 161 iVm S 301/V), betrifft jedoch keine entscheidende Tatsache, weil die Wertqualifikation des § 156 Abs 2 StGB hiedurch nicht berührt wird.

Soweit die Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf einzelne, aus dem Zusammenhang gelöste Passagen des in der Hauptverhandlung vom 28. April 2004 mündlich erstatteten Gutachten des Sachverständigen Mag. Z***** eigenständige - nicht nachvollziehbare - Schlussfolgerungen ziehen und zu dem Ergebnis kommen, dass die der Wiener Gebietskrankenkasse, der Bauarbeiterurlaubskasse und den Finanzämtern vorenthaltenen Beiträge und Steuern bei der Schadensberechnung nicht berücksichtigt werden dürfen, und auf dieser Grundlage sowie unter Berücksichtigung einer in der behaupteten Höhe gar nicht erfolgten Rücküberweisung und einer nach dem Akteninhalt in keiner Weise indizierten Scheinrechnung der Firma I***** eigene Berechnungen anstellen, denenzufolge gar kein den Gläubigern zur Befriedigung zur Verfügung stehender Gewinn erwirtschaftet wurde, wenden sie sich unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne jedoch damit einen formellen Begründungsmangel aufzuzeigen. Die Rechtsmittelwerber übersehen bei ihrer Argumentation insbesondere, dass sie vorliegendenfalls ihre Gewinne eben gerade dadurch erwirtschafteten, dass sie ihren gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkamen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, das den Beschwerdeführern angelastete betrügerische Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (ausgenommen die Dienstnehmerbeiträge) würde erst von dem am 1. März 2005 in Kraft getretenen Sozialbetrugsgesetz erfasst, wäre demnach zum Tatzeitpunkt noch straflos gewesen und hätte damit keinesfalls dem § 156 StGB unterstellt werden dürfen. Im Übrigen würde der Verbrauch bzw die Verwertung der durch Abgabenhinterziehungen oder allfällige Betrugshandlungen erlangten Werte bloß eine straflose Nachtat zu einem Finanzvergehen oder einem Betrug darstellen, könne jedoch keinesfalls Strafbarkeit nach § 156 StGB begründen. Gegenstand von Rechtsrügen ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Unerheblich ist für die Beurteilung im Rahmen der Rechtsrüge, ob die mit dem Gesetz zu vergleichenden Feststellungen einwandfrei zustandegekommen oder dargestellt sind oder erheblichen Bedenken begegnen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Diesem Gebot zuwider übergeht die Beschwerde allerdings, dass den Angeklagten nach den erstgerichtlichen Urteilskonstatierungen nicht bloß das Vorenthalten von Beiträgen oder Zuschlägen oder die Verwendung kriminell erwirtschafteter Vermögenswerte angelastet wird, sondern das vorsätzliche Beiseiteschaffen von Geldbeträgen der V***** GmbH mit dem Zweck, die Befriedigungsrechte der Gläubiger zu verletzen.

Inwiefern der durch Abgabenhinterziehungen oder betrügerische Vorgangsweise herbeigeführte Schaden ident sein sollte mit jenem, der durch Verringerung des - sei es auch durch strafbare Handlungen erlangten - Firmenvermögens und der daraus resultierenden Vereitelung der Befriedigungsrechte der Gläubiger bewirkt wurde (Kirchbacher/Presslauer, WK2 § 146 Rz 159; ÖJZ-LSK 2000/191, JUS 1991/6/626), und welche Komponente des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB damit in Frage gestellt wäre, legt die Beschwerde nicht dar (vgl 13 Os 151/03, 15 Os 19/04; WK-StPO § 281 Rz 588 f) und verfehlt damit ebenfalls die Ausrichtung an den Prozessvorschriften.

Von welcher Kostenkalkulation die Angeklagten beim Betrieb des Bauunternehmens ausgegangen sind, ist im Hinblick darauf, dass die Tathandlung des § 156 StGB (ua) - wie hier - im Beiseiteschaffen von bereits vorhandenen Vermögenswerten besteht, nicht entscheidend, sodass auch entsprechende Feststellungen nicht erforderlich waren (WK-StPO § 281 Rz 557).

Der Einwand des Angeklagten N*****, ausgehend von den erstgerichtlichen Urteilsannahmen, wonach er in erster Linie Anordnungen des Zweitangeklagten weitergeleitet habe, sei er nicht faktischer Geschäftsführer der Firma V***** GmbH iSd § 161 Abs 1 StGB gewesen, weshalb er als Täter einer betrügerischen Krida nicht in Betracht komme, übergeht, dass die ihm angelastete Mitwirkung an den Kridahandlungen der Mitangeklagten eine (der unmittelbaren Täterschaft gleichwertige) Beitragstäterschaft iSd § 12 dritter Fall StGB begründet.

Die Rechtsrüge lässt daher insgesamt eine prozessordnungsgemäße Darstellung vermissen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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