OGH 14Os22/05z

OGH14Os22/05z5.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kain als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zeljko M***** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. September 2004, GZ 042 Hv 98/03t-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Zeljko M***** wurde der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (1.) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2.) sowie des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 (aF) StGB (3.) schuldig erkannt.

Danach hat er am 31. August 2003 in Wien Elizabeta P*****

1. durch Schläge und Tritte gegen Kopf und Körper eine Prellung und Hautabschürfung des Kopfes, eines Außenknöchels, eines Schienbeins und des linken Kniegelenks, eine Zungenbissverletzung, eine Prellung des linken Oberschenkels, eine Hautabschürfung des linken Ellenbogens sowie eine Trommelfellzerreissung (vgl US 5), verbunden mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung, zugefügt;

2. durch Drohungen mit dem Umbringen zum Mitfahren in seinem PKW und zum Aufsuchen zweier Lokale genötigt;

3. durch Androhen und Versetzen von Schlägen sowie durch Drohung mit dem Umbringen, also mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (vgl US 7), zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zum Oralverkehr, genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 3, 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Mit dem Vorbringen, in der Hauptverhandlung vom 23. September 2004 sei ein gerichtsmedizinisches Gutachten verlesen worden (S 341 und 349), „ohne dass dem Protokoll eine Zustimmungserklärung des Angeklagten zu entnehmen" sei, ist die Verfahrensrüge (Z 3) zwar im Recht. In der Tat lässt sich die rechtliche Grundlage für die Nichteinhaltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes aus dem Verweis bloß auf „§ 252 StPO" nicht entnehmen (dazu kommt, dass das Protokoll - vom Beschwerdeführer allerdings ungerügt - nur undeutlich auf die Verlesung des „gesamten wesentlichen Akteninhaltes" hinweist, ohne die verlesenen Aktenbestandteile - und so auch das angesprochene Gutachten, ON 22 - im Einzelnen anzuführen). Mit Nichtigkeit bedroht ist mangelhafte Protokollierung jedoch nicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 262).

Dass der Angeklagte seine Zustimmung zur Verlesung des Gutachtens tatsächlich nicht erteilt hat, behauptet die Beschwerde nicht ausdrücklich. Selbst wenn man ihr auch die Rüge einer Verletzung des § 252 Abs 1 StPO entnehmen wollte, wäre für den Nichtigkeitswerber nichts gewonnen, weil die verlesene Expertise keine Zuordnung der Verletzungsfolgen zu einzelnen Taten vornimmt (was der Beschwerdeführer ohnehin selbst zugesteht) und solcherart den erfolgten Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB nicht zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen konnte (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO). Soweit er auf die fehlende Gelegenheit verweist, die Sachverständige zu diesem Thema zu befragen, fehlt es an einer darauf abzielenden Antragstellung in der Hauptverhandlung.

Der Antrag „auf Ergänzung des gerichtsmedizinischen Gutachtens zur Sichtbarkeit der Verletzungen der Elizabeta P***** im Bezug auch auf AS 33, wonach die Zeugin nachts auch so starke Schmerzen hatte und ist davon auszugehen, dass der Verlauf der Schwellungen sich erst gesteigert hat, so dass es zunächst nicht gleich so aufgefallen ist" (S 347), konnte als unerheblich abgewiesen werden, weil er angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte Verletzungen der Elizabeta P***** ohnehin zugestanden hatte, nicht unmissverständlich erkennen ließ, was aus dem unter Beweis gestellten Tatumstand für die Lösung der Schuldfrage aus Sicht des Antragstellers hätte gefolgert werden können.

Die im Rechtsmittel angesprochene Frage, ob schon allein die zu 1. erlittenen Verletzungen eine 24 Tage übersteigende Gesundheitsschädigung nach sich gezogen haben, war als Beweisthema nicht auszumachen.

Andererseits hat das Schöffengericht in den Entscheidungsgründen des Urteils dem Umstand, dass der Zeuge Zoran A*****, welcher Elizabeta P***** unmittelbar nach der zu 1. genannten Tat gesehen hatte, angeblich keine Verletzungsfolgen hatte wahrnehmen können, keine Bedeutung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen beigemessen. Für den Obersten Gerichtshof ist daher - ungeachtet der nicht ausdrücklich darauf hinweisenden Begründung des Zwischenerkenntnisses (S 349) - erkennbar, dass das Erstgericht aus Sicht des Zeugen (insoweit) unrichtige Angaben ohnehin nicht unterstellt hat, sodass der Antrag unter diesem Gesichtspunkt im Ergebnis zu Recht als unerheblich zu beurteilen ist. Stellt sich indes eine prozessleitende Verfügung beim Vergleich mit den erkennbar herangezogenen Sachverhaltsannahmen als rechtsrichtig dar, überprüft der Oberste Gerichtshof den zugrunde gelegten Sachverhalt ohne darauf bezogene Anfechtung nicht (WK-StPO § 281 Rz 50, 342). Die zu dem aus S 25 ersichtlichen Amtsvermerk (wonach Elizabeta P***** Beamten eines Wachzimmers der Bundespolizeidirektion Wien gegenüber geäußert habe, „bezüglich gefährlicher Drohung und Körperverletzung Anzeige" erstatten zu wollen) führenden Angaben der Zeugin stellen weder eine entscheidende Tatsache noch einen Umstand dar, der als notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache anzusehen ist, sodass sie aus Z 5 nicht in Frage gestellt werden können.

Entscheidend ist eine Tatsache genau dann, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens in den Entscheidungsgründen (aus der definitionsgemäß rechtsrichtigen Sicht des Obersten Gerichtshofes) entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder - im Fall gerichtlicher Strafbarkeit - darüber beeinflusst, welche strafbare(n) Handlung(en) (= rechtliche Kategorien) begründet werde(n) (WK-StPO § 281 Rz 399, 410). Nichts anderes gilt für die beweiswürdigende Erwägung des Schöffengerichtes, wonach Elizabeta P***** zwischen den zu 1. und 3. genannten Taten deshalb keinen Fluchtversuch unternahm oder Hilfe bei Dritten suchte, weil sie entsprechend verängstigt war. Die unterlassene Befragung der erwähnten Beamten hinwieder kann nur aus Z 4 erfolgversprechend gerügt werden. Dazu aber wäre ein in der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag erforderlich gewesen. Die Subsumstionsrüge (Z 10) schließlich übergeht die Feststellung, dass bereits die zu 1. genannten Tätlichkeiten eine 24 Tage übersteigende Gesundheitsschädigung der Elizabeta P***** zur Folge hatten, ohne die (keinen erheblichen Bedenken unterliegende; § 362 Abs 1 Z 1 StPO) Konstatierung aus Z 5 vierter Fall deutlich und bestimmt in Frage zu stellen.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte