OGH 14Os14/05y

OGH14Os14/05y5.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kain als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marianne L***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, teilweise als Bestimmungstäter gemäß § 12 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Helmut K***** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Bernhard P*****, Gabriela M*****, Frieda M*****, Gerlinde B*****, Johann P*****, Getrude P*****, Hermann P*****, Josef Ko*****, Franz Kr***** und Johann G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. Oktober 2004, GZ 10 Hv 121/04d-339, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Helmut K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Marianne L***** und Helmut K***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, teilweise als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Privatbeteiligten wurden teilweise Beträge zugesprochen, teilweise wurden sie auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Nach dem Schuldspruch haben Marianne L***** und Helmut K***** von 1993 bis 2001 in Paldau im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, teils als unmittelbare Täter, überwiegend aber als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB gegenüber (nicht nachweislich vorsätzlich handelnden) Vermittlungspersonen durch die Vorgabe, als zur Verwaltung von Fremdgeldern konzessioniert und befähigt zu sein, Geldmittel entgegenzunehmen und einer entsprechenden Veranlagungsform zuzuleiten, wobei die Investitionen durch Bankgarantien abgesichert seien und die jährliche Rendite - bei Inaussichtstellung weiterer Gewinne - 18 % betragen werde, mithin durch Täuschung über Tatsachen im Urteilsspruch namentlich genannte Personen zu Handlungen, nämlich zur Überweisung oder Überlassung von Geldbeträgen von insgesamt 7,205.160,28 Euro (99,145.167,02 S) inklusive 6 % Aufgeld verleitet, die diese an ihrem Vermögen in einem insgesamt 40.000 Euro (weit) übersteigenden Betrag schädigten, wobei sie den schweren Betrug großteils in der Form der Bestimmungstäterschaft in der Absicht begingen, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Während Marianne L***** das Urteil in Rechtskraft erwachsen ließ, bekämpft Helmut K***** dieses mit Nichtigkeitsbeschwerde, gestützt auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 9 lit a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 3) zeigt zutreffend eine Verletzung des § 252 Abs 1 StPO auf. Die Protokolle über die Aussagen der Geschädigten im Vorverfahren (ON 100 bis 108/ VIII bis XVI) wurden nämlich in der Hauptverhandlung - noch dazu gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Verteidigers - gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesen (S 373/XXIII), obwohl die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung nicht gegeben waren.

Diese Formverletzung vermochte aber auf die Entscheidung unzweifelhaft keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss zu üben (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO). Das Erstgericht hat nämlich die zu Unrecht verlesenen Aussagen im Urteil nicht verwertet (vgl EvBl 2000/119 ua). Vielmehr stützte es seinen Ausspruch über entscheidende Tatsachen in einer sorgfältigen Beweiswürdigung (US 31 bis 52) ausschließlich auf die Angaben von in der Hauptverhandlung unmittelbar vernommenen Zeugen, ferner auf das Buchsachverständigengutachten, insbesondere auf den Schriftverkehr (vgl US 42 unten) sowie auf die in der Hauptverhandlung verlesenen (zum Großteil in den Anzeigen und Gutachten enthaltenen) Urkunden (US 35 und 51 unten). Bereits aus den den Kunden vorgelegten Werbematerialien und Formularen ergaben sich für das Tatgericht die für deren Täuschung relevanten Angaben über Anlageform und zu erwartende Gewinne (vgl US 43 unten, 44 oben sowie die auf US 44 ff zitierten Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen). Die (allein) darauf gegründeten Feststellungen reichen zur Verwirklichung des Tatbestandes aus. Damit vermochten aber die zu Unrecht verlesenen Aussagen der Geschädigten keine weitere belastende Wirkung mehr zu entfalten, sodass sich der formale Fehler des Gerichtes nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken konnte. Für die Verlesung des Protokolls der vor dem Landesgericht Narbonne abgelegten Aussage des 1929 geborenen Zeugen Raymond S***** (S 481 ff/XVIII) waren die Voraussetzungen des § 252 Abs 1 Z 1 StPO hingegen gegeben, weil dieser sich infolge Gehbehinderung und schwerer Erkrankung nicht bereit fand, vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz zu erscheinen (S 471/XVII, 503 ff/XVIII).

Der auf § 281 Abs 1 Z 4 gestützten Verfahrensrüge zuwider wurden Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers durch die Abweisung der erst gegen Ende der sich über mehrere Monate erstreckenden Hauptverhandlung in offenbarer Verzögerungsabsicht gestellten Beweisanträge nicht verletzt:

Die Angaben des im Vorverfahren vor dem Rechtshilfegericht vernommenen Zeugen Raymond S***** wurden - wie dargelegt - durch Verlesung des Protokolls rite in die Hauptverhandlung eingebracht. Um eine ergänzende Vernehmung dieses Zeugen zu erreichen, hätte der darauf gerichtete Antrag (S 359 ff/XXIII) eines Vorbringens bedurft, aus welchen Gründen der in Frankreich wohnhafte Zeuge über den Inhalt der Schulungsgespräche des Angeklagten K***** mit den Werbern und über das Fehlen einer Garantiezusage gegenüber den Kunden im Falle einer anderweitigen Veranlagung als in Regulation-S Investments überhaupt Angaben machen könnte.

Gleiches gilt für die beantragte neuerliche Vernehmung des in Hamburg aufhältigen Zeugen Wolfgang Kl***** (S 359 ff, 363/XXIII), der in der Hauptverhandlung mittels Videokonferenz vernommen worden war, an der sich auch der Angeklagte K***** durch Fragestellung im Wege seiner Verteidigerin aktiv beteiligt hatte (S 270 ff/XXIII). Dass er zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen wäre, weitere Fragen an den Zeugen zu richten, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Ob die Anlagengeschäfte tatsächlich über die Team K*****, abgewickelt und dort auch erfasst wurden, stellt keinen für die Entscheidung der Sache erheblichen Umstand dar, sodass der auf Vernehmung des Prokuristen Vitomir T***** und der ehemaligen Angestellten Urscha V***** dieser Gesellschaft gerichtete Beweisantrag (S 361 f/XXIII) von vornherein verfehlt war. Im Übrigen waren die Konten der Gesellschaft bei der Bank Austria in Marburg vom Buchsachverständigen Mag. (FH) Martin Ge***** untersucht worden. Dabei kam er zum Schluss, dass die Kontobewegungen denen eines Modegeschäftes entsprachen, ein Zusammenhang mit Anlagegeschäften jedoch nicht hergestellt werden konnte (S 185 ff/XX).

Der Antrag auf Vernehmung der „bislang noch nicht im Rahmen des Hauptverfahrens vernommenen Geschädigten laut Anklageschrift sowie aller bislang noch nicht in der Hauptverhandlung vernommenen Werber" (S 362 f/XXIII) ließ nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, auf welche Personen er sich bezog. Die Anklageschrift führte nämlich 349 Anleger namentlich an, von denen aber nicht alle als Geschädigte in Betracht kamen, weil ihnen zum (kleineren) Teil Rückzahlungen geleistet wurden.

Im Übrigen ergab sich der durch die Vernehmung der Geschädigten zu beweisende - den Angeklagten K***** jedoch in keiner Weise entlastende - Umstand, dass die Vermögensverwaltung der in Slowenien ansässigen Team K***** übertragen wurde, bereits aus den Vertragsformularen, dem Schriftverkehr und dem Buchsachverständigengutachten (siehe insbesondere S 39, 237 ff/XX), weshalb es hiefür keines weiteren Beweismittels mehr bedurfte. Gleiches gilt für die ausdrücklich in seine Feststellungen aufgenommene (US 20) Klausel in den Vermögensverwaltungsverträgen, wonach die genannte Gesellschaft den Investitionsbetrag nach freiem Ermessen platzieren konnte (siehe S 111, 237/XX). Der wesentliche Umstand, dass der Großteil der angenommenen Gelder gar keiner Veranlagung zugeführt wurde (US 28 iVm S 113/XX), wird vom Beweisantrag jedoch nicht umfasst.

Dem Begehren auf neuerliche Erörterung des Gutachtens des Sachverständigen Mag. Ge***** (S 333/XXIII) wurde durch die nachfolgende einverständliche Verlesung des Gutachtens samt Anlagen und Ergänzungen (S 373/XXIII) Rechnung getragen. Eine weitere Ergänzung der Expertise wurde vom Angeklagten K***** nicht beantragt. Die Mängelrüge (Z 5) greift bloß einzelne Details der Verantwortung der Mitangeklagten Marianne L***** und der Aussage mehrerer Zeugen isoliert heraus, unterzieht sie einer gesonderten Betrachtung und will daraus ableiten, dass der Beschwerdeführer lediglich weisungsgebundener Schulungsleiter in der von L***** betriebenen Firma war, er von deren Manipulationen keine Kenntnis hatte und er sich jedenfalls nicht selbst bereichert hat.

Der Rechtsmittelwerber verkennt jedoch das Wesen des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO, wenn er - wie es in seinen Ausführungen zum Ausdruck kommt - der Auffassung ist, es sei schon ein Begründungsmangel, wenn im Urteil nicht der vollständige Inhalt sämtlicher Aussagen von Angeklagten und Zeugen sowie sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin erörtert und darauf untersucht werden, wieweit die einzelnen Angaben oder sonstigen Beweisergebnisse für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und wenn das Gericht sich bei der Würdigung von Aussagen oder sonstigen Beweisergebnissen nicht von vornherein mit allen vom Beschwerdeführer nachträglich ins Treffen geführten Gesichtspunkten befasst hat; denn nach dem Gesetz hat das Gericht die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Außerdem übersieht der Nichtigkeitswerber, dass nach § 258 Abs 2 StPO die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern ebenso in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen sind und dass über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, das Gericht letztlich nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden hat (EvBl 1972/17 uva).

Dieser Verpflichtung ist das Erstgericht nachgekommen, indem es die Beweismittel auch in ihrem Zusammenhang geprüft und daraus Schlüsse gezogen hat, welche den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswerten entsprechen. Dass aus dem Beweisverfahren oder einzelnen Teilen davon auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse möglich wären, vermag den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Die subjektive Tatseite hinwieder hat das Schöffengericht insbesondere aus den im Urteil zitierten, vom Rechtsmittelwerber geführten Schriftverkehr sowie aus den Aussagen der Zeugen S***** und K***** abgeleitet (US 37 bis 42).

Ein Begründungsmangel liegt somit nicht vor.

Gegenstand einer Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts - einschließlich der Berücksichtigung prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen - mit dem festgestellten Sachverhalt (WK-StPO § 281 Rz 581).

Soweit die Beschwerde einen Rechtsfehler wegen fehlender Feststellungen zur Bereicherung in objektiver und subjektiver Hinsicht behauptet, übergeht sie die diesbezüglichen Konstatierungen der Tatrichter (vgl insbesondere US 28 - objektive Tatseite; US 30 bis 31 - subjektive Tatseite). Welche weiteren Annahmen zum Bereicherungsvorsatz über die am Gesetzeswortlaut orientierten Ausführungen des Schöffengerichtes hinaus zur Verwirklichung des Tatbestandes noch erforderlich gewesen wären, legt das Rechtsmittel nicht dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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