OGH 13Os17/05g

OGH13Os17/05g30.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kreitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alberto V***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betrugs als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Anton V***** und Diana Elena H*****, die Berufung und die Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) des Angeklagten Gheorge C***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. September 2004, GZ 7 Hv 119/04p-156, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den zu I. ergangenen Schuldsprüchen des Anton V***** und der Diana Elena H*****, in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (samt Vorhaftanrechnung bei Alberto V*****) sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der Fa. E***** aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden Anton V***** und Diana Elena H***** sowie die Staatsanwaltschaft betreffend diese Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die den Angeklagten Gheorge C***** betreffenden Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten Anton V***** und Diana Elena H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, wurden Anton V***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betrugs als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und 15 StGB (I/1) und zweier Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung als Beteiligter nach §§ 12 zweiter „und dritter Fall", 87 Abs 1 StGB (V), Diana Elena H***** aber der Vergehen des versuchten schweren Betrugs als Beitragstäterin nach §§ 12 dritter Fall, 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB (I/2) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt. Danach haben

I. in Gr***** mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch Kopieren einzeln bezeichneter Kreditkarten mit Hilfe eines Ablesegerätes zwecks Herstellung und Verwendung von Duplikaten dazu beigetragen, dass Unbekannte zwischen 11. und 14. November 2002 in Spanien (Madrid, Vinaros und L. Aldea; lt US 11 zwischen 7. und 11. Jänner 2003 in Madrid, Vinaros, Valencia, Montpellier und L. Aldea) unter Verwendung der solcherart hergestellten falschen Urkunden Dritte durch Täuschung über Tatsachen (gemeint: die Befugnis zur Kartenverwendung) zur Ausfolgung von Waren und Erbringung von Leistungen verleiteten oder zu verleiten versuchten, und zwar

1. Anton V***** von 16. Mai 2002 bis zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 11. November 2002 in Bezug auf sieben Karten in insgesamt 94 Fällen, wovon 11 mit einem Gesamtschaden von 4.517,65 Euro vollendet und 83 mit einem Gesamtschaden von 77.852, 87 Euro versucht wurden;

2. Diana Elena H***** am 4. Juli 2002 in Bezug auf eine Karte, in welchem Fall es beim Versuch geblieben ist (Schaden: 9.620 Euro);

II. Diana Elena H***** am 3. Mai 2004 in Gr***** den Klaus Michael G***** durch die Äußerung „Wenn mein Mann wieder aus dem Gefängnis ist, werde ich dir jemand auf den Hals hetzen, dass sie dich niederschlagen!" mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

V. Anton V***** den Gheorge C***** in G***** absichtlich jeweils zu einer schweren Körperverletzung des Roland S***** bestimmt und durch ein kurzes Gespräch vor den Taten dazu beigetragen, wodurch S***** durch Faustschläge am 21. Februar 2004 eine Kopfprellung, eine oberflächliche Hautabschürfung unter dem linken Auge, verbunden mit einer Blutung (Monokelhämatom) und einen Nasenbeinbruch mit leichter Verschiebung nach links und einer Beeinträchtigung der Nasenatmung sowie am 29. Februar 2004 eine Prellung des Hirngewebes, ein ca 3,5 cm großes Prellareal an der Außen-Unterseite des linken Schläfenlappens, eine subarachnoidale Blutung, einen Schädelbasisbruch, einen Schläfeneinbruch, einen Bruch der linken vorderen Augenhöhlenwand, einen Bruch der Mittelwand der Keilbeinhöhle, eine Blutung im Bereich des rechten Mittelohres mit Hörverminderung, eine äußere Luftansammlung in der Schädelhöhle, zahlreiche Rissquetschwunden im Gesicht, einen knöchernen Strecksehnenausriss am rechten Ringfinger, eine Prellung des linken Unterarmes und der linken Mittelhand sowie Kreuzbeschwerden, verbunden mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit, erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die von Alberto V***** und Diana Elena H***** aus Z 3, 5, 5a, 9 lit a (von V***** auch aus Z 10) des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nur in Betreff der zu I. ergangenen Schuldsprüche berechtigt.

Insoweit zeigen die inhaltsgleichen Verfahrenrügen (Z 3) zutreffend auf, dass der in der Hauptverhandlung vom 8. September 2004 ohne Belehrung und Verzicht nach § 152 Abs 5 StPO abgehörte Zeuge Karl R***** nicht über ein ihm nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO zustehendes Entschlagungsrecht wegen Selbstbezichtigungsgefahr vernommen wurde. Der Zeuge war im Tatzeitraum als „Bordellverantwortlicher" (Bd III, S 437) oder Kellner nach eigener Aussage auch für die Abrechnung mit ihm von Kunden übergebenen Kreditkarten verantwortlich (Bd IV, S 27) und hatte anlässlich einer Kontrolle des vom Erstangeklagten betriebenen Nachtlokals, wo nach den im Vernehmungszeitpunkt vorliegenden Verfahrensergebnissen das Kopieren der Karten mit dem dort aufgestellten Ablesegerät stattfand, von Beamten des Gendarmeriepostens W***** auf das dort wahrgenommene Gerät hin angesprochen, geantwortet, es handle sich dabei um ein Reinigungsgerät für Kreditkarten und er habe den Auftrag von V*****, vor Benützung einer Kreditkarte diese zwecks Reinigung durch das Gerät zu ziehen (Bd III, S 437; idS auch seine Aussage in der Hauptverhandlung, Bd IV, S 28). Da den Beamten diese Angaben nicht glaubwürdig erschienen waren, hatten sie weitere Erhebungen veranlasst. Zur Gewinnung eines Sachbeweises war in der Folge von der Fa. E***** eine Kreditkarte auf den Namen Ernst P***** ausgestellt und diese im Betrieb V*****s der Kellnerin Diana Elena H*****, welche sodann der zu I/2 genannten Tat angeklagt wurde, zur Bezahlung von Rechnungen übergeben worden (Bd I, S 47 bis 49).

Nicht anders als hinsichtlich Diana Elena H***** wiesen demnach bei der Abhörung erkennbare Indizien in Richtung einer möglichen Beteiligung des Zeugen R***** am betrügerischen Verhalten des Alberto V*****, womit er Gefahr lief, sich durch seine Aussage strafgerichtlicher Verfolgung auszusetzen, zumal der Staatsanwalt vorweg nicht wirksam auf die Einleitung eines Strafverfahrens verzichten und solcherart die Gefahr für den Zeugen beseitigen kann (14 Os 107/99 = EvBl 2001/8).

Angesichts der gezielt auf die solcherart nichtige Aussage rekurrierenden Beweiswürdigung des Schöffengerichtes zur Frage, ob V***** selbst das Ablesegerät benutzt oder an Angestellte entsprechende Aufträge in dieser Richtung erteilt hatte (US 19 f), ist auch nicht unzweifelhaft erkennbar, dass die die beiden leugnenden Angeklagten belastenden Angaben des Zeugen keinen für diese nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung üben konnten (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 739), sodass bereits bei der nichtöffentlichen Beratung feststand, dass die zu I/1 und I/2 ergangenen Schuldsprüche wegen schweren Betrugs keinen Bestand haben können und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 1 StPO). Die Aufhebung auch der Strafaussprüche entzieht den diesbezüglichen Berufungen die Grundlage.

Im Übrigen kommt den wortreich gefassten Nichtigkeitsbeschwerden

jedoch keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Alberto V*****:

Dass Florin M***** und Gheorge C***** sich am 15. Februar 2004 ganztägig in Wien aufhalten hätten (womit die Aussage des M*****, an diesem Tag auf der Rückfahrt von G***** nach Wien vom Auftrag des V*****, S***** schwer zu verletzten, erfahren zu haben, als unrichtig erwiesen wäre), geht aus den Protokollen über Rufdatenrückerfassungen keineswegs hervor. Demnach war C***** um 0550, 1515, 1604, 1922, 2035 Uhr und von 2216 bis 2248 Uhr in Wien, M***** um 1305 und 2208 Uhr (Bd II, S 223 und 117). Warum es - zum Vorteil des Beschwerdeführers - erörterungsbedürftig gewesen sein sollte, ob an diesem Tag oder am Tag zuvor auch Telefongespräche der beiden miteinander aufgezeichnet wurden, ist nicht nachzuvollziehen, ebensowenig, wozu es der Erörterung der Rufdatenrückerfassung vom Vortag oder des Angeklagten V***** bedurft hätte (Z 5 zweiter Fall).

Die Feststellung, wonach bereits der erste Auftrag dahin gelautet hat, S***** schwer zu verletzen, ist nicht undeutlich geblieben (Z 5 erster Fall; US 14). Von offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) kann ebensowenig die Rede sein (US 22 bis 30). Dass telefonische Kontakte zwischen V***** und C***** nicht nachweisbar waren, haben die Tatrichter gar wohl erörtert (US 29) und darauf hingewiesen, dass eine solche Kommunikation nicht über Anschlüsse, die von der Rufdatenrückerfassung betroffen waren, erfolgt sein müssen.

Grundlegend verkannt wird sodann der Nichtigkeitsgrund der Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall), der nur im Fall eines - vorliegend gar nicht behaupteten - in einem erheblichen Punkt unrichtigen Referates einer Zeugenaussage oder Urkunde in den Entscheidungsgründen vorliegt. Indem die Beschwerde ungefähre Zeitangaben verschiedener Personen zum Ablauf der Ereignisse am 21. und 29. Februar 2004 mit zwischen einzelnen Aktionspunkten liegenden Wegstrecken beweiswürdigend in Beziehung setzt und solcherart Zweifel an der Schilderung des Ablaufs der beiden Taten durch Florin M***** zu wecken sucht, bekämpft sie nur - aus Z 5 unzulässig - die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (US 27 f) ohne jedoch einen Widerspruch zwischen Feststellungen und dazu angestellter Beweiswürdigung oder innerhalb der beweiswürdigenden Überlegungen deutlich und bestimmt zu bezeichnen (Z 5 dritter Fall). Das Motiv für die Taten (vgl dazu US 25) betrifft keine entscheidende Tatsache und kann daher aus Z 5 nicht in Frage gestellt werden. Übergangene Widersprüche innerhalb der Angaben der Zeugen S***** und D***** zeigt die Beschwerde nicht auf.

Der Vorwurf unzureichender Begründung nimmt schließlich nicht Maß an der Gesamtheit der im Urteil angestellten Erwägungen. Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag erhebliche Bedenken an entscheidenden Tatsachen in Betreff der zu V. ergangenen Schuldsprüche nicht zu wecken. Sie missachtet den Sinn des angezogenen Nichtigkeitsgrundes, der keineswegs darin liegt, den Obersten Gerichtshof zu veranlassen, (vorliegend teils auf verzerrenden Referaten von Aussagen beruhende, im Wesentlichen die Angaben des Florin M***** und das angenommene Motiv mit verschiedenen Spekulationen in Zweifel ziehende) beweiswürdigende Überlegungen des Rechtsmittelwerbers im Einzelnen gegen jene der Tatrichter abzuwägen, ohne sich - im Gegensatz zu diesen - einen unmittelbaren Eindruck von den vorgeführten Beweisen verschaffen zu können. Nur was im Tatsächlichen gleichsam den Ausruf provoziert: „Dieser Überzeugung kann man vernünftigerweise denn doch nicht sein!", kann mit diesem Nichtigkeitsgrund aufgrund deutlich und bestimmt bezeichneter, aktenkundiger Beweise geltend gemacht werden (vgl Nowakowski, Gutachten für den 2. ÖJT 1964 Bd I/6, 17; zust Moos, ÖJZ 1989, 103, E. Steinger Handbuch3 194, WK-StPO § 281 Rz 470, 490; ähnlich Fabrizy StPO9 § 281 Abs 1 Z 5a Rz 49; aM Bertel/Venier8 Rz 912, welche jedoch die ins Auge fallende Differenz im Wortlaut der §§ 473 Abs 2 und 281 Abs 1 Z 5a StPO missachten). Unterhalb dieser (besonderen) Erheblichkeitsschwelle bleibt die Beweiswürdigung allein den Tatrichtern vorbehalten (vgl auch Art 91 B-VG). Die Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich nicht an den tatsächlich getroffenen Feststellungen und verfehlt damit die erforderliche Ausrichtung am Gesetz.

Die zu Unrecht erfolgte Unterstellung der zu V. genannten Taten sowohl unter die Täterschaftsform der Bestimmung nach § 12 zweiter Fall StGB als auch unter diejenige eines sonstigen Beitrags nach § 12 dritter Fall StGB (weil sonstiger Tatbeitrag gegenüber Bestimmung als materiell subsidiär zurücktritt; vgl Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 50) wird nicht geltend gemacht. Zu amtswegiger Bereinigung nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sieht sich der Oberste Gerichtshof aber angesichts eines effektiven Nachteils für den Angeklagten nicht veranlasst. Bindung an die im Urteil insoweit unrichtig vorgenommene Subsumtion besteht angesichts dieser Klarstellung nicht (vgl 13 Os 7/04, 14 Os 37/04, 12 Os 89/04).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Diana Elena H*****:

Die Aussage des Zeugen Hans Christian Sch***** wurde, der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider, gar wohl erörtert (US 21 f). Ob die Beschwerdeführerin Klaus G***** „Lokalverbot" erteilt hat, bedurfte als unerheblich keiner gesonderten Erwähnung. Soweit die Mängelrüge weitschweifig die Ernstlichkeit der Drohung mit der Behauptung in Zweifel zu ziehen sucht, es habe sich dabei nur um eine „milieubedingte Unmutsäußerung" gehandelt, verfehlt sie erneut die erforderliche Ausrichtung an den gesetzlichen Anfechtungskategorien.

Indem selbst die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nur beweiswürdigend die Ernstlichkeit der Drohung bestreitet, ist auch sie nicht am Gesetz orientiert.

Über die den Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten Gheorge C***** betreffenden Berufungen wird vorerst das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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