Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte mit ihrer am 23. 9. 2003 im elektronischen Weg beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage, die Beklagte zur Zahlung von EUR 13.775,80 sA zu verurteilen. Unter der Rubrik „Anspruchsbeschreibung" finden sich im Wesentlichen folgende Angaben:
„Angaben über Forderung Beleg Nr von bis Betrag
Werklohn/Honorar 31159087 07. 04. 2003 2.010,80 EUR
Sonstiger 1401227489 27. 05. 2003 5,50 EUR
Werklohn/Honorar 31714188 07. 05. 2003 2.674,00 EUR
Werklohn/Honorar 32308211 07. 06. 2003 4.405,14 EUR
Werklohn/Honorar 32845940 07. 07. 2003 3.473,58 EUR
Werklohn/Honorar 33104667 19. 07. 2003 1.206,78 EUR"
Als Streitgegenstand ist eingangs der Klage genannt: „Werklohn/Honorar". Weitere Angaben zum Klagegrund enthält der Schriftsatz nicht.
Das Erstgericht sprach seine Unzuständigkeit aus und wies die Klage a limine zurück. Bei der Zuständigkeitsprüfung sei gemäß § 41 JN von den Klagsangaben auszugehen. Da keinerlei Tatsachenbehauptungen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 JN aufgestellt worden seien, sei davon auszugehen, dass die jeweils EUR 10.000 nicht übersteigenden Einzelforderungen nicht zusammenzurechnen seien. Damit sei die Wertzuständigkeit des Erstgerichts nicht gegeben und die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit (§ 43 Abs 1 JN) zurückzuweisen.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auch unter Berücksichtigung der Neuformulierung des § 230 Abs 2 ZPO durch BGBl 2002/76 könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Mangel von Prozessvoraussetzungen zwingend ein Verbesserungsverfahren nach sich zu ziehen habe. Anhaltspunkte dafür, dass die Zurückweisung einer derart mangelhaften Klage nur nach einem Verbesserungsversuch erfolgen dürfe, seien dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dass auch ein unschlüssiges Begehren verbesserbar sein sollte, könne aus den §§ 84, 85 ZPO nicht erschlossen werden; nach diesen Bestimmungen seien vielmehr nur Formmängel der Verbesserung zugänglich. Wollte der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage in dem Sinn, dass auch inhaltliche Mängel eines Schriftsatzes verbesserbar sein sollten, müsste dies ausdrücklich normiert werden. Zwar habe der Oberste Gerichtshof in 1 Ob 73/03x ausgesprochen, dass vor Abweisung eines unschlüssigen Klagebegehrens ein Verbesserungsversuch vorzunehmen sei, doch judizierten demgegenüber der 2. und 6. Senat - deren überzeugenden, weil dem Gesetz entsprechenden Argumenten gefolgt werde -, dass die Verbesserung eines unschlüssigen Schriftsatzes nicht möglich sei, wenn darüber - wenn auch nicht im stattgebenden Sinne - abgesprochen werden könne.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.
Den Argumenten der Revisionsrekurswerberin ist im Kern weitestgehend zu folgen:
Rechtliche Beurteilung
Durch die Zivilverfahrens-Novelle 2002 (BGBl I 2002/76) wurde unter anderem § 230 ZPO mit Wirksamkeit für nach dem 31. 12. 2002 bei Gericht eingelangte Klagen in seinem Absatz 2 dahin novelliert, dass in diesem die Wortgruppe „oder die Klage zur Verbesserung zurückzustellen" eingefügt wurde. Aus dem Gesetzestext vor der ZVN 2002 ergab sich unmittelbar, dass nur im Fall des Mangels einer persönlichen Prozessvoraussetzung ein Heilungsversuch gemäß § 6 Abs 2 ZPO vorzunehmen war und es in allen anderen Fällen zur Zurückweisung der Klage zu kommen hatte (in diesem Sinne zur alten Gesetzeslage: Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO² § 230 Rz 1). Dennoch weiteten Teile der Rechtsprechung die Verbesserungsmöglichkeiten aus und erstreckten die Vorschrift des § 84 Abs 3 ZPO auch auf (nicht fristgebundene) Klagen (RIS-Justiz RS0036288), und zwar mit der wesentlichen Begründung, die Beschränkung der Verbesserung von Inhaltsmängeln auf prozessual befristete Schriftsätze führe zu erheblichen Wertungswidersprüchen bei verfahrenseinleitenden Schriftsätzen. Diesem Ansatz folgte im Wesentlichen auch die Lehre (siehe die Übersicht bei G. Kodek in Fasching, Komm z ZPG² §§ 84, 85 ZPO Rz 119 ff).
In seiner Entscheidung 1 Ob 73/03x (JBl 2003, 653 mit zust. Glosse Gitschthaler/Höllwerth; Klicka: JBl 2003, 886) verwies der erkennende Senat auf die Lehrmeinungen, wonach Inhaltsmängel von Klagen verbesserungsfähig seien und lehnte ausdrücklich die Judikatur des 2., 6. und 8. Senats ab, die Verbesserung eines Schriftsatzes sei nicht möglich, wenn zwar unschlüssiges Vorbringen vorliege, darüber aber - wenn auch nicht im stattgebenden Sinne - abgesprochen werden könne. Das Gericht müsse, bevor es ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widerspruchsvolles Begehren abweise, dessen Verbesserung anregen, um der Partei Gelegenheit zu geben, entscheidungserhebliche Tatsachen, die von ihr erkennbar übersehen wurden, geltend zu machen und zu klären. Dieser Rechtsansicht schloss sich jüngst der 2. Senat in seiner Entscheidung 2 Ob 117/04a an und bekräftigte unter Abkehr von seiner bisherigen Judikatur, dass im Falle einer unschlüssigen Mahnklage nicht mit einem Beschluss im Sinn des § 230 Abs 1 ZPO vorzugehen, sondern zunächst ein Verbesserungsverfahren über die Klage einzuleiten sei.
Wenngleich es hier - wie die Revisionsrekurswerberin zutreffend darlegt - nicht um die stets meritorisch zu erledigende Schlüssigkeitsprüfung im engeren Sinn geht, ist doch auch diesen letztgenannten Entscheidungen eine weitestgehende Abkehr von verfahrenshemmenden Formalismen zu entnehmen. Auf diese Tendenz und die bereits dargestellte Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 84 Abs 3 ZPO (per analogiam [siehe G. Kodek aaO Rz 122]) nimmt die Regierungsvorlage zur ZVN 2002 (962 BlgNR 21. GP) offenkundig Bezug, wenn sie ausführt, „die Neuformulierung und sprachliche Bereinigung des Abs 2 stellt im Sinne der Judikatur klar, dass bei einem Mangel der genannten Prozessvoraussetzungen ein Verbesserungsversuch durchzuführen ist; sonst ist - wie bisher geübt, vorbehaltlich entgegenstehender europarechtlicher Vorgaben - mit einer Zurückweisung vorzugehen." Es braucht in diesem Zusammenhang auf die Frage der Bedeutung von Regierungsvorlagen für die Auslegung von Gesetzen nicht weiter eingegangen werden, weil schon der bereits dargestellte Inhalt der Gesetzesänderung den auch aus der Regierungsvorlage hervorleuchtenden Willen des Gesetzgebers klar macht, erweiterte Verbesserungspflichten zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Frage, ob ein Verbesserungsauftrag erteilt oder die Klage sofort zurückgewiesen wird, keineswegs in das Belieben des Richters gestellt ist, sondern die Verbesserung zwingend vorzunehmen und mit einer Zurückweisung nur im Falle unverbesserbarer Form- oder Inhaltsmängel oder erfolglosen Verbesserungsversuchs vorzugehen ist (in diesem Sinne auch Mayr in Fasching aaO § 230 ZPO Rz 2 f).
Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 1 Ob 114/04b unter umfangreicher Zitierung von Lehre und Rechtsprechung neuerlich klargestellt, dass nach §§ 84, 85 ZPO nicht nur zur Beseitigung von Formgebrechen, sondern auch zur Verbesserung bestimmter Inhaltsmängel vorzugehen sei. § 84 Abs 3 ZPO sehe die amtswegige Anordnung einer Verbesserung vor, wenn in einem Schriftsatz Erklärungen oder sonstiges Vorbringen fehlen, die für die mit dem Schriftsatz vorgenommenen Prozesshandlungen vorgeschrieben seien. Diese Bestimmung sei auch auf Klagen, so etwa im Fall unzureichender oder unklarer Tatsachenbehauptungen zur Prüfung der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, anzuwenden (in diesem Sinne auch SZ 70/161; 3 Ob 109/03f). Die Verbesserungspflicht erfasse daher etwa auch Klageangaben, die nach der - auf dem Boden des § 60 Abs 1 JN gebildeten - Überzeugung des angerufenen Gerichts ungenügend seien und dieses an seiner sachlichen Zuständigkeit zweifeln lassen. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, zumal auf Grund der ZVN 2002 im § 230 Abs 2 ZPO nunmehr ein unmissverständlicher Gesetzesauftrag vorliegt.
Allerdings ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, die Entscheidungen der Vorinstanzen an dieser Rechtsansicht zu messen. Die Vorinstanzen haben rechtsrichtig erkannt, dass in der Klage jedes Vorbringen fehlt, aus dem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zusammenrechnung der einzelnen geltend gemachten Positionen im Sinn des § 55 JN abgeleitet werden könnte. Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gemäß § 503 Z 4 ZPO liegt daher nicht vor. Die gegebene Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht verwirklicht nach gesicherter Rechtsprechung diesen Revisionsgrund nicht, sondern ist ausschließlich als Mangel des Verfahrens erster Instanz bekämpfbar (RIS-Justiz RS 0037095; RS 0037325; RS0048529). Ein derartiger Verfahrensmangel, der vom Gericht zweiter Instanz verneint wurde, kann im Revisionsrekursverfahren vom Obersten Gerichtshof nicht mehr wahrgenommen werden (RIS-Justiz RS0043919; Kodek in Rechberger ZPO², § 528 Rz 1).
Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.
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