OGH 1Ob287/04v

OGH1Ob287/04v25.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann W*****, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Dr. Anneliese Lindorfer und Mag. Dr. Bernhard Feichtner, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Elisabeth P*****, vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Oktober 2004, GZ 4 R 437/04z-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Ob ein Vertrag im Einzelfall vom Berufungsgericht richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Im Allgemeinen kommt der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042776). Dem Berufungsgericht ist bei der Beurteilung der streitentscheidenden Frage, ob der Beklagten im Kaufvertrag vom 2. 7. 1982 ein Wohnrecht auch an den Räumlichkeiten im 1. Stock des Zubaus eingeräumt wurde, entgegen der Auffasssung der Revisionswerberin keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste.

2. Bereits bei Begründung der Dienstbarkeit der Wohnung zu Gunsten der Schwiegermutter der Beklagten im Jahr 1980 war vertraglich formuliert worden, dieses Wohnungsrecht bestehe an der im 1. Stock "des Anbaus" gelegenen Wohnung bzw am gesamten bewohnbaren Teil des 1. Stockes "des Zubaues". Im Zusammenhang mit der Begründung des Wohnrechts der Beklagten wurde einerseits auf die zu Gunsten ihrer Schwiegermutter einverleibte Dienstbarkeit der Wohnung im 1. Stock "im Zubau zum Wohnhaus" verwiesen und andererseits formuliert, das Wohnungsrecht der Beklagten (und ihres damals noch lebenden Ehegatten) bestehe "am Wohnhaus". Wenn das Berufungsgericht aus der gewählten Formulierung abgeleitet hat, dass die seinerzeitigen Vertragspartner erkennbar zwischen dem "Zubau zum Wohnhaus" und dem "Wohnhaus" selbst unterschieden hätten, wodurch zum Ausdruck gebracht worden sei, dass sich das Wohnrecht der Beklagten nicht auch auf den Zubau erstrecke, kann darin insgesamt keine bedenkliche Fehlbeurteilung erblickt werden.

3. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass der Verweis im Kaufvertrag auf Eintragungen in einem einen integrierenden Vertragsbestandteil bildenden - jedoch nicht mehr auffindbaren - Lageplan unsinnig wäre, wenn der Beklagten und ihrer Familie ohnehin ein Wohnrecht am gesamten Haus einschließlich des Zubaus eingeräumt worden wäre. Die darüber hinausgehenden Mutmaßungen des Berufungsgerichts über den genauen Inhalt dieses Lageplans und die darin bezeichneten Räumlichkeiten haben allerdings keine ausreichende Tatsachengrundlage, worauf die Revisionswerberin zu Recht hinweist. Auch ohne Kenntnis des genauen Inhalts des Lageplans erscheint aber die Auffassung des Berufungsgerichts, die Räumlichkeiten im 1. Stock des Zubaus seien vom Wohnrecht der Beklagten nicht erfasst, nicht bedenklich.

4. Nach den unbekämpften Feststellungen der Vorinstanzen war das (früher begründete) Wohnrecht der Schwiegermutter für den Fall eingeräumt worden, dass es einmal zu einem Streit zwischen ihr und Angehörigen der Familie der Beklagten kommen sollte; dann sollte die Schwiegermutter die Möglichkeit haben, die bezeichneten Räume im 1. Stock des Zubaus ausschließlich für ihre Bedürfnisse zu verwenden. Dass die Schwiegermutter später (1982) mit einer Beschränkung ihres Wohnrechts einverstanden gewesen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht. Ihr (nunmehr verstorbener) Ehegatte konnte anlässlich des Verkaufs seiner (mit dem Wohnrecht belasteten) Liegenschaft das Wohnrecht seiner Mutter auch nicht durch vertragliche Vereinbarung mit dem Käufer beschränken. Da redlichen Vertragsparteien nicht zu unterstellen ist, rechtlich Unzulässiges oder gar rechtlich Unmögliches vereinbaren zu wollen, spricht schon unter diesem Gesichtspunkt viel dafür, das im genannten Kaufvertrag der Familie der Beklagten vorbehaltene Wohnrecht auf jene Räumlichkeiten zu beschränken, an denen nicht bereits ein Wohnrecht zugunsten der Schwiegermutter begründet worden war.

In Frage käme allenfalls die (obligatorische) Begründung eines Wohnrechts für die Beklagte und ihrer Familie am gesamten Haus einschließlich des Zubaus mit der Einschränkung, dass die der Schwiegermutter vorbehaltenen Räume erst nach deren Tod benützt werden dürften. Eine derartige Konstruktion ist jedoch der Vertragsurkunde nicht zu entnehmen und wurde auch von der Beklagten nicht behauptet. Ihr stünde im Übrigen auch entgegen, dass die Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten der Beklagten und ihrer Familie verdinglicht werden sollte, wobei aber eine bücherliche Einverleibung aufschiebend bedingter Rechte gar nicht in Betracht gekommen wäre (vgl nur SZ 55/58; NZ 1997, 403 ua).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte