OGH 12Os128/04

OGH12Os128/0413.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Paul D***** wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB, AZ U 551/93 des Bezirksgerichtes Baden, über die vom Generalprokurator gegen die Verfügung des Richters des Bezirksgerichtes Baden vom 5. April 2000 (ON 72) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solé, sowie des Verurteilen zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Verfügung des Bezirksgerichtes Baden vom 5. April 2000, GZ U 551/93-72, mit der die Rücküberweisung der „Geldstrafenteilbeträge ON 63 und ON 68", sohin der gesamten von Paul D***** bezahlten Geldstrafe in Höhe von 10.000 S angeordnet wurde, verletzt das Gesetz in den Grundsätzen des XXIII. Hauptstückes der Strafprozessordnung über die Vollstreckung der Urteile.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 15. Oktober 1996, GZ U 551/93-44, wurde Paul D***** der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 250 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 20 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Nach Eintritt des Terminsverlustes in Ansehung einer dem Verurteilten am 16. April 1997 gewährten Ratenbewilligung (ON 52) ordnete das Bezirksgericht am 29. Juli 1997 die Einhebung der Geldstrafe (ON 54) und am 3. Mai 1999 schließlich den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe (ON 60) an. In der Folge kam es in zwei Raten zu je 5.000 S im Mai und Juni 1999 (ON 63, 68) zur vollständigen Bezahlung der Geldstrafe. Offenbar infolge der bereits am 10. Juni 1999 erfolgten Übersendung des Aktes an das Landesgericht Wiener Neustadt, von wo er erst am 10. März 2000 rücklangte (ON 64), unterblieb entgegen § 4 Abs 2 StRegG die Verständigung der Bundespolizeidirektion Wien.

Trotz des Vollzuges der Geldstrafe fand Paul D***** Aufnahme in die Gnadenaktion aus Anlass des Weihnachtsfestes 1999 und der Jahrtausendwende, die sich laut § 1 Abs 2 des Durchführungserlasses des Bundesministeriums für Justiz, JMZ 4727/1-IV 5/99 (veröffentlicht im JABl Nr 22/1999), auch auf Personen erstreckte, die nur eine Verurteilung erlitten hatten, wenn damit höchstens auf eine sechsmonatige Freiheitsstrafe oder auf einen gemäß § 43a StGB nicht bedingt nachgesehenen Strafteil im Ausmaß von höchstens drei Monaten (oder auf entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen) erkannt worden und die Strafvollzugsanordnung zwischen dem 16. November 1997 und dem 16. November 1999 in der Justizanstalt eingelangt war.

Nach Übermittlung der Verständigung von der gnadenweisen bedingten Nachsicht der 20-tägigen Ersatzfreiheitsstrafe (ON 70) und damit auch der primär verhängten Geldstrafe verfügte das Bezirksgericht Baden am 5. April 2000 die Rücküberweisung der gesamten zur Einzahlung gebrachten Geldstrafe (ON 72).

Rechtliche Beurteilung

Die zuletzt genannte Verfügung steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die jeweils in einem Erlass des Bundesministeriums für Justiz enthaltene Determination für die Durchführung derartiger Gnadenaktionen wird vor ihrer Wirksamkeit vom Bundespräsidenten genehmigt. Der vom Bundesminister für Justiz erstattete Sammelgnadenvorschlag liegt damit im Rahmen des vorangegangenen Notenwechsels (vgl Haindl, Amnestiegesetzgebung und Gnadenpraxis in Österreich, ÖJZ 2000, 416 [420]). Die Gnadenerweise stehen daher unter den im Erlass enthaltenen Bedingungen. Gemäß § 4 Abs 1 zweiter Satz des zitierten Erlasses umfasste die Begnadigung aber bloß alle Strafen und Strafreste, die der Begnadigte auf Grund aufrechter Strafvollzugsanordnungen zum Stichtag (das war im Jahre 1999 der 16. Dezember) noch zu verbüßen hatte. Auf Grund der bereits zuvor erfolgten Bezahlung der gesamten Geldstrafe war dies jedoch trotz der noch aufrechten und von der Justizanstalt erst mit der Verständigung von der Begnadigung retournierten Strafvollzugsanordnung (Beilage zu ON 70) nicht mehr der Fall.

Auch bei einer Einzelbegnadigung hätte der Gnadenakt in der hier vorliegenden Fallgestaltung keine Rechtswirksamkeit erlangt. Denn es können zwar auch bereits vollstreckte Strafen, also primär Vermögensstrafen, von einer Begnadigung erfasst werden (Berchtold,

Der Bundespräsident 284; Rittler, Lehrbuch des österreichischen Strafrechtes [1954] 370; Sturm, Voraussetzungen und Umfang des Gnadenrechtes, ÖJZ 1953, 573; Pfeifer, Das Gnadenrecht des Bundespräsidenten JBl 1952, 256, 278 [279, 282 f]; aM Lohsing-Serini, Österreichisches Strafprozessrecht4 661; Ent, Ein Beitrag zum österreichischen Gnadenrecht, ÖJZ 1956, 356 [363 f]), jedoch müsste ebenso wie bei einer rückwirkenden Nachsicht etwa des Verfalls oder von Rechtsfolgen der Verurteilung (Berchtold aaO 287; Gebert/Pallin/Pfeiffer Das österreichische Strafverfahrensrecht § 411 StPO alt E 10, 28) die Entschließung dies - über Antrag des Bundesministers (Pfeifer aaO 283) - ausdrücklich anordnen. Die den Entscheidungsträgern nicht bekannte und sohin zum Zeitpunkt des Gnadenerweises unberücksichtigt gebliebene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (erfolgter Strafvollzug) vermag eine derartige Rechtsfolge hingegen nicht zu begründen.

Da die Entschließung des Bundespräsidenten nach vollständiger Bezahlung der Geldstrafe durch Paul D***** somit jedenfalls unwirksam blieb, steht die Rücküberweisung des entsprechenden Geldbetrages mit den Grundsätzen des XXIII. Hauptstückes der StPO über die Vollstreckung der Urteile nicht im Einklang.

Das Erstgericht wird die bisher unterbliebene Verständigung des Strafregisters vom Vollzug der Geldstrafe am 30. Juni 1999 nachzuholen haben.

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