OGH 7Ob253/04p

OGH7Ob253/04p12.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****bank *****, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Daniela K*****, vertreten durch Dr. Bernhard Waldhof, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 189.888,59 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. Mai 2004, GZ 3 R 86/04b-12, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. März 2004, GZ 40 Cg 254/03v-7, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt mit der am 12. 12. 2003 überreichten Klage von der Beklagten die Rückzahlung zweier per 14. 11. 2003 fällig gestellter Kredite in der Höhe des Klagsbetrages. Die Fälligstellung der Kredite sei insbesondere deshalb erfolgt, weil die Beklagte ihre Zahlungen eingestellt habe. Der Beklagten sei die Höhe des Rückstandes einerseits aus den geführten Gesprächen, andererseits aus den ihr zugegangenen Kontoauszügen bekannt. Obwohl die Beklagte zunächst zugesagt habe, einen vollstreckbaren Notariatsakt über den aushaftenden Betrag zu unterfertigen, habe sie dies dann grundlos verweigert. Die Klägerin bot als Beweis die Vorlage von Urkunden und die Einvernahme eines Mitarbeiters als Zeugen an.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, gesteht zu, dass diverse Kreditverbindlichkeiten offen seien, wendet aber ein, dass die Beklagte in Kontakt mit dem Sachbearbeiter der Klägerin gestanden sei und über die Möglichkeit einer Abtragung der Kreditverbindlichkeiten verhandelt habe. Zu dem Zeitpunkt, als die Kredite fällig gestellt worden seien, seien der Beklagten keine nachvollziehbaren Abrechnungsunterlagen zur Verfügung gestanden. Der Klagsbetrag sei nicht fällig. Sie bot als Beweismittel die Vorlage von Korrespondenz und die Parteieneinvernahme der Beklagten an.

Das Erstgericht beraumte eine mündliche Streitverhandlung an und lud die Parteienvertreter mit dem Zusatz, dass alle angebotenen und noch anzubietenden Urkunden bis spätestens 10 Tage vor dem Termin vorzulegen seien und dass zum Termin die Partei oder ein informierter Vertreter stellig zu machen sei. Darüber hinaus verfügte es die Ladung der Beklagten als Partei.

In der vorbereitenden Tagsatzung iSd § 258 ZPO erörterte der Erstrichter die beiderseitigen Rechtsstandpunkte und gab das Prozessprogramm kund, welches vor allem die Ermittlung der Höhe der aushaftenden Kreditsalden, deren Bekanntgabe gegenüber der Beklagten sowie die Frage der Fälligstellung der Kredite beinhaltete. Der Beklagtenvertreter verzichtete auf die Einvernahme der Beklagten, sie war nicht erschienen. Im Anschluss daran vernahm das Erstgericht den stellig gemachten Geschäftsleiter der Klägerin als Partei. Nach dessen Einvernahme ergänzte der Beklagtenvertreter sein Beweisanbot durch Einvernahme des Sohnes der Beklagten als Zeugen zum Beweis dafür, dass die Fälligstellung der Kredite "entgegen einer getroffenen Vereinbarung" erfolgt sei. Nachdem der Klagevertreter die Zurückweisung des Beweisanbotes wegen Verspätung beantragte, führte der Beklagtenvertreter aus, dass aufgrund der heutigen Parteieneinvernahme erst dargelegt worden sei, dass Verhandlungen auch mit dem Sohn der Beklagten geführt worden seien.

Sodann verkündete der Erstrichter den Beschluss auf Zurückweisung des Beweisanbots durch Einvernahme des Sohnes der Beklagten als Zeugen und erklärte den Schluss der Verhandlung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Die Zurückweisung des Beweisanbotes begründete es mit der durch die ZVN 2002 eingeführten Bestimmung des § 178 Abs 3 ZPO, nämlich der ausdrücklich normierten Prozessförderungspflicht der Parteien. Das Beweisthema des Vorliegens besonderer Vereinbarungen zwischen den Streitteilen, die allenfalls eine Fälligkeit nicht begründen würden, sei schon seit Monaten auf dem Tisch gelegen. Das Beweisanbot sei daher verspätet, da mit der Ladung des Zeugen eine erhebliche Verzögerung des Verfahren einhergehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Verfahrensrüge komme Berechtigung zu. Es sei zwar zutreffend, dass es der Beklagten möglich und auch zumutbar gewesen sei, eine der Fälligstellung der Kredite entgegenstehende Vereinbarung bereits in der Klagebeantwortung zu behaupten und den Zeugen namhaft zu machen. Es sei auch zutreffend, dass das Neuvorbringen und Beweisanbot des Beklagtenvertreters offenbar ohne Kontaktaufnahme mit der Beklagten vorgetragen worden sei, die Präklusionsmöglichkeit des neuen Vorbringens und Beweisanbotes gemäß § 179 ZPO stelle aber dem Wortlaut nach darauf ab, dass sich die Frage, was für den Verfahrensgegenstand erkennbar relevant sei und daher bereits früher vorzubringen gewesen wäre, primär an den im Protokoll der vorbereitenden Tagsatzung (§ 258 ZPO) festgehaltenen Ergebnissen der Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Parteien zu orientieren habe. In Verbindung mit dem Mündlichkeitsprinzip und dem Grundsatz der Zulässigkeit, neues Vorbringen während der gesamten Verhandlung zu erstatten, sei es aber ausgeschlossen, ein Parteivorbringen bereits in der vorbereitenden Tagsatzung zu präkludieren bzw zurückzuweisen, auch wenn - wie hier - die Beklagte den diesbezüglichen Einwand und das Beweisanbot bereits in der Klagebeantwortung hätte vorbringen sollen und ihr damit ein Verstoß gegen ihre Prozessförderungspflicht vorzuwerfen sei. Davon unberührt sei selbstverständlich die Möglichkeit, dem verspäteten Vorbringen mit Kostenfolgen zu begegnen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zu der verfahrensrechtlichen Frage der Möglichkeit einer Präklusion von Parteivorbringen und Beweisanbot schon in der vorbereitenden Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung gemäß den mit der ZVN 2002 geschaffenen Bestimmungen der §§ 179, 257 f ZPO, noch keine Rechtsprechung des Höchstgerichtes vorliege.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Die Beklagte beteiligt sich am Rekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Nach den Erläuterungen zur RV zur ZVN 2002 (962 BlgNR 21. GP) ist es allgemeines Ziel des Gesetzesentwurfes, das gerichtliche Verfahren schneller und effizienter zu gestalten. Den zentralen Reformansatz bildet der Gedanke, den Parteien die Mitverantwortung für eine rasche Prozessführung aufzuerlegen und sie zu verpflichten, ihr Vorbringen so zu erstatten, dass das Verfahren so rasch wie möglich durchgeführt werden kann (962 BlgNR 21. GP, S 16). Die Prozessförderungspflicht der Parteien ist in § 178 Abs 2 ZPO festgelegt. Danach hat jede Partei ihre Vorträge so zeitgerecht und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann. Die Parteien können zwar nach § 179 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung neue auf den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche tatsächliche Behauptungen und Beweismittel vorbringen, ein solches Vorbringen kann jedoch vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen zurückgewiesen werden, wenn es, insbesondere im Hinblick auf die Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens (§ 182a ZPO), grob schuldhaft nicht früher vorgebracht wurde und seine Zulassung die Erledigung des Verfahren erheblich verzögern würde. In § 258 ZPO ist nunmehr die sogenannte vorbereitende Tagsatzung als Teil der mündlichen Streitverhandlung geregelt. Sie dient nach § 258 Abs 1 ZPO Z 1 zur Entscheidung über die Prozesseinreden, Z 2 zum Vortrag der Parteien (§§ 177 bis 179 ZPO), Z 3 der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens auch in rechtlicher Hinsicht, Z 4 der Vornahme eines Vergleichsversuches sowie bei dessen Scheitern der Erörterung des weiteren Fortgangs des Prozesses und Bekanntgabe des Prozessprogrammes und Z 5 - soweit zweckmäßig - auch der Einvernahme der Parteien und Durchführung des weiteren Beweisverfahrens.

Im vorliegenden Rechtsfall steht zur Beurteilung an, ob ein erst in der vorbereitenden Tagsatzung erstattetes Vorbringen samt erhobenem Beweisantrag bereits nach § 179 ZPO zurückgewiesen werden kann, wenn es grob schuldhaft nicht früher erstattet wurde und seine Zulassung die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde.

Die Bestimmungen der §§ 179 und 258 ZPO sind im Zusammenhang zu lesen, wie sich dies schon aus dem Text ergibt. Im § 179 ZPO wird als Kriterium der groben Schuldhaftigkeit insbesondere die Erstattung des Vorbringens nach erfolgter Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens genannt, was nach § 258 Abs 1 Z 3 ZPO Gegenstand der vorbereitenden Tagsatzung ist. Nach § 258 Abs 1 Z 2 ZPO dient die vorbereitende Tagsatzung dem Vortrag der Parteien, wobei hier auf die §§ 177 bis 179 ZPO verwiesen wird, was nur bedeuten kann, dass in dieser Tagsatzung der Prozessförderungspflicht von den Parteien bei sonstiger Präklusion des Vorbringens nach § 179 ZPO (bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen) Genüge getan werden muss. Dies lässt sich auch aus den Erläuterungen ableiten, nämlich aus 962 BlgNR 21. GP, S 33, wonach im Hinblick auf die möglichen Präklusionswirkungen im Anschluss an die möglichst frühzeitige Feststellung und Erörterung der Streitpunkte in der vorbereitenden Tagsatzung die Vorbereitungsfrist für diese Verhandlung von bisher mindestens 8 Tagen auf nunmehr mindestens 3 Wochen erhöht wird und aus 962 BlgNR 21. GP, S 35, wonach nach der Erörterung der voraussichtlich entscheidungserheblichen Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Natur in dieser ersten Verhandlung das weitere - das Verfahren erheblich verzögernde - Vorbringen und Beweisanträge dann für unstatthaft erklärt werden können, wenn die Partei diese grob schuldhaft verspätet vorgebracht hat.

Die Konzentration des Vorbringens spätestens in der vorbereitenden Tagsatzung ist unverzichtbare Voraussetzung für die zügige Abwicklung des Beweisverfahrens (G. Kodek in Fasching², § 258 ZPO, Rz 3, 13). Jedes spätere Vorbringen ist an sich verspätet (Schragel in Fasching², § 179 ZPO, Rz 5; idS auch G. Kodek, aaO, § 258 ZPO, Rz 36).

Soll aber die vorbereitende Tagsatzung dem Vortrag der Parteien unter Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens iSd § 258 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO effizient dienen, so muss den Parteien gestattet werden, in dieser Tagsatzung noch ergänzendes Vorbringen und Beweisanbot zu erstatten, auch wenn sie dazu im Einzelfall bereits zu einem früheren Zeitpunkt (etwa in der Klagebeantwortung oder in einem Schriftsatz) Gelegenheit gehabt hätten (in diesem Sinn auch Beran et al, Die Zivilverfahrensnovelle 2002 aus der Sicht des "Arbeitskreises Verfahrensvereinfachung" in RZ 2002, 258). Die Präklusion des Vorbringens iSd § 179 ZPO soll eben erst nach der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens der Parteien in der vorbereitenden Tagsatzung (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) Platz greifen können, was sich insbesondere aus § 258 Abs 1 Z 2 ZPO ergibt, in dem ausdrücklich auf die Präklusion des Vorbringens nach § 179 ZPO verwiesen wird. Es macht dann keinen Unterschied, ob dieses Vorbringen zu Beginn der vorbereitenden Tagsatzung oder erst nach Beginn des Beweisverfahrens in der vorbereitenden Tagsatzung erstattet wird, da die Tagsatzung an sich ja im Hinblick auf eine mögliche Verzögerung eine Einheit bildet.

Das Vorbringen und das Beweisanbot der Beklagten in der vorbereitenden Tagsatzung war daher grundsätzlich zulässig und nicht allein deshalb zurückzuweisen, weil es früher hätte erstattet werden können. Ob die Verfahrensergänzung überhaupt notwendig ist, hat der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht zu prüfen (RIS-Justiz RS0042179).

Es war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

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