OGH 7Ob265/04b

OGH7Ob265/04b12.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, ***** vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Hermann F*****, 2. Hannes G*****, 3. Friedrich K*****, 4. Johann K*****, sämtliche vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen (restl) jeweils EUR 12.307,02 sA (Revisionsinteresse: jeweils EUR 8.868,56), über die "außerordentliche Revision" der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 2. August 2004, GZ 3 R 69/04y-161, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. Jänner 2004, GZ 12 Cg 19/99s-147, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Im zweiten Rechtsgang (vgl 7 Ob 208/00i zum ersten Rechtsgang) stellte das Erstgericht die Klageforderung gegenüber den Beklagten mit je EUR 15.032,25 ohne Solidarverpflichtung als zu Recht bestehend fest, verneinte den Bestand ihrer Gegenforderungen, wies das Klagebegehren, soweit es die Solidarverpflichtung der Beklagten, EUR 60.128,99 sA zu bezahlen, zum Gegenstand hatte, sowie ein Zinsenmehrbegehren ab und erkannte die vier Beklagten schuldig, der Klägerin Beträge von je EUR 12.307,02 sA und EUR 2.725,23 sA zu bezahlen.

Der Zuspruch von Teilbeträgen von jeweils EUR 2.725,23, die Verneinung der Solidarhaftung der Beklagten in Ansehung des Betrages von EUR 60.128,99 sA, die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens sowie der Ausspruch über die mangelnde Berechtigung der Gegenforderung der Beklagten sind unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Das Berufungsgericht gab der gegen den jeweils EUR 2.725 übersteigenden Zuspruch erhobenen Berufung der Beklagten (Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes: jeweils EUR 12.307,25 sA) teilweise Folge, verpflichtete diese (unter Einbeziehung des unangefochtenen und des bestätigten Teiles der Entscheidung des Erstgerichtes) mit Teilurteil, jeweils EUR 11.593,79 sA ohne Solidarverpflichtung zu bezahlen, und hob das angefochtene Urteil im Übrigen (Zuspruch von jeweils weiteren EUR 3.438,46 sA) - unter Zurückverweisung der Rechtssache zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht - auf. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen den die Klagestattgebung bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung ("jeweils EUR 8.868,56 pro Beklagten") richtet sich die "außerordentliche" Revision der Beklagten, welche das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte. Letztere Vorgangsweise ist verfehlt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar EUR 4.000, nicht aber insgesamt EUR 20.000 übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hat. Nach § 508 Abs 1 ZPO steht den Parteien in diesem Streitwertbereich die Möglichkeit offen, einen Antrag an das Berufungsgericht zu stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln.

Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Dies gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als außerordentliches bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623 und RS0109501). Dies gilt ferner auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs an das Gericht zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109623 und RS0109501; zuletzt: 1 Ob 143/04t und 7 Ob 201/04s).

Im vorliegenden Verfahren übersteigen die gegen die einzelnen Beklagten jeweils erhobenen Ansprüche - und damit auch der jeweilige Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts - zwar EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000, sodass die außerordentliche Revision nicht in Betracht kommt (§ 502 Abs 3 ZPO). Eine Zusammenrechnung der Streitwerte hat nicht zu erfolgen, weil die Beklagten nur formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO sind:

Nach § 55 Abs 5 JN sind die Abs 1 bis 4 leg cit unter anderem auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sind nach § 55 Abs 1 Z 2 JN zusammenzurechnen, wenn sie gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. (Materielle) Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind solche Personen, die ... aus demselben tatsächlichen Grund ... verpflichtet sind; (formelle) Streitgenossenschaft nach § 11 Z 2 ZPO ist hingegen anzunehmen, wenn gleichartige auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreites bilden, und zugleich die Zuständigkeit des Gerichtes hinsichtlich jedes einzelnen Beklagten begründet ist.

Hier werden die im Rechtsmittelverfahren noch strittigen restl Klageansprüche aus der Säumnis der vier Beklagten mit der Erfüllung ihrer als Gesellschafter der V***** GmbH übernommenen vertraglichen Verpflichtungen zur "anteiligen Rücküberweisung" der von der Klägerin geleisteten Betriebskosten und abgedeckten Verbindlichkeiten der genannten GmbH, falls es nicht zu einer Übernahme der Anteile an dieser GmbH durch die Klägerin kommt, abgeleitet. Diese Verpflichtungen beruhen nun zwar auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Grund, nämlich der jeweiligen Säumnis mit der Erfüllung dieser persönlich übernommenen Pflicht der Beklagten; die Verpflichtungen der vier Beklagten bestehen jedoch nicht (unbedingt) aus demselben tatsächlichen Grund, sondern aus der (angenommenen) eigenständig entstandenen bzw verpflichtenden Säumnis jedes Beklagten gesondert (vgl 3 Ob 504/95). Sie sind daher nicht als materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO, sondern bloß als formelle Streitgenossen anzusehen (vgl RIS-Justiz RS0035710 [T6] betreffend die formelle Streitgenossenschaft zweier beklagter, mit der Bezahlung der Stammeinlage säumiger Gesellschafter einer GmbH).

Da Ansprüche gegen formelle Streitgenossen nach § 11 Z 2 ZPO jedoch nicht zusammenzurechnen sind (stRsp; RIS-Justiz RS0035615; zuletzt: 1 Ob 24/04t; Gitschthaler in Fasching² I Rz 23 zu § 55 JN) hat das Erstgericht in unzutreffender Weise angenommen, dass eine außerordentliche Revision zulässig sei. Sollte es der Auffassung sein, die Eingabe der beklagten Partei sei unter den dargelegten Umständen als (mit der ordentlichen Revision verbundener) Antrag an das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO zu qualifizieren (§ 84 Abs 2 Satz 2 ZPO), wird es die Akten dem Berufungsgericht zur Entscheidung vorzulegen haben (2 Ob 107/04f). Andernfalls wird die beklagte Partei zu einer entsprechenden Klarstellung aufzufordern sein (1 Ob 24/04t).

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