OGH 5Ob159/04z

OGH5Ob159/04z11.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Höhne und In der Maur, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 22.644,55 s.A., über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20. April 2004, GZ 2 R 218/93y-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11. Juli 2003, GZ 33 Cg 93/01b-27, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.189,44 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 198,24 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, die zum Zweck des Erwerbes der gegenständlichen Liegenschaftsanteile am 18. 12. 1997 gegründet wurde, kaufte am 6. 2. 1998 von der Beklagten 1480/5913 Anteile der Liegenschaft EZ 793 Grundbuch ***** mit der Liegenschaftsadresse *****. Die Beklagte schied damit aus der Miteigentumsgemeinschaft aus.

In Punkt VI. des Vertrages vom 6. 2. 1998 wurde festgehalten, dass eine bestimmte Beschaffenheit, ein bestimmtes Ausmaß, bestimmte Grenzen, bestimmte Erträgnisse des Vertragsobjektes nicht Gegenstand des Vertrages seien.

In Punkt XV erklärte die Verkäuferin, der Klägerin die Einräumung von Wohnungseigentum an den in der Folge im einzelnen beschriebenen Objekte zugesagt zu haben. Die Parteien vereinbarten diesbezüglich die grundbücherliche Sicherstellung. Die Verkäuferin verpflichtete sich, im Rahmen der bestehenden Gesetze das Nutzwertfeststellungsverfahren auf ihre Kosten durchzuführen, sämtliche damit im Zusammenhang stehenden Kosten, Gebühren und Belastungen aus Eigenem zu tragen und die Käuferin diesbezüglich schad- und klaglos zu halten. Die Käuferin erteilte ihr dazu den Auftrag und mittels gesonderter Urkunde Vollmacht zur Durchführung der unter Punkt XI des Vertrages genannten Maßnahmen (Eingaben an Baubehörden, Abschluss eines entsprechenden Wohnungseigentumsvertrages und dessen grundbücherliche Durchführung einschließlich eines allenfalls erforderlichen Übereinkommens zur Berichtigung der Liegenschaftsanteile, Erwirkung der Entscheidung der zentralen Schlichtungsstelle).

In Punkt XII des Vertrages wurde vereinbart, dass die Sanierung der Fassade, das Ausmalen des Stiegenhauses und das Verputzen der Gänge auf Kosten der Verkäuferin erfolgt und dass sämtliche Versorgungsleitungen (Gas, Wasser, Strom) zu und vom Vertragsobjekt saniert, Abfallstränge eingezogen werden; dies ebenfalls auf Kosten der Verkäuferin.

Weiters wurde festgehalten, dass die Kosten der Nutzwertfeststellung die Verkäuferin allein trägt, die Kosten der Begründung des Wohnungseigentums jedoch die Käuferin entsprechend ihren Miteigentumsanteilen übernimmt.

Unter Punkt XIV verpflichtete sich schließlich die Verkäuferin, ihre Verpflichtung als Wohnungseigentumsorganisator zu erfüllen.

Die beklagte Partei hatte vor Abschluss des Kaufvertrages Sanierungsarbeiten an der Fassade durchgeführt. Die allgemeinen Teile des Hauses befinden sich jedoch in einem schlechten baulichen Zustand, sodass größere Erhaltungsarbeiten erforderlich sind. Am 7. 6. 1999 wurde der Eigentümergemeinschaft von der MA 37 die Beseitigung von bestimmten Verputzschäden an Feuermauer und Lichthof aufgetragen. Auch andere Teile des Hauses, etwa Gas-, Wasser- und Abfallleitungen, Rauchfänge, Tür- und Fensterumrahmungen lassen größere Erhaltungsarbeiten erwarten.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten insgesamt EUR 22.644,55 mit der Begründung, die Beklagte habe zwar vereinbarungsgemäß die Wohnungseigentumsbegründung zur Gänze organisiert und abgewickelt, doch weder die ausdrücklich in Punkt XII des Vertrages zugesicherten Arbeiten durchgeführt noch ihre Verpflichtung erfüllt, einen gemäß § 23 Abs 3 Z 4 WEG entsprechenden Erhaltungszustand des Gebäudes herzustellen. Bereits im Jahr 1999 sei eine Reihe größerer Erhaltungsarbeiten angefallen, so an der Gasleitung, Elektroarbeiten, Baumeister- und Installateurarbeiten sowie die Sanierung von Kamin und Feuermauer. Auf die Klägerin entfalle ausgehend von der Gesamtnutzfläche der in ihrem Eigentum stehenden Anteile der Klagsbetrag an Sanierungsaufwand. Der Klägerin sei weder vor noch mit der Zusage des Wohnungseigentumes ein Gutachten im Sinn des § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 idF der Novelle 1997 übergeben worden. Deshalb gelte ein Erhaltungszustand des Gebäudes als vereinbart, der in den nächsten 10 Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordere.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung.

Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - die Bestreitung ihrer Eigenschaft als Wohnungsorganisatorin hält die Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht - wendet die Beklagte im Wesentlichen ein, die Klägerin sei zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 nicht berechtigt, weil es sich dabei um eine Konsumentenschutzbestimmung handle. Zweck dieser Regelung sei es, die Übervorteilung eines typischen durchschnittlichen Käufers zu verhindern, der in einem Althaus eine Eigentumswohnung erwirbt, dabei aber zumeist rechtlich unerfahren sei und die Problematik des Instandsetzungsaufwandes nicht abschätzen könne. Auf die klagende Partei, deren Geschäftszweck die Liegenschaftsverwertung und -verwaltung sei, treffe dies nicht zu. Überdies sei die Klägerin kurz vor Vertragsabschluss ausschließlich zum Zweck des Erwerbes der konkreten Liegenschaftsanteile gegründet worden, weshalb die Berufung auf § 23 Abs 3 Z 4 WEG sittenwidrig sei. Schließlich sei zwischen den Parteien die Gewährleistung ausgeschlossen worden.

Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf den Grund des Anspruchs ein und erkannte das Klagebegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen meinte es, dass die Beklagte als Wohnungseigentumsorganisatorin der Klägerin im Sinn des § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 für eine bestimmte Beschaffenheit der Liegenschaft hafte, nämlich für einen Erhaltungszustand des Gebäudes, der in den nächsten 10 Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordere. Dieser Erhaltungszustand sei nicht gegeben.

Den Einwand, die Klägerin könne die Bestimmung des § 23 Abs 3 Z 4 WEG deshalb nicht für sich beanspruchen, weil sie keine Konsumentin sei, verwarf das Erstgericht. Der Zweck der Regelung sei zwar die Hintanhaltung der Übervorteilung des typisch durchschnittlichen Käufers einer Eigentumswohnung, der zumeist rechtlich unerfahren sei und die mit einem Ankauf verbundenen rechtlichen Problemen nicht abzuschätzen wisse, doch sei der Gesetzesbestimmung kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass § 23 WEG nur auf Personen anzuwenden wäre, die als Verbraucher im Sinn des KSchG handelten. Abgesehen davon sei die klagende Partei keineswegs ein professioneller Liegenschaftsverwerter oder Liegenschaftsverwalter. Die klagende Partei sei nur aus steuerlichen Gründen und von insofern rechtlich unerfahrenen Personen gegründet worden. Sie sei also wie ein typisch durchschnittlicher Käufer einer Liegenschaft anzusehen.

Einer dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten als Wohnungseigentumsorganisatorin unter Bezug auf § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 Gewährleistungsansprüche erheben könne und verneinte die Sittenwidrigkeit des Begehrens.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteiles im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens.

Die klagende Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliegt, ob wegen des erklärten Gesetzeszweckes - Schutz des rechtlich unerfahrenen Käufers - eine einschränkende Auslegung der Bestimmung des § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 dahin vorzunehmen sei, dass sie nur Verbrauchern zugutekommen solle und dementsprechend Gewährleistungsverzichtsvereinbarungen zwischen Unternehmern nicht entgegenstehe.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin zieht selbst nicht mehr in Zweifel, dass sie gegenüber der Klägerin als Wohnungseigentumsorganisatorin im Sinn des § 23 Abs 1 WEG 1975 (§ 2 Abs 6 WEG 2002) tätig wurde und daher § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 idF der Nov 1997 grundsätzlich zur Anwendung kommt. Sie beharrt jedoch nach wie vor auf dem Rechtsstandpunkt, wegen des konsumentenschutzrechtlichen Charakters dieser Norm komme diese Bestimmung nur Verbrauchern (offenbar im Sinn des KSchG) zugute. Maßgeblich sei daher zwischen den Parteien des Kaufvertrages vom 6. 2. 1998 der darin vereinbarte Verzicht auf eine bestimmte Beschaffenheit des Kaufgegenstandes.

Unbestritten blieb, dass dem Kaufvertrag kein Gutachten über den Bauzustand der allgemeinen Teile des Hauses insbesondere über in absehbarer Zeit notwendig werdende Erhaltungsarbeiten angeschlossen war, wie dies § 23 Abs 3 Z 4 WEG vorsieht.

Zu der von der Revisionswerberin vorgeschlagenen einschränkenden Auslegung des § 24 Abs 3 Z 4 WEG 1975 hat der erkennende Senat erwogen:

Voraussetzung einer teleologischen Reduktion einer Gesetzesbestimmung ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den "eigentlich gemeinten" Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (vgl F. Bydlinski in Rummel ABGB3 Rz 7 zu § 7 ABGB unter Hinweis auf EvBl 1988/21). Dieser Nachweis ist vor allem über den Gesetzeszweck zu führen. Damit versagt aber bereits das Argument der Beklagten bezieht es sich doch ausschließlich auf die Bestimmung des § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975. In diesem Zusammenhang ist aber der gesamte, im WEG 1975 vor allem in den Bestimmungen der §§ 23 bis 25 verwirklichte Erwerberschutz zu sehen. Das WEG 1975 bietet nirgendwo einen Anhaltspunkt dafür, dass die Anwendung seiner Bestimmungen auf Wohnungseigentumsbewerber deren Verbrauchereigenschaft im Sinne des KSchG voraussetzt. Es erscheint mit dem Zweck des Gesetzes auch nicht vereinbar, einzelne Bestimmungen des Erwerberschutzes derart einzuschränken. Dafür fehlt jede sachliche Rechtfertigung. Unabhängig davon ist die Beschreibung des Bauzustandes in dem nach § 23 Abs 3 Z 4 WEG zu übergebenden Gutachten als „bedungene Eigenschaft" im Sinn des § 922 Abs 1 ABGB zu verstehen (so nun ausdrücklich § 37 Abs 4 WEG 2002). Durch die Übergabe des Gutachtens bleibt daher ohnehin die volle Parteiendisposition gewahrt, ob und inwieweit der Verkäufer für einen bestimmten Erhaltungszustand des Gebäudes einzustehen hat (vgl T. Hausmann, "Die jüngsten Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes im Überblick", ecolex 1997, 336 f).

Damit besteht keine wie immer geartete sachliche Notwendigkeit und Begründbarkeit der Einschränkung der Erwerberschutzbestimmung des § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 (§ 37 Abs 4 WEG 2002) auf Liegenschaftskaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern im Sinn des KSchG. Das Gesetz stellt auch selbst klar, dass es sich bei dieser Regelung um eine relativ zwingende Bestimmung handelt. Der Einleitungssatz des § 23 Abs 3 WEG 1975 (vgl jetzt § 37 Abs 6 WEG 2002) legt nämlich diese Verpflichtung "vorbehaltlich weitergehender vertraglicher oder gesetzlicher Rechte der Wohnungseigentumsbewerber und Wohnungseigentümer, unabdingbar" fest. Ohne dass noch darauf eingegangen werden müsste, ob die Vereinbarung es sei "kein bestimmter Zustand bedungen" überhaupt als ein Verzicht auf die Regelung des § 23 Abs 3 Z 4 WEG 1975 verstanden werden könnte, wäre ein solcher jedenfalls unwirksam.

Zwischen den Vertragsparteien gilt demnach ein Erhaltungszustand des Gebäudes als vereinbart, der in den nächsten 10 Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordert.

Zutreffend haben daher die Vorinstanzen dem Grunde nach zu Recht erkannt, dass die Beklagte dem Kläger für die notwendig gewordenen und in absehbarer Zeit notwendig werdenden größeren Erhaltungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses zu haften hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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