OGH 12Os113/04

OGH12Os113/0416.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Petra S***** und Mag. Christoph P***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB - letzterer als Beitragstäter nach § 12 zweiter Fall StGB - über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Juni 2004, GZ 022 Hv 33/04p-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Petra S***** und Mag. Christoph P***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB - letzterer als Beitragstäter nach § 12 zweiter Fall StGB - schuldig erkannt.

Danach haben - soweit tatbestandsessentiell - in Wien

A) Petra S***** als Beamtin, und zwar als Bezirksanwältin, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, ihre Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem sie am 10. März 2003 an ihrem Arbeitsplatz bei der Staatsanwaltschaft Wien im Wege des EDV-Systems "Verfahrensautomation Justiz" dem Mag. Christoph P***** in das Geschäftsregister der Staatsanwaltschaft Korneuburg zu AZ 4 St 529/02f, welches ein Strafverfahren gegen den gesondert verfolgten Robert L***** und andere betraf, und in das korrespondierende Geschäftsregister des Landesgerichtes Korneuburg AZ 401 Ur 273/02k Einsicht gewährte und ihn darüber informierte, dass eine Überwachung der Telekommunikation angeordnet worden war;

B) Mag. Christoph P***** Anfang März 2003 Petra S***** zur Ausführung

der in Punkt A angeführten Straftat vorsätzlich bestimmt, indem er die Genannte aufforderte, in das Geschäftsregister der Staatsanwaltschaft Korneuburg bzw des Landesgerichtes Korneuburg zu den oben bezeichneten Verfahren Einsicht zu nehmen, ihn über die Registereintragungen zu informieren und ihm eine Fallansicht zur ermöglichen, wobei er einen vorsätzlichen Befugnismissbrauch der Petra S***** für gewiss hielt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten Petra S***** und Mag. Christoph P***** aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a, von der Erstangeklagten überdies aus dem Grund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht berechtigt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Petra S*****:

Der eingangs der Mängelrüge (Z 5) erhobene Vorwurf, die Annahmen zur subjektiven Tatseite (Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs und Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung zu schädigen) seien mangelhaft begründet, weil sich das Erstgericht mit ihrer "dieses innere Vorhaben in Abrede stellenden Verantwortung, insbesondere dem Zweitangeklagten vom Umstand der Telefonüberwachung keine Mitteilung gemacht zu haben, in keiner Weise auseinandergesetzt hat", geht fehl, weil die Beschwerdeführerin die Begehung der ihr angelasteten Tathandlungen überhaupt bestritten hat. Das Vorbringen, die im Urteil genannten (zusammenfassenden) Prämissen würden einen Schluss auf die Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs nicht zulassen, stellt keine gesetzmäßige Ausführung des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) dar, weil damit nicht die Unmöglichkeit der kritisierten Deduktion aufgezeigt, sondern bloß die mängelfreie Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft wird.

Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen hat das Erstgericht - entgegen der Rüge - mit dem Hinweis auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung vom 5., 7. und 10. März 2003 sowie der daraus abgeleiteten Widersprüchlichkeit und Lebensfremdheit der leugnenden Verantwortungen der beiden Angeklagten (US 5, 14 und 15) logisch und empirisch einwandfrei begründet.

Der Beschwerde zuwider haben sich die Tatrichter dabei auch eingehend mit den Gesprächsinhalten der oben bereits zitierten Telefonüberwachungsprotokolle auseinandergesetzt und unter Bezugnahme auf die Chronologie der Computerabfragen und den daraus resultierenden jeweiligen Wissensstand des Zweitangeklagten einen mängelfreien Schluss auf die inkriminierten Tathandlungen gezogen (US 15). Eine eingehendere Befassung mit der - damit konkludent abgelehnten - Verantwortung des Angeklagten Mag. P*****, wonach er von der Telefonüberwachung keine Kenntnis und seinem Mandanten am Telefon die Unwahrheit gesagt habe, um Aktivitäten und Einflussmöglichkeiten vorzutäuschen, war mit Blick auf das Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht erforderlich.

Dies gilt auch für das Ergebnis der Telefonüberwachung vom 5. März 2003, wonach der Zweitangeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt gegenüber seinem Mandanten L***** behauptete, sich bei der Erstangeklagten „schlau gemacht" zu haben (S 7).

Aus welchem Grund der Umstand, dass die Zulässigkeit der Telefonüberwachung im Verfahren gegen Robert L***** "erst" durch die mit BGBl I 1999/28 erfolgte Verschärfung der in § 33 Abs 5 FinStrG genannten Sanktion ermöglicht worden war und die (nicht nachvollziehbare) Beschwerdebehauptung, wonach "der Gerichtsalltag zeigt", dass "in Finanzstrafverfahren jedoch auch seither nie mit Überwachung des Fernmeldeverkehrs vorgegangen wird, weil diese Maßnahme wohl auf Verbrechen gewisser Schwere beschränkt wird", der Annahme der subjektiven Tatseite irgend eines Tatbeteiligten entgegenstehen sollte, wird in der Rüge nicht dargetan und ist auch sonst nicht einsichtig.

Soweit die Beschwerde weitwendig eine Auseinandersetzung mit der Frage vermisst, ob „sämtliche eine Schädigung herbeizuführen geeignete Umstände (Telefonüberwachung, kein Haftbefehl) nicht ohnehin bereits seit längerem dem Mandanten des Zweitangeklagten (Robert L*****) bekannt waren", betrifft sie keine entscheidende Tatsache, weil zur Vollendung des Verbrechens des Missbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB der Eintritt eines Schadens nicht erforderlich ist, der Täter vielmehr sogar dann nach § 302 StGB strafbar ist, wenn der Schaden, den er in seinen Vorsatz aufgenommen hat, gar nicht eintreten kann (Bertel in WK2 § 202 Rz 119; 15 Os 71/99).

Dass wesentliche Informationen, insbesondere der Name der Erstangeklagten, fernmündlich von Mag. P***** an Robert L***** weitergegeben wurden, steht der Annahme der von der Beschwerdeführerin vermittelten Kenntnis des Zweitangeklagten vom Inhalt des Geschäftsregisters der Staatsanwaltschaft Korneuburg nicht entgegen und bedurfte daher auch keiner Erörterung im Urteil, ist doch der Zweitangeklagte - wie den Feststellungen zweifelsfrei zu entnehmen ist (siehe insbesondere US 10 iVm ON 11 und S 69) - davon ausgegangen, dass die Telefonüberwachung zwar beantragt, von der Untersuchungsrichterin aber noch nicht angeordnet war. Weshalb die Tatsachen, dass einerseits die Eintragung der (nunmehr nicht bloß möglichen sondern gewissen) Telefonüberwachung trotz diesbezüglicher Beschränkung der Akteneinsicht im Register aufschien und zahlreiche Berechtigte im Bundesgebiet darauf Zugriff hatten, andererseits aber weder der Überwachungszeitraum noch die betroffenen Telefonnummern ersichtlich waren, für die Lösung der Schuldfrage oder die Subsumtion von entscheidender Bedeutung sein sollten, wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargetan, sodass die diesbezüglichen Einwände einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich sind. Im Hinblick darauf, dass überwachte Teilnehmeranschlüsse in den Registern nicht aufschienen, ist dem Beschwerdevorbringen, es wäre "geradezu grotesk" anzunehmen, dass Informationen wie der Name der Beschwerdeführerin ... am Telefon besprochen würden, wenn der Zweitangeklagte gerade erfahren hätte, dass dieses überwacht wird, sinnfällig die argumentative Grundlage entzogen.

Da dem Schuldspruch allein die Information betreffend die Überwachung der Telekommunikation zugrunde gelegt wurde, erübrigt es sich, auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage einzugehen, welche Bedeutung "den Äußerungen des Zweitangeklagten, dass kein Haftantrag gestellt worden sei", beizumessen ist.

Eine dahin gehende Feststellung, dass allein das Aufrufen des Falles am Bildschirm schon eine Beeinträchtigung von Hoheitsrechten darstelle, hat das Erstgericht gar nicht getroffen (siehe US 3, 4 und 16), sodass das gesamte diesbezügliche Vorbringen (etwa zu der Untersuchungsrichterin unterstellten "Nachlässigkeit", zu Vorhaben des Bundesministeriums für Justiz oder zur im hier aktuellen Bereich geradezu absurden Auskunftspflicht der Behörden) schon aus diesem Grund ins Leere geht. Das Erstgericht hat vielmehr den (tätergewollten) Schadenseintritt mit dem Umstand verknüpft, dass die Erstangeklagte (dem nicht berechtigten) Mag. Christoph P***** Einsichtnahme in das Geschäftsregister der Staatsanwaltschaft gewährte und ihn von der (angeordneten) Telefonüberwachung auch fernmündlich informierte.

Der Schädigungsvorsatz wurde mit dem Hinweis auf die Art der Tathandlungen und den Wissensstand der beiden Angeklagten (einer erfahrenen Bezirksanwältin bzw eines langjährigen Rechtsanwaltsanwärters) fallbezogen hinreichend begründet, ergibt sich doch schon aus der Natur der Sache als selbstverständlich, dass die Bekanntgabe einer Telefonüberwachung den Zweck der Maßnahme völlig vereitelt und damit die konkrete Strafverfolgung gefährdet. Weshalb zur Beurteilung der subjektiven Tatseite eine fundierte Auseinandersetzung mit den sachlichen Grundlagen der Registerführung sowie der Registerabfragen erforderlich gewesen wäre, legt die Beschwerde nicht näher dar; der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund wird damit nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 285a Z 2 StPO). Nach Prüfung der Akten anhand des Vorbringens zur Tatsachenrüge (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen.

Die Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 lit a und 10), die einen Mangel an Feststellungen zum Schädigungsvorsatz behaupten, argumentieren nicht auf Grundlage der Urteilsannahmen, hat doch das Erstgericht ausdrücklich konstatiert, dass die Angeklagte mit dem Vorsatz handelte, den Staat in seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung des vom Zweitangeklagten vertretenen Robert L***** zu schädigen (US 3, 9 und 16).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. Christoph P*****:

Das Vorbringen zur Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5a) entspricht inhaltlich dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen der Erstangeklagten, weshalb zu ihrer Beantwortung der Hinweis auf deren Erledigung genügt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach es an Feststellungen zur konkreten Rechtsschädigung fehlt, unterlässt es auf der Grundlage des anzuwendenden Gesetzes (§ 302 Abs 1 StGB) darzutun, weshalb es zur Deliktsvollendung neben dem deliktsspezifischen Vorsatz auch noch des (vom Täter gewollten) Schadenseintritts bedurfte (Bertel in WK2 § 312 Rz 119; 15 Os 71/99)

Welche zusätzlichen Feststellungen in Anbetracht der mit der Offenbarung der Telefonüberwachung verbundenen Vereitelung ihres Zwecks vermisst werden, bezeichnet die Beschwerde gleichfalls nicht deutlich und bestimmt (§ 285a Z 2 StPO).

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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