OGH 6Ob287/04f

OGH6Ob287/04f15.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei 1) F***** und 2) Dr. Hans K*****, beide vertreten durch Gheneff-Rami Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen, Widerrufs und Veröffentlichung des Widerrufs, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 1. Oktober 2004, GZ 2 R 168/04x-10, mit dem die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 28. Juni 2004, GZ 19 Cg 88/04v-4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil ist danach zu treffen, ob die Behauptung - wenigstens in ihrem Tatsachenkern - erwiesen werden kann oder ob es sich um eine unüberprüfbare Meinungskundgebung handelt (RIS-Justiz RS0079408). Bei der Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, kommt es auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an. Maßgebend ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers (RIS-Justiz RS0031883). Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts, demnach auch die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder reines Werturteil, ist eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des jeweiligen Falls, insbesondere von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang abhängt (6 Ob 41/01z). Infolge ihrer Einzelfallbezogenheit kommt dieser Frage grundsätzlich keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zu. Der von der Rechtsmittelwerberin zitierten Entscheidung des EGMR lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde und zwingt hier nicht dazu, die beanstandete Äußerung als bloßes, auf einem wahren Tatsachenkern beruhendes Werturteil aufzufassen.

Nach § 1330 Abs 2 ABGB haftet zwar auch, wer verursacht, dass eine unwahre und ehrenrührige Tatsachenbehauptung eines Dritten einem größeren Personenkreis bekannt wird (SZ 68/136). Hier geht es aber nur darum, ob für die Leser der Tageszeitung der Klägerin der Eindruck entstand, dass sich die Klägerin bzw der Verfasser des Artikels über das Interview mit den Meinungskundgebungen und Behauptungen des Interviewpartners identifizierte. Ob eine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfand, ist eine Frage des Einzelfalls (6 Ob 12/00h ua). Die Ansicht der Vorinstanzen, dass für das Leserpublikum der Klägerin erkennbar war, dass sie bloß Äußerungen des interviewten EU-Politikers wertneutral wiedergab und diesem lediglich die Möglichkeit zu einem Auftritt im Rahmen eines "Meinungsforums" bot, stellt keine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung dieses Einzelfalls dar.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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