OGH 10Ob75/04h

OGH10Ob75/04h23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Fellinger, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Fabio P*****, geboren am 14. September 1994, *****, vertreten durch das Land Niederösterreich als Unterhaltssachwalter, dieses vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Amstetten, 3300 Amstetten, Preinsbacherstraße 11, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 15. Juni 2004, GZ 23 R 169/04g-11, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien der Beschluss des Bezirksgerichtes Haag vom 19. April 2004, GZ 1 P 155/03w-6, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Haag vom 26. 9. 2003, GZ 1 C 66/02h-16, wurde Kean F***** (oder F*****), der in diesem Verfahren wegen unbekannten Aufenthaltes von einem Abwesenheitskurator vertreten wurde, als außerehelicher Vater des am 14. September 1994 geborenen Minderjährigen festgestellt und zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von EUR 250 ab 1. 4. 2001 verpflichtet.

Gegen dieses Urteil erhob der Vater durch den bestellten Abwesenheitskurator rechtzeitig Berufung, mit welcher sowohl die Feststellung der Vaterschaft als auch die Festsetzung des Unterhaltsbeitrages bekämpft wurde.

Mit Antrag vom 28. 10. 2003 begehrte der durch die Bezirkshauptmannschaft Amstetten als Unterhaltssachwalter vertretene Minderjährige die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 4 UVG in der Höhe von EUR 250 monatlich mit der Begründung, die Vaterschaft des Kean F***** sei in erster Instanz festgestellt worden, es sei jedoch gegen das Urteil vom Vater Berufung erhoben worden.

Vom Erstgericht wurde dieser Antrag zunächst kalendiert, da aufgrund der vom Vater erhobenen Berufung "begründete Bedenken" gegen den Vorschusstitel nach § 4 Z 4 UVG bestünden, weshalb das Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens abzuwarten sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 17. 12. 2003, GZ 37 R 372/03m, 37 R 373/03h-24, wurde der Berufung hinsichtlich der Feststellung der Vaterschaft nicht Folge gegeben und das Ersturteil insoweit als Teilurteil bestätigt. Hingegen wurde der Berufung gegen die Festsetzung der Unterhaltsbeiträge Folge gegeben; das Ersturteil wurde insoweit aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Diese Entscheidung wurde den Parteien des Verfahrens am 26. 1. 2004 zugestellt.

Aufgrund dieser Entscheidung gewährte das Erstgericht dem Minderjährigen mit Beschluss vom 19. 4. 2004, GZ 1 P 155/03w-6, Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 4 UVG in der Höhe von EUR 250 monatlich für die Zeit vom 1. 10. 2003 bis 31. 12. 2003. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Minderjährige für den Zeitraum von der Antragstellung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Vaterschaftsverfahrens Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 4 UVG habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien Folge und änderte die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Abweisung des auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 4 UVG in Höhe von monatlich EUR 250 ab 1. 10. 2003 gerichteten Antrages ab. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt. Das Rekursgericht führte in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus, dass zum Zeitpunkt der Vorschussgewährung in erster Instanz die Vaterschaft bereits festgestanden sei, aber die Aufhebung des Ersturteiles hinsichtlich der Unterhaltsfestsetzung bereits vorgelegen sei. Es habe damit im Zeitpunkt der Vorschussgewährung kein Unterhaltstitel mehr bestanden. Damit sei im Zeitpunkt der Vorschussgewährung der für die Gewährung eines Unterhaltsvorschusses nach § 4 Z 4 UVG erforderliche Unterhaltstitel nicht vorgelegen, weshalb der Antrag nicht berechtigt sei. Die Gründe, weshalb das Erstgericht über den im Oktober 2003 eingelangten Antrag des Minderjährigen auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen erst knapp 6 Monate später entschieden habe, seien für die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes irrelevant. Da zu dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - soweit für das Rekursgericht überblickbar - noch keine veröffentlichte Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege, sei auszusprechen, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der (erkennbar) auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs des Minderjährigen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 4 Z 4 UVG sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind in erster Instanz festgestellt und einem mit der Klage auf Feststellung der Vaterschaft verbundenen Unterhaltsbegehren entweder, zumindest mit einem Teilbetrag, in erster Instanz stattgegeben oder hierüber für den Fall der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft ein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden ist.

Die Voraussetzungen für die Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG sind somit zum einen die Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind durch ein Urteil erster Instanz und zum anderen die zumindest teilweise Stattgebung des mit der Feststellungsklage verbundenen Unterhaltsbegehrens bzw der Abschluss eines "bedingten" Unterhaltsvergleichs für den Fall der Vaterschaftsfeststellung. Durch diesen Vorschusstatbestand sollte Klagen Rechnung getragen werden, dass während der oft recht langen Dauer des Verfahrens zur Feststellung der Vaterschaft keine Unterhaltsvorschüsse geleistet werden konnten und Väter häufig durch aussichtslose Rechtsmittel ihre Heranziehung zur Unterhaltsleistungen verzögerten. § 4 Z 4 UVG sieht daher die Leistungen von Unterhaltsvorschüssen auch vor Eintritt der Rechtskraft des Vaterschaftsfeststellungsurteiles vor. Der Gesetzgeber ließ sich hiebei von der Erwägung leiten, dass es verhältnismäßig selten vorkommt, dass das Urteil erster Instanz, mit dem die Vaterschaft festgestellt wird, in der Folge geändert wird (RV 276 BlgNR 15. GP 10 f), und nimmt dabei in Kauf, dass bei rechtskräftiger Abweisung der Vaterschaftsfeststellungsklage die ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse mangels Rechtsgrundlage nicht einbringlich gemacht werden können. Für die Zeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens auf Feststellung der Vaterschaft wird gleichsam das Vorhandensein eines Unterhaltsschuldners und eines rechtswirksamen Exekutionstitels fingiert (EvBl 1993/79, SZ 63/130; Neumayr in Schwimann, ABGB² Rz 73 zu § 4 UVG mwN ua).

Als maßgeblicher Zeitpunkt der Vaterschaftsfeststellung durch ein erstinstanzliches Urteil gilt nach herrschender Ansicht jener, ab dem das Gericht an seine Entscheidung iSd § 416 Abs 2 ZPO gebunden ist, weil zu diesem Zeitpunkt das Ersturteil existent wird, auch wenn es dem festgestellten Vater und Unterhaltsschuldner noch gar zugestellt wurde. Wird das erstinstanzliche, auf Feststellung der Vaterschaft lautende Urteil aufgehoben, fällt mit der Beseitigung dieses Urteils eine der beiden Voraussetzungen für die Vorschussgewährung weg. Ein von der zweiten (oder dritten) Instanz zur Verfahrensergänzung aufgehobenes Vaterschaftsurteil kann daher nicht die Grundlage für eine Bevorschussung nach § 4 Z 4 UVG sein. Ab der Bindung des Berufungsgerichtes an seinen Aufhebungsbeschluss liegt nach der Rechtsprechung der Einstellungsgrund nach § 20 Abs 1 Z 4 lit a UVG vor, nicht jedoch bereits rückwirkend mit dem Zeitpunkt der Vorschussgewährung (EvBl 1993/79; Neumayr aaO Rz 75 ff mwN ua). Vorschüsse nach § 4 Z 4 UVG dürfen einem Kind nach § 8 Satz 2 UVG nur "bis zur rechtskräftigen Beendigung des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens" gewährt werden, wobei darunter das gesamte im § 4 Z 4 UVG umschriebene Verfahren, nämlich das Verfahren über die Klage auf Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind und über das damit verbundene Unterhaltsbegehren, zu verstehen ist (SZ 69/52).

Die Höhe des Vorschusses nach § 4 Z 4 UVG richtet sich nicht nach den Richtsätzen des § 6 UVG, sondern nach der - wenn auch noch nicht rechtskräftig bzw rechtswirksam festgestellten - Unterhaltspflicht des Vaters (§ 5 Abs 1 Satz 2 UVG). Wird das Unterhaltsbegehren gegen den festgestellten Vater im erstinstanzlichen Verfahren fallengelassen oder abgewiesen, fehlt es daher an der Voraussetzung für eine Bevorschussung nach § 4 Z 4 UVG. Begründete Bedenken iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG sind auch bei Vorschüssen nach § 4 Z 4 UVG wahrzunehmen (Neumayr aaO Rz 81 zu § 4 UVG mwN). Nichts anderes kann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - das erstinstanzliche, auf Leistung eines Unterhaltsbeitrages lautende Urteil aufgehoben wird und mit dem Aufhebungsbeschluss der Unterhaltstitel (als eine der beiden Voraussetzungen für die Vorschussgewährung) wegfällt. Wird das Urteil erster Instanz vom Berufungsgericht aufgehoben und verliert dadurch ein Unterhaltstitel seine Rechtswirksamkeit, liegt ebenfalls ein Einstellungsgrund iSd § 20 Abs 1 Z 4 lit a UVG vor (EvBl 1993/79, 7 Ob 2116/96v ua). Eine Unterhaltsbevorschussung nach § 4 Z 4 UVG setzt daher voraus, dass neben der urteilsmäßigen Feststellung der Vaterschaft auch eine Verpflichtung des Vaters zu Unterhaltsleistungen aufgrund der zumindest teilweisen Stattgebung des mit der Feststellungsklage verbundenen Unterhaltsbegehren oder des Abschlusses eines "bedingten Unterhaltsvergleiches" für den Fall der Vaterschaftsfeststellung vorliegt. Auf diese noch nicht rechtskräftige Unterhaltsverpflichtung könnten dann Vorschüsse im Ausmaß des durch Urteil oder Vergleich zuerkannten Betrages (§ 5 Abs 1 Satz 2 UVG) gewährt werden. Da im vorliegenden Fall durch die Entscheidung des Berufungsgerichtes vom 17. 12. 2003 die erstgerichtliche Unterhaltsfestsetzung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen wurde, ist damit der für die Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG erforderliche Unterhaltstitel weggefallen. Es fehlte daher zu dem für die Beurteilung maßgebenden Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Erstgericht an der Voraussetzung des Vorliegens eines Unterhaltstitels für die beantragte Unterhaltsbevorschussung, weshalb der Antrag auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses abzuweisen war. Wenn der Revisionsrekurswerber meint, Verzögerungen im Gerichtsbetrieb dürften sich nicht zu seinem Nachteil auswirken, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass dieser Gesetzeszweck der Einführung des § 4 Z 4 UVG über die Leistung von Unterhaltsvorschüssen auch vor Eintritt der Rechtskraft des Vaterschaftsfeststellungsurteiles zugrunde liegt (SZ 63/130). Auch wenn die konkrete Vorgangsweise des Erstgerichtes (Kalendierung des Antrages bis zum Vorliegen der Rechtsmittelentscheidung) außerhalb des Einflussbereiches eines Antragstellers gelegen ist, ist im Gesetz eine Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG, ohne dass die wie aufgezeigt erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, nicht vorgesehen.

Dem Revisionsrekurs konnte daher aus allen diesen Erwägungen kein Erfolg beschieden sein.

Stichworte