OGH 15Os76/04

OGH15Os76/0418.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin in der Strafsache gegen Saban S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 6. April 2004, GZ 417 Hv 1/04m-135, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, sowie des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Peter Philipp zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Saban Nihat S***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 23. Jänner 2003 in Wien Yahya C***** durch Versetzen von zumindest 15 Messerstichen in den Hals- und Brustbereich vorsätzlich getötet hat. Die Geschworenen bejahten, soweit vorliegend von Bedeutung, die anklagekonforme Hauptfrage nach Mord und ließen demzufolge die in Richtung Totschlag gestellte Eventualfrage unbeantwortet. Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Die Instruktionsrüge behauptet eine irreführende Unvollständigkeit der den Geschworenen erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung zur Eventualfrage nach Totschlag. Im Hinblick auf Verfahrensergebnisse in Richtung eines auf Eifersucht beruhenden tataktuellen Affektsturmes hätte sich nach Ansicht des Beschwerdeführers die Rechtsbelehrung mit der Frage, ob auch Eifersucht eine Gemütsbewegung im Sinn des § 76 StGB darstellen könne, auseinandersetzen und erörtern müssen, ob Eifersucht als Auslöser einer Gemütsbewegung im Sinn jenes Tatbestandes allgemein begreiflich sein kann oder als Charaktermangel des Angeklagten eine "Qualifikation" der ihm angelasteten Tat nach § 76 StGB von vornherein ausschließe.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 321 Abs 2 StPO hat die den Geschworenen zu erteilende schriftliche Rechtsbelehrung neben der Klarstellung des Verhältnisses der einzelnen Fragen zueinander sowie der Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes - somit nach abstrakten Gesichtspunkten ohne Bezugnahme auf konkrekte Tatumstände (vgl Mayerhofer/Hollaender, StPO5 § 321 E 8a) - zu enthalten.

Die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zu Grunde liegenden Sachverhalt ist Gegenstand der im Anschluss an die Rechtsbelehrung durchzuführenden Besprechung (§ 323 Abs 2 StPO). Deren Inhalt kann nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden (vgl Mayerhofer/Hollaender, StPO5 § 323 E 1 sowie § 345 Z 8 E 2). Die vom Beschwerdeführer vermisste Erörterung konkreter Umstände des Falles wurde somit gesetzeskonform in die schriftliche Rechtsbelehrung nicht aufgenommen.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen. Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es drei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen (zuletzt vom 31. Oktober 2002), die heimtückische und grausame Begehung der Tat, den Umstand, dass der Angeklagte bei der Tat die Wehr- oder Hilflosigkeit des Opfers ausnützte, und sein Verhalten nach der Tat, indem er die minderjährigen Kinder alleine mit dem getöteten Opfer in der Wohnung zurückließ, als erschwerend und keinen Umstand als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe an.

Vom Erstgericht wurde jedoch entgegen dem Berufungsvorbringen dem gravierenden Handlungs- und Gesinnungsunwert unter Berücksichtigung des einschlägig belasteten Vorlebens des Angeklagten durch Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe angemessen Rechnung getragen. Er selbst gab in der Hauptverhandlung an, am frühen Morgen des 23. Jänner 2003 mit nachgemachten Schlüsseln in die Wohnung seiner geschiedenen Frau gelangt zu sein, nachdem sie sich zur Arbeit begeben hatte, auf den unbewaffneten Mann, den er im Schlafzimmer antraf, mit dem Messer ab jenem Moment eingestochen zu haben, als dieser sich zum Bett bückte, den Wehrlosen mit zahlreichen Stichen getötet und dann unter Zurücklassung seiner Kinder die Wohnung verlassen zu haben. Der Angeklagte betonte, dass er auch seine frühere Frau umgebracht hätte, wenn er sie mit dem Mann im Bett vorgefunden hätte. Er wies auch über das Tatgeschehen hinaus auf seine Gewaltbereitschaft hin (S 421, 425 bis 431, 437, 443 f, 451 bis 457, 463/II).

Die besondere Intensität des Angriffs und die Wehrlosigkeit des Opfers gehen auch aus den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen hervor (S 499 ff/II).

Unter Abwägung der Zahl und des Gewichtes der Strafzumessungsgründe sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) ist eine lebenslange Freiheitsstrafe sowohl der gravierenden Täterschuld als auch dem bedeutenden Unrechtsgehalt der Tat angemessen.

Demgemäß musste auch die Berufung erfolglos bleiben. Über den Angeklagten wurde im Verfahren 052 E Hv 170/02b des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Urteil vom 31. Oktober 2002 eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt. Diese bedingte Nachsicht wurde zugleich mit dem angefochtenen Urteil unter Bezugnahme auf § 55 Abs 1 StGB widerrufen.

Der dagegen gerichteten Beschwerde ist zwar darin beizupflichten, dass die Heranziehung der genannten Bestimmung verfehlt war, weil die Urteile zu einander nicht im Verhältnis des § 31 StGB stehen. Für den Angeklagten ist jedoch daraus im Ergebnis nichts zu gewinnen. Die erwähnte Vorstrafe beruht auf einer Vielzahl von Gewaltdelikten. Sie vermochte den Angeklagten, der schon damals das Haftübel im Zuge einer Untersuchungshaft verspürte, nicht von massiv aggravierter Straffälligkeit nach nicht einmal drei Monaten der mit drei Jahren bestimmten Probezeit abzuhalten. Demnach war der Widerruf gemäß § 53 Abs 1 StGB geboten.

Daher war auch der Beschwerde ein Erfolg zu versagen. Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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