Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
David S***** wurde aufgrund einer Vormerkung im Schengener Informationssystem (§ 95 SDÜ - Auslieferung nach Frankreich zur Vollstreckung einer siebenjährigen Freiheitsstrafe) und eines deshalb erlassenen Inlandshaftbefehles des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. Mai 2000 (ON 2, 3 der Akten 28a Vr 4526/00) am 14. Juni 2000 um 17.15 Uhr verhaftet (S 115/I der Vr-Akten), am 17. Juni 2000 in Auslieferungshaft (§ 29 ARHG) genommen (S 149/I) und am 20. Juni 2000 um 12.00 Uhr wieder enthaftet (S 150/I; ON 18).
Seit 15. Juni 2000 (siehe Aktenübersicht) stand den die Haftfrage bearbeitenden Organen eine Kopie des Urteiles des Tribunal de Grande Instance de Bobigny, 13. Kammer, vom 18. März 1997, Strafsachen-Nr 9526205040, samt dessen Übersetzung ins Deutsche (ON 7, 8) zur Verfügung. Diesem war zu entnehmen, dass David S***** im August 1995 telephonisch von Wien aus einem später in Frankreich mit 1.639,2 Gramm Kokain festgenommenen, aus Südamerika eingereisten Drogenkurier Anweisungen über sein weiteres Verhalten mit dem Suchtgift gegeben hatte (S 99, 103/I) und dafür nach näher genannten (im wesentlichen § 28 Abs 2 SMG entsprechenden) französischen Tatbeständen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war.
Am 16. Juni 2000 langte beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein Schriftsatz (des Verteidigers) des David S***** ein (ON 15), in dem dieser einen Verstoß der begehrten Auslieferung gegen § 16 Abs 3 ARHG iVm Art 7 EuAlÜbk sowie unter Hinweis auf das Verfahren AZ 4b Vr 9252/95 des genannten Gerichtshofes erster Instanz eine innerstaatliche Erledigung des beschriebenen Vorwurfes und somit eine Verletzung des ne-bis-in-idem-Gebotes des Art 54 SDÜ durch das französische Urteil (und das darauf gegründete Auslieferungsersuchen) behauptete. Diesen seit 16. Juni 2000 den Auslieferungsakten angeschlossenen Akten ist indes weder Verurteilung noch Freispruch zu dem vom französischen Urteil betroffenen Faktum zu entnehmen. Die Auslieferungsunterlagen (ON 30) langten am 4. August 2000 beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein. Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 21. Februar 2001, AZ 22 Ns 32/00, ON 36 der Vr-Akten, wurde die begehrte Auslieferung zur Strafvollstreckung für unzulässig erklärt. Im deshalb eingeleiteten Inlandsverfahren gab die Staatsanwaltschaft in der Folge die Erklärung nach § 90 Abs 1 StPO ab.
David S***** begehrte daraufhin die Zuerkennung einer "Haftentschädigung" (ON 43 - offensichtlich gestützt auf § 2 Abs 1 lit b StEG), was die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien nach öffentlicher Anhörung (ON 51) mit Beschluss vom 6. Februar 2002 zurückwies (ON 52). Dagegen erhob der Entschädigungswerber Beschwerde und verband damit den Antrag, ihm wegen Verstoßes gegen Art 7, 8 EuAlÜbk (auch) Entschädigung nach § 2 Abs 1 lit a StEG zu gewähren (ON 56).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien nach öffentlicher Verhandlung einerseits der Beschwerde nicht Folge und verwehrte andererseits den Zuspruch eines auf § 2 Abs 1 lit a StEG gestützten Ersatzes.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den letztgenannten Punkt von David S***** erhobene Beschwerde ist nicht berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber ist eingangs daran zu erinnern, dass bei Prüfung des Anspruches nach § 2 Abs 1 lit a StEG allein auf den Erhebungsstand abzustellen ist, wie er sich den staatlichen Organen im Zeitpunkt der als gesetzwidrig erachteten Anordnung oder Verlängerung einer Anhaltung bot (Mayerhofer NG4 E 2b; Fabrizy StPO9 Anm 1 - beide zu § 2 StEG). Die Auslieferungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien hatte daher jedenfalls außer Betracht zu bleiben.
Nach dem hier relevanten Inhalt der Art 7, 8 EuAlÜbk kann ein ersuchter Staat die Auslieferung einer verlangten Person wegen einer strafbaren Handlung ablehnen, die nach seinen Rechtsvorschriften ganz oder zum Teil in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde oder wenn er diese Person wegen Handlungen verfolgt, derentwegen um Auslieferung ersucht wird.
Aus Wortlaut und Zusammenhang dieser ein Ermessen einräumenden Bestimmungen sowie unter Bedacht auf die dazu von Österreich abgegebene Erklärung - wonach die Bewilligung der Auslieferung voraussetzt, dass (auch) wegen einer anderen strafbaren Handlung ausgeliefert wird und die Aburteilung wegen aller strafbaren Handlungen durch die Justizbehörden des ersuchenden Staates im Interesse der Wahrheitsfindung oder aus Gründen der Strafzumessung und des Strafvollzuges zweckmäßig ist - und auf die für die Ermessensübung bedeutsame subsidiäre Vorschrift des § 16 (vor allem Abs 2 Z 2) ARHG - der auf Zweckmäßigkeitserwägungen im Erkenntnis- und Vollzugsverfahren abstellt - erhellt, dass zu den entscheidungsrelevanten Zeitpunkten die Auslieferung zur Strafvollstreckung keineswegs auszuschließen war. Die oben erwähnte Erklärung Österreichs zum multilateralen Auslieferungsvertrag steht jedenfalls nicht einer Auslieferung zur Strafvollstreckung grundsätzlich entgegen, weil das Erfordernis der Akzessorietät ersichtlich bloß auf den Fall der Auslieferung zur Strafverfolgung abstellt (arg "Aburteilung"; vgl RV 967 BlgNR XI. GP 23, 24). Weder unter dem vom Entschädigungswerber in seinem Antrag relevierten Gesichtspunkt noch - so sei der Vollständigkeit halber bemerkt - mit Blick auf Art 54 SDÜ (selbst für den Fall eines "Verschweigens" durch die Staatsanwaltschaft - § 263 StPO - wären die Voraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt, vgl zusätzlich zu den im Gesetz ausdrücklich angeführten Parametern die Entscheidung des EuGH vom 11. Februar 2003, C-187/01 , 385/01, Gözütok und Brügge) war die Anhaltung mit Gesetzwidrigkeit belastet.
Ein Anspruch nach § 2 Abs 1 lit a StEG besteht daher nicht und es war die Beschwerde sohin abzuweisen.
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