OGH 2Ob244/04b

OGH2Ob244/04b4.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arno L*, vertreten durch Mag. Kurt Oberleitner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1) David Jürgen R*, 2) * V* GmbH, * und 3) * Versicherung AG, *, alle vertreten durch Dr. Kleinszig und andere Rechtsanwälte in St. Veit/Glan, wegen EUR 5.697 und Feststellung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 2. Juni 2004, GZ 3 R 45/04h‑27, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 22. Oktober 2003, GZ 3 C 1137/03k‑10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:E75123

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 574,30 (darin enthalten USt von EUR 95,72, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

 

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Am 17. 8. 2002 ereignete sich gegen 9.40 Uhr auf einer Freilandstraße ein Unfall, an dem der Kläger als Lenker eines Rennfahrrades und der Erstbeklagte als Lenker des von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Zugfahrzeuges mit Sattelauflegeranhänger, auf dem ein Milchtankwagen montiert war, beteiligt waren. Der Erstbeklagte hat den Milchtankwagen wegen der von den Landwirten im Bereich der östlichen Begrenzung einer Bushaltestelle abgestellten Milchcontainer so angehalten, dass die linke hintere Ecke des Anhängers noch 1,5 m in die Fahrbahn hineinragte. Er hatte vor dem Unfall sein Fahrzeug schon mindestens 10 Minuten bei laufendem Motor abgestellt, die Warnblinkanlage und das Licht waren eingeschaltet. Zwischen der linken hinteren Ecke und der Fahrbahnmitte blieb ein Durchfahrtsraum von 2,8 m offen; dieser hätte auch bei fließendem Verkehr die Durchfahrt eines LKW ermöglicht. Der klagende Radfahrer hatte eine Sicht auf das Heck des zum Stillstand gekommenen LKW‑Zuges von zumindest 170 m. Ein zumutbares Linksauslenken hätte noch in einer Position von 15,6 m bzw 17,8 m vor Erreichen des Hecks bei einer vom Kläger eingehaltenen Geschwindigkeit von 35 km/h bzw 40 km/h ausgereicht, um den Unfall zu vermeiden. Der Kläger fuhr mit seinem Fahrrad in gebückter Haltung, ohne auf den vor ihm liegenden Verkehrsablauf und auf die Fahrbahn zu achten, ungebremst auf den Anhänger auf.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und vertrat die Ansicht, den Erstbeklagten habe keine Verpflichtung getroffen, eine Warnvorrichtung aufzustellen, weil eine unübersichtliche Straßenstelle im Sinne des § 89 Abs 2 StVO nicht vorgelegen sei. Es sei den beklagten Parteien aber auch der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG gelungen. Nach den Feststellungen habe der Kläger bereits aus einer Entfernung von 170 m den LKW‑Zug registrieren und am Fahrzeug vorbeifahren können. Der Erstbeklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass hinter ihm herannahende Verkehrsteilnehmer das Hineinragen des Hecks des Hängers in die Fahrbahn wahrnehmen und entsprechend reagieren werden. Er hätte keinesfalls damit rechnen müssen, dass ein herannahender Verkehrsteilnehmer mit seinem Rennrad völlig unaufmerksam und in gebückter Haltung, den Blick nur zu Boden gerichtet, sein Fahrzeug übersehen und gegen das in die Fahrbahn hineinragende Heck des Hängers prallen werde.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil hinsichtlich des Einhaltens der äußersten Sorgfalt bei einem zur Betankung neben einer Freilandstraße abgestellten Fahrzeug eine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor allem auch in Ansehung des Zusammentreffens der Verschuldenshaftung mit einer Gefährdungshaftung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen wird aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan. Der Umfang der gemäß § 9 Abs 2 EKHG gebotenen Sorgfalt hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab (RIS‑Justiz RS0111708) weshalb insoweit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. Im Übrigen entspricht es auch der Rechtsprechung, dass bei krassem Mitverschulden des Geschädigten der Betriebsunternehmer oder Halter, dem der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG misslingt, nicht haftet, wenn die Nichtbeachtung der gebotenen Sorgfalt derart geringfügig ist, dass sie gegenüber dem schwerwiegenden Verschulden des Geschädigten zu vernachlässigen ist (Apathy, EKHG, § 7 Rz 29 mwN). Ob ein krasses Mitverschulden vorliegt, kann aber wiederum nur auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, liegt nicht vor, hatte jedoch der klagende Radfahrer aus 170 m Sicht auf den 1 m in die Fahrbahn ragenden Anhänger und fuhr letztlich ungebremst gegen diesen.

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt somit nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO.

Aber auch im Rechtsmittel des Klägers werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan. Dieser vertritt die Ansicht, der Erstbeklagte habe gegen § 24 Abs 1 lit e StVO verstoßen. Nach dieser Bestimmung ist das Halten und Parken im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels innerhalb von 15 m vor und nach den Haltestellentafeln während der Betriebszeiten des Massenbeförderungsmittels verboten. Aus dieser Bestimmung ergibt sich ganz eindeutig, dass der Schutzzweck der Norm nicht den Nachfolgeverkehr umfasst, besteht doch das Halte- und Parkverbot nur während der Betriebszeiten des Massenbeförderungsmittels. Aus einer allfälligen Verletzung dieser Bestimmung kann daher eine Ersatzpflicht des Klägers nicht abgeleitet werden. Insoweit sich der Kläger auf § 89 Abs 2 StVO beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den Feststellungen ganz eindeutig ergibt, dass die in dieser Norm zitierten Voraussetzungen (unübersichtliche Straßenstelle, durch Witterung bedingte schlechte Sicht, Dämmerung oder Dunkelheit) nicht gegeben waren.

Das Rechtsmittel des Klägers war sohin wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 4150 ZPO.

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