OGH 4Ob181/04b

OGH4Ob181/04b19.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei em. o. Univ. Prof. DDr. Dr. h.c. Hans F*****, vertreten durch Korn Frauenberger Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 27. Mai 2004, GZ 1 R 85/04h-16, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 25. März 2004, GZ 41 Cg 70/03g-12, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.754,82 EUR (darin 292,47 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

Die Vorinstanzen haben die vom Kläger verfasste Einleitung des Kommentars zum Arbeitsverfassungsgesetz 1975 als literarisches (wissenschaftliches) Werk im Sinn des § 2 Z 1 UrhG beurteilt. Ihre Auffassung steht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang, wonach der in § 2 Z 1 UrhG verwendete Begriff "Werk der Literatur und Kunst" alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdruckes umfasst, wie etwa Bücher, Vorträge und andere Schriftwerke, sofern sie auf einer eigentümlichen, das heißt individuell eigenartigen geistigen Leistung des Schöpfers beruhen, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt. Wissenschaftliche Sprachwerke müssen eine sich durch individuelle Darstellung auszeichnende sprachliche Schöpfung auf wissenschaftlichem Gebiet sein, deren äußere Form und/oder inhaltliche Gestaltung sich von vergleichbaren Werken deutlich abhebt (ÖBl 1997, 34 - Mutan-Beipackzettel; MR 1999, 347 - Ranking; MR 2003, 109 - Tischkalender; MR 2003, 162 Felsritzbild; Kucsko, Geistiges Eigentum Rn 1104 ff). Unter diesen Voraussetzungen wurde auch einem anwaltlichen Vertragsentwurf Werkcharakter zugebilligt (SZ 69/283 = ÖBl 1997, 256 - Head-Kaufvertrag).

Die angestrebte einstweilige Verfügung ist darauf gerichtet, der Beklagten zu untersagen, die vom Kläger verfassten bzw geschaffenen Abschnitte des Handkommentars 1975, insbesondere dessen Einleitung in bearbeiteter Form zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten bzw vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen.

Entscheidungswesentlich ist daher, ob die Einleitung des Kommentars zum Arbeitsverfassungsgesetz 2002 eine Bearbeitung des vom Kläger verfassten Werkes im Sinn des § 5 Abs 1 UrhG oder - wie die Beklagte meint - ein eigenständiges Werk im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG ist. Die Benützung eines Werks bei der Schaffung eines anderen macht dieses gemäß § 5 Abs 2 UrhG dann nicht zur Bearbeitung, wenn es im Vergleich zum benützten Werk ein selbständiges neues Werk ist. Für diese "freie Benützung" ist kennzeichnend, dass trotz des Zusammenhanges mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes selbständiges Werk vorliegt, demgegenüber das Werk, an das es sich anlehnt, vollständig in den Hintergrund tritt. An einer derartigen Freischöpfung besteht daher kein abhängiges, sondern ein selbständiges Urheberrecht, zu dessen Verwertung es keiner Einwilligung des Urhebers des benützten Werkes bedarf. Die freie Benützung setzt voraus, dass das fremde Werk nicht in identischer oder umgestalteter Form übernommen wird, sondern lediglich als Anregung für eigenes Werkschaffen dient (MR 1992, 238 - Servus Du; MR 1996, 111 - Happy Birthday II). Bei der vergleichenden Beurteilung des benützten und des neu geschaffenen Werks kommt es auf die Gesamtwirkung, den Gesamteindruck und nicht auf eine zergliedernde Beurteilung und Gegenüberstellung einzelner Elemente an. Die schöpferische Eigentümlichkeit des benützten Werks nicht bestimmende Elemente, wie etwa historisch überlieferte Ereignisse, bleiben dabei außer Betracht (MR 1992, 238 - Servus Du).

Die Beurteilung, ob das Originalwerk (die vom Kläger verfasste Einleitung zum Kommentar 1975) in ihren wesentlichen Zügen in der Einleitung zum Kommentar 2002 wiederkehrt oder aber die Züge des (als Anregung) benützten Werkes angesichts der Individualität des neu Geschaffenen verblassen, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls (hier dem konkreten Aufbau der Einleitung und den gewählten Formulierungen) ab, dass brauchbare Anhaltspunkte für die Beantwortung ähnlicher Fragen nicht zu erwarten sind. Die Vorinstanzen haben die Einleitung zum Kommentar 2002 angesichts ihres Inhalts und Aufbaus als selbständige Neuschöpfung im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG und nicht als Bearbeitung des vom Kläger verfassten Werks beurteilt. Eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen, zumal nach den Feststellungen des Rekursgerichts der überwiegende Teil der beanstandeten Passagen nicht aus dem Werk des Klägers stammt, sondern vom Verfasser der Einleitung 2002 schon in der Einleitung zum Betriebsverfassungsgesetz 1961 und 1973 formuliert wurde. Die übrigen Passagen, wie etwa die Erläuterung des Begriffs "kollektive Rechtsgestaltung" und die Anführung der darunter zu verstehenden Rechtsquellen wie auch die Schilderung von Gesetzwerdung und Inhalt des am 1. 7. 1974 in Kraft getretenen Arbeitsverfassungsgesetzes sind sowohl ihrem Inhalt als auch ihrer Formulierung nach durch die Materialien zum Arbeitsverfassungsgesetz vorgegeben - mögen sie auch daraus nicht wortwörtlich übernommen werden - und weisen keine den Gesamteindruck des klägerischen Werks und dessen schöpferische Eigentümlichkeit bestimmenden Inhalte auf. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass ihre (teilweise) Wiedergabe in der Einleitung zum Kommentar 2002 diesen nicht als Bearbeitung des klägerischen Werks erscheinen lasse, bedeutet daher keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Der Revisionsrekurs des Klägers wird mangels erheblicher Rechtsfragen zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihre Revisionsrekursbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

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