OGH 1Ob176/04w

OGH1Ob176/04w12.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Bernhard S*****, geboren am *****, der mj Melanie S*****, geboren am *****, und der mj Desiree S*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Wolfgang S*****, vertreten durch Mag. Christian Schönhuber, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 19. April 2004, GZ 21 R 92/04k-17, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Schwanenstadt vom 3. März 2004, GZ 1 P 109/03s-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in der Verpflichtung des Vaters zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 100 EUR je Kind ab 1. 9. 2003 und im Ausspruch über die Anrechnung des vom Vater in der Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2003 geleisteten Naturalunterhalts sowie in der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens (je 20 EUR monatlich für Bernhard und Melanie sowie 15 EUR monatlich für Desiree) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden im übrigen Umfang aufgehoben und dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die drei Minderjährigen, die im Haushalt ihrer Mutter leben, beantragten die Verpflichtung des Vaters zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeiträge von je 240 EUR für den mj Bernhard und die mj Melanie sowie von 195 EUR für die mj Desiree, jeweils rückwirkend ab 1. 9. 2003.

Der Vater erklärte sich mit einer monatlichen Unterhaltsleistung von 100 EUR je Kind einverstanden und wendete insbesondere ein, er habe bis einschließlich Dezember 2003 die gesamten Mietkosten für die von den drei Kindern und deren Mutter benutzte Wohnung im Betrag von monatlich 744 EUR gezahlt. Ein über sein Vermögen eröffnetes Schuldenregulierungsverfahren sei nach Bestätigung des Zahlungsplans aufgehoben worden. Um den Zahlungsplan erfüllen zu können, habe ihm sein Dienstgeber Gehaltsvorschuss gewährt, weshalb die pfändbaren Teile seines Einkommens nunmehr vom Dienstgeber zur Abdeckung des gewährten Gehaltsvorschusses einbehalten würden und er demnach "vom Existenzminimum leben" müsse.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zu monatlichen Unterhaltszahlungen ab 1. 9. 2003, und zwar von je 220 EUR für den mj Bernhard und die mj Melanie sowie von 180 EUR für die mj Desiree, wobei es den von diesem in der Zeit vom 1. 9. bis 31. 12. 2003 geleisteten Naturalunterhalt mit (insgesamt) monatlich 559 EUR bezifferte und ihn "berechtigte, den Naturalunterhalt bei der Unterhaltsbemessung anzurechnen." Das Unterhaltsmehrbegehren der Minderjährigen wies es - unangefochten - ab. Der Vater habe bis Dezember 2003 die monatlichen Mietkosten von 744,86 EUR bezahlt, was auf den Unterhalt der Kinder anteilig anzurechnen sei. Das über das Vermögen des Vaters eröffnete Schuldenregulierungsverfahren sei nach Bestätigung des am 13. 11. 2003 angenommenen Zahlungsplans gemäß § 196 KO aufgehoben worden. Der Unterhaltsbemessung sei das im Jahr 2003 bezogene monatliche Durchschnittsnettoeinkommen von 1.291,45 EUR zugrunde zu legen. Sowohl die Zahlungen an den Masseverwalter wie auch die zur Erfüllung des Zahlungsplans gewährten Gehaltsvorschüsse könnten im Rahmen der Unterhaltsbemessung keine Berücksichtigung finden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es die anrechenbaren Naturalunterhaltsleistungen rechnerisch insoweit berücksichtigte, als es den Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 1. 9. bis 31. 12. 2003 ziffernmäßig in die Entscheidung aufnahm (je 122 EUR für Bernhard und Melanie). Es sprach letztlich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Allein das Vorliegen eines rechtskräftigen Zahlungsplans, der den Geldunterhaltspflichtigen zur planmäßigen Rückzahlung von Schulden verpflichte, rechtfertige noch nicht den Abzug dieser Schulden von der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Das Argument, der Vater sei durch den ihm von seinem Dienstgeber gewährten Gehaltsvorschuss in die Lage versetzt worden, den Zahlungsplan zu erfüllen und sich massiver Verbindlichkeiten zu entledigen, sei rechtlich unbeachtlich. Verfehlt sei auch sein Einwand, das Einkommen der Mutter sei entsprechend zu berücksichtigen, denn § 140 Abs 2 ABGB ordne ausdrücklich an, dass der Elternteil, der den Haushalt führe, in dem das Kind betreut werde, dadurch seinen Beitrag leiste. Auch eine erhöhte Leistungsfähigkeit des betreuenden Elternteils dürfe - von Extremfällen abgesehen - nicht zu einer Verminderung des vom anderen Elternteil zu leistenden Geldunterhalts führen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.

Der Einwand des Vaters, bei der Bemessung des von ihm zu leistenden Geldunterhalts sei das Einkommen der Mutter zu berücksichtigen, versagt. Insoweit reicht es aus, auf die völlig zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts zu § 140 Abs 2 ABGB zu verweisen, nach denen entsprechend dieser Gesetzesstelle und nach ständiger Rechtsprechung der Elternteil, der in dem von ihm geführten Haushalt das Kind betreut, damit grundsätzlich seinen gesamten Unterhaltsanteil leistet, und auch ein wesentlich höheres Einkommen des betreuenden Elternteils noch nicht zum Entfall oder zur Verminderung des Geldunterhalts führt (S 7 f der Rekursentscheidung; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 9 mwN).

Den Ausführungen des Rechtsmittelwerbers, bei der Unterhaltsbemessung sei die Rückzahlung von Schulden, die aufgrund eines in einem Schuldenregulierungsverfahren festgelegten Zahlungsplans zu begleichen sind, zu berücksichtigen, ist allerdings beizupflichten:

Die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens beeinflusst - wie die Konkurseröffnung - nicht nur die Einbringlichkeit einer titulierten Unterhaltsschuld, sondern in geradezu typischer Weise auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des (Gemein-)Schuldners als Grundlage für die Bemessung des laufenden Unterhalts. Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners orientiert sich vorerst einmal an dem ihm zur Verfügung stehenden tatsächlichen Nettoeinkommen, wovon unter Abzug bestimmter zweckgebundener Aufwendungen die Unterhaltsbemessungsgrundlage ermittelt wird. Schon deshalb kann keine Rede davon sein, dass - so aber die frühere, teils jedoch noch bis in die jüngste Zeit fortgesetzte Rechtsprechung - die Unterhaltsbemessungsgrundlage durch die Eröffnung des Konkurses bzw eines Schuldenregulierungsverfahrens keine Änderung erfahre (1 Ob 86/04k mwN).

Es kommt sehr wohl darauf an, zur Rückzahlung welcher Schulden ein Unterhaltspflichtiger im Wege eines im Schuldenregulierungsverfahren zustande gekommenen Zahlunsgplans verpflichtet ist. Diese konkursrechtlichen Maßnahmen haben, zumal sie die Verfügungsmöglichkeit des Unterhaltsschuldners gesetzlich gravierend einschränken, Einfluss auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage und damit auch auf die Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage ändert sich aufgrund eines im Schuldenregulierungsverfahren festgelegten Zahlungsplans; die danach zurückzuzahlenden Schulden sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, dient doch der Zahlungsplan gerade dazu, die Arbeitskraft und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach dessen Erfüllung wieder herzustellen. Dies widerspricht auch nicht dem im Unterhaltsrecht vorherrschenden Grundsatz, dass Schulden eines Geldunterhaltspflichtigen die Bemessungsgrundlage an sich nicht mindern, handelt es sich doch dabei um berücksichtigungswürdige (abzugsfähige) Schulden, also solche, die er eingegangen ist, um sich wieder in die Lage zu versetzen, nach der Schuldenregulierung unbelastetes Einkommen zur Deckung seiner Unterhaltsverpflichtungen zur Verfügung zu haben (1 Ob 86/04k mwN).

Ist aber der Inhalt des Zahlungsplans bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen, dann ist auch auf die zur Erfüllung des Zahlungsplans eingegangenen, unbedingt notwendigen Darlehens- und Kreditverbindlichkeiten - wie das Rekursgericht in seinem Beschluss vom 6. 7. 2004 ganz richtig erkennt - Bedacht zu nehmen, weshalb die Beträge, die vom Vater zur Abdeckung des ihm gewährten Gehaltsvorschusses zurückgezahlt werden, als außergewöhnliche und abzugsfähige Belastung die Unterhaltsbemessungsgrundlage mindern. Die Berücksichtigung dieser außergewöhnlichen Belastung ist auch sachlich gerechtfertigt, zumal der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Schuldenregulierung gerade deshalb geschaffen hat, um einem Schuldner die Wiedererlangung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in absehbarer Zeit zu ermöglichen, was ihn wieder in die Lage versetzen soll, nach der Schuldenregulierung unbelastetes Einkommen zur Deckung seiner Unterhaltsverpflichtungen und so zum Wohl der Unterhaltsberechtigten zur Verfügung zu haben.

Der Revisionsrekurs des Vaters erweist sich insoweit als berechtigt. Das Erstgericht wird das Ergebnis des Schuldenregulierungsverfahrens, insbesondere den Zahlungsplan, und in diesem Zusammenhang den vom Vater rückzuzahlenden Gehaltsvorschuss bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigen und danach neuerlich entscheiden müssen. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem Obersten Gerichtshof deshalb verwehrt, weil es am entsprechenden Tatsachensubstrat mangelt.

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