Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil sprach der Schöffensenat - unter anderem - nach § 261 Abs 1 StPO seine Nichtzuständigkeit zur Verhandlung und Entscheidung über das den Angeklagten Daniel M***** und Zeljko K***** in der Anklageschrift vom 19. Februar 2004 (ON 29) zu Punkt I./1./a zur Last gelegte Verhalten aus, wonach sie (zu ergänzen: am 6. Dezember 2003) in Wien "im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen oder abgenötigt hätten, und zwar dem Amadeus W***** ein Handy der Marke Sony Ericson T310 im Werte von ca 200 EUR".
In der dazu eingehenden Begründung (US 9 ff) hielt das Erstgericht - zusammengefasst wiedergegeben - fest, dass aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse "die Verwendung eines Messers bei dieser Straftat" in Betracht komme, somit gegen die Angeklagten der dringende Verdacht des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB - und folglich für den erwachsenen Angeklagten K***** und damit ebenso für den konnexen Jugendlichen M***** (vgl Mayerhofer StPO5 § 261 E 14) die Zuständigkeit des Geschworenengerichtes (§ 14 Abs 1 Z 11 StPO) - bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Den dagegen von den Angeklagten jeweils aus Z 6, vom Angeklagten K***** darüber hinaus auch aus Z 4 und Z 8 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu. Soweit beide Angeklagte schwerpunktmäßig einwenden, dass das Gericht bei der Urteilsfällung an den in der Anklage individualisierten Sachverhalt gebunden sei, in der hier aktuellen Anklage aber - obwohl die dazu die Angeklagten belastende Aussage des Tatopfers bekannt gewesen sei - ausdrücklich ausgeführt wurde, dass die in Rede stehende Tat ohne Verwendung eines Messers verübt wurde und die öffentliche Anklägerin, selbst nachdem das Tatopfer in der Hauptverhandlung seine früheren Angaben bestätigte, die Anklage nicht modifizierte, weshalb "das Erstgericht bei seiner Urteilsfällung an das Anklagefaktum ohne Verwendung eines Messers gebunden war" bzw die Staatsanwältin sich "hinsichtlich der Qualifikation des Raubfaktums verschwiegen habe", ist ihnen zu entgegnen:
§ 261 Abs 1 StPO ordnet unmissverständlich an, dass das Schöffengericht, wenn es die der Anklage zugrunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit den in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Umständen als eine zur Zuständigkeit des Geschworenengerichtes gehörige strafbare Handlung beurteilt, seine Nichtzuständigkeit auszusprechen hat. Diese Entscheidung darf sich nur auf die der Anklage zugrundeliegende Tat, also den Prozessgegenstand - das inkriminierte historische Ereignis (Mayerhofer aaO § 261 E 3, § 262 E 1, 2, 3; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 493, 502; derselbe in WK2 Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 19; Fabrizy StPO9 § 262 Rz 1) - beziehen.
Von einer Anklageüberschreitung kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die gerichtliche Entscheidung auf eine Tat (auf einen Lebenssachverhalt) erstreckt, die von der Anklage nicht erfasst wird. An die Ansicht des Anklägers über den konkreten Ablauf jeder einzelnen Phase eines von ihm verfolgten Vorganges ist das Gericht allerdings genauso wenig gebunden wie an dessen rechtliche Beurteilung dieses Vorganges. So lange kein Zweifel besteht, dass der sich aus dem Beweisverfahren ergebende Vorgang von einem berechtigten Verfolgungsträger inkriminiert ist - mag er sich auch in Einzelheiten anders abgespielt haben, als ihn dieser sah - ist das Gericht, falls sich der von ihm festgestellte Sachverhalt als tatbestandsmäßig im Sinn einer Strafbestimmung erweist, auch verpflichtet, eine Verurteilung auszusprechen, wenngleich der Ankläger die Einzelheiten des inkriminierten Vorganges den Beweisergebnissen nicht durch eine Modifizierung der Anklage angepasst hat. Nur wenn die Beweisergebnisse ein Tatgeschehen an den Tag bringen, das von dem unter Anklage stehenden derart verschieden ist, dass es keineswegs als inkriminiert erkannt werden kann, wäre eine Verurteilung von einer Modifizierung oder Ausdehnung (§§ 263, 267 StPO) der Anklage abhängig (Mayerhofer aaO § 281 Z 8 E 6, 10, § 261 E 2, § 262 E 14, 26, 27, 40, 98; Ratz aaO Rz 507; die Hinweise auf Schrifttum zu § 263 StPO in den Beschwerden versagen daher im Gegenstand). Dem Rechtsmittelvorbringen zuwider wurde sohin dadurch, dass das Gericht die angeklagte Tat einer von der Staatsanwaltschaft nicht herangezogenen Qualifikation (§ 143 zweiter Fall StGB) subsumierte, die Anklage nicht überschritten (LSK 1977/118; SSt 57/7). Damit ist sämtlichen darüber hinausgehenden Einwänden zum "Rechtsinstitut der Verschweigung hinsichtlich der Qualifikation", zum Verfolgungsvorbehalt nach § 263 StPO "zumindest per analogiam", zur (undifferenzierten) Bindung des Gerichtshofes an die Anträge des Anklägers (vermeintlich § 267 StPO) sowie zum ebenfalls vermeintlichen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, gegen das Anklageprinzip und das Legalitätsprinzip sinnfällig die Grundlage entzogen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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