OGH 10ObS89/04t

OGH10ObS89/04t14.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wolfgang O*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Sabine Danler-Brunner, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen, 1061 Wien, Linke Wienzeile 48-52, wegen Invaliditätspension, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. März 2004, GZ 25 Rs 22/04b-22, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Juli 2003, GZ 47 Cgs 37/03z-11, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das klageabweisende Urteil des Erstgerichts wurde dem Kläger am 20. 9. 2003 zugestellt.

In dem innerhalb der Berufungsfrist beim Erstgericht eingelangten Schreiben vom 28. 9. 2003 führte der Kläger aus, er wolle in Berufung gehen, da sich sein Gesundheitszustand derzeit verschlechtert habe. Er bitte, ihn zu informieren, was man machen könne. Am 3. 11. 2003 verfügte das Erstgericht, dem Kläger die Berufung zur Verbesserung iSd § 467 ZPO gemäß § 84 ZPO gegen Wiedervorlage binnen drei Wochen gemäß § 85 ZPO zurückzustellen. Dieser Verbesserungsauftrag wurde samt einer Ablichtung der Bestimmung des § 467 ZPO dem Kläger am 14. 11. 2003 zugestellt.

Mit 9. 12. 2003 datiertem Schreiben ersuchte der Kläger, wenn möglich, die Berufung noch etwas aufzuschieben, weil er keinen Anwalt gefunden habe, der ihn kostenlos vertrete. Er sei arbeitslos und bekomme nur 606 EUR. Er könne sich daher keinen Anwalt leisten. Dieses Schreiben war an den Vorsitzenden des Erstgerichts persönlich gerichtet, der es am 15. 12. 2003 erhielt. Versehentlich wurde der Briefumschlag zu diesem Schreiben nicht zu den Akten genommen.

Dieses Schreiben nahm das Erstgericht zum Anlass, dem Kläger ein Vermögensbekenntnis mit der Belehrung zu übermitteln, er könne Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts innerhalb von 10 Tagen beantragen, wenn er das Vermögensbekenntnis zur Gänze ausfülle und an das Gericht retourniere. Vermögensbekenntnis und Belehrung wurden dem Kläger am 20. 12. 2003 zugestellt.

Aufgrund des am 29. 12. 2003 beim Erstgericht eingelangten Antrags des Klägers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe bewilligte das Erstgericht dem Kläger die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts. Der Bestellungsbescheid wurde der zur Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin am 21. 1. 2004 zugestellt. Die Verfahrenshelferin überreichte am 18. 2. 2004 die Berufung.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Der Kläger habe die Verbesserungsfrist versäumt. Ein nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellter Verfahrenshilfeantrag unterbreche diese nicht, selbst wenn vom Erstgericht die Verfahrenshilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigegeben werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Ob die innerhalb der Berufungsfrist beim Erstgericht eingelangten Eingabe des Klägers vom 28. 9. 2003 als Antrag auf Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Rechtsanwalts zu werten ist, wie der Rekurswerber meint, kann dahingestellt bleiben. Da der unvertretene, im Ausland wohnende Klägers rechtsunkundig und arbeitslos war, hätte das Erstgericht eine Verbesserung auch in der Richtung auftragen müssen (§§ 84, 85 ZPO), ob die Eingabe als Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Rechtsanwalts aufzufassen ist. Wird ein Verbesserungsauftrag nicht ordnungsgemäß erteilt, so beginnt die Verbesserungsfrist nicht zu laufen (6 Ob 643/84), die Verbesserung bleibt weiterhin möglich (JBl 1987, 795). In diesem Sinn verlängerte die als Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts zur Ausführung der Berufung zu wertende (vgl 8 Ob 542/84) Eingabe des Klägers vom 9. 12. 2003 die Berufungsfrist (§ 464 Abs 3 ZPO iVm § 85 Abs 2 ZPO). Dem daraufhin vom Erstgericht erteilten Verbesserungsauftrag kam der Kläger fristgerecht nach. Der zur Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin wurde nur der Bestellungsbescheid, nicht aber - entgegen § 464 Abs 3 ZPO - eine Urteilsausfertigung zugestellt, sodass die Berufungsfrist erst mit der Zustellung der Urteilsausfertigung neu zu laufen beginnen konnte (SSV-NF 7/123 mwN) und die am 18. 2. 2004 überreichte Berufung jedenfalls rechtzeitig ist.

Aus diesen Gründen musste der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts aufgehoben werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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