OGH 6Ob168/04f

OGH6Ob168/04f26.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Bundesbahnen, ***** vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Günter C*****, vertreten durch Dr. Josef Deimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.976,80 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 9. März 2004, GZ 23 R 89/03f-18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 14. Mai 2003, GZ 2 C 1423/02m-12, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte hatte die Klägerin am 7. 12. 1999 mit dem Transport von 40 LKW mit 80 aufgeladenen LKW-Anhängern vom Bahnhof Himberg nach Antwerpen und mit der Verladung dieser Fahrzeuge in Antwerpen von den Bahnwaggons auf ein Transportschiff (sogenannte "Umschlagarbeiten") beauftragt. Für diese Verladearbeiten war ein Preis von 2.000 S pro LKW (mit aufgeladenem Anhänger) vereinbart. Die Klägerin führte der Transport im Dezember 1999 durch und legte am 22. 12. 1999 Rechnung; diese wurde vom Beklagten zur Gänze bezahlt. Mit der Durchführung der Umschlagarbeiten hatte die Klägerin ein Tochterunternehmen beauftragt. Dieses führte die Umladung auf das Transportschiff im Jänner 2000 durch und legte darüber dem Beklagten am 31. 12. 2000 Rechnung über 148.300 S. Nach der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung hätte der Beklagte insgesamt 96.000 S zahlen müssen.

Mit ihrer am 29. 8. 2002 bei Gericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin 6.976,80 EUR als vereinbartes Entgelt für die Umschlagsarbeiten in Antwerpen. Der Beklagte habe seine Zahlungsverpflichtung anerkannt.

Die Beklagte beantragte kostenpflichtige Klageabweisung und wendete Verjährung ein. Die Klägerin habe ihre Leistungen im Jahr 1999 erbracht, die Verjährungsfrist nach den CIM betrage ein Jahr. Im Übrigen sei sofortige Rechnungslegung vereinbart worden. Die verspätete Rechnungslegung hätte dem Beklagten die Möglichkeit genommen, diese Umschlagskosten dem Empfänger weiter zu verrechnen. Hilfsweise werde daher ein ihm dadurch entstehender Schade aufrechnungsweise gegen die Klageforderung eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch fest, dass die Streitteile keine Vereinbarung über den Zeitpunkt der Rechnungslegung getroffen hätten. Der Beklagte habe die am 31. 12. 2000 vom Tochterunternehmen der Klägerin ausgestellte Rechnung über die Umschlagarbeiten im Februar 2001 der Höhe nach beanstandet. Auch anlässlich einer Urgenz der Klägerin vom Juli 2001 habe er die unrichtige Verrechnung beanstandet und darauf hingewiesen, dass es aufgrund der späten Rechnungslegung Probleme mit der Weiterverrechnung an seinen Auftraggeber geben könnte. Die Klägerin habe daraufhin die Rechnung schriftlich korrigiert. In weiteren Telefonaten habe der Beklagte erklärt, er werde sich bemühen, Zahlung von seinem Auftraggeber zu erhalten und diese an die Klägerin weiterzuleiten. Eine ausdrückliche Zahlungszusage habe der Beklagte nicht abgegeben.

Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte von seinem Auftraggeber Zahlung erlangen konnte.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, auf den Frachtvertrag seien die einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM) anzuwenden. Nach Art 3 § 2 seien dessen Bestimmungen auch auf Verlade-, Umlade- und Abladearbeiten anzuwenden, die im Rahmen eines internationalen Gütertransports mit der Eisenbahn durchgeführt werden. Im Übrigen hätten die Streitteile hinsichtlich der Transport- und Umschlagarbeiten einen zusammenhängenden Vertrag geschlossen. Nach Art 58 § 1 CIM betrage die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem internationalen Eisenbahnbeförderungsvertrag ein Jahr; sie habe nach Art 85 § 2 lit (gemeint wohl Art 58 § 2) a CIM mit dem Abschluss der Umschlagarbeiten zu laufen begonnen. Die Verjährung sei daher Ende Jänner 2001 - noch vor dem Beginn der Verhandlungen über die Bezahlung der Forderung - eingetreten. Ein Anerkenntnis habe der Beklagte nicht abgegeben.

Das Rekursgericht behob dieses Urteil und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sei ungeklärt geblieben, was Inhalt des Frachtvertrags geworden sei, wobei es zur Beurteilung wesentlich auf den Inhalt des Frachtbriefs ankomme. Das Erstgericht habe sich mit dessen Inhalt nicht auseinandergesetzt und nicht geklärt, was unter "Nebengebühren" zu verstehen sei. Art 3 § 2 CIM lasse entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht den zwingenden Schluss zu, dass der Frachtvertrag auch Umladearbeiten von Bahnhöfen und Verladearbeiten auf ein Schiff umfasst.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung sowohl zur Rechtsnatur des Eisenbahnfrachtvertrags als auch zur Frage fehle, ob auch die Ab(gemeint: Um-)ladung auf ein Schiff von einem der CIM unterliegenden Eisenbahnfrachtvertrag umfasst sein könne und ob dies einer Ersichtlichmachung im Frachtvertrag bedürfe.

Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts gerichtete Rekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte beruft sich auf Art 58 § 1 CIM, wonach Ansprüche aus einem Frachtvertrag in einem Jahr verjähren. Die hier verrechneten "Umschlagsarbeiten" (Umladung von der Bahn auf ein Transportschiff) seien nichts anderes als eine dem Frachtvertrag noch zuzuordnende Be- und Entladetätigkeit, auf die die CIM anzuwenden seien. Demgegenüber vertritt die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung die Auffassung, der Transportauftrag sei mit Übergabe der Ware an das im Frachtbrief angeführte Unternehmen in Antwerpen erfüllt, der "Umschlag" auf das Schiff sei aufgrund eines gesonderten - vom Frachtbrief nicht umfassten - Auftrags erfolgt, auf den die CIM nicht anzuwenden seien.

Entscheidungswesentlich ist daher die Frage, ob die nun eingeklagte Leistung - sei es als Haupt-, sei es als Nebenleistung - vom Frachtvertrag umfasst war.

Der Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der bisher festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung nicht ausreicht:

Auf den von der Klägerin durchgeführten Eisenbahntransport sind (unbestrittenermaßen) die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM 1980) anzuwenden. Der Verjährung nach Art 58 § 1 CIM unterliegen nur frachtvertragliche Ansprüche, das sind Ansprüche, die aus einer Verletzung des Frachtvertrags resultieren, somit auch Ansprüche der befördernden Eisenbahn gegen den am Vertrag beteiligten Absender (Csoklich, Einführung in das Transportrecht, 261; Spera, Internationales Eisenbahn-Frachtrecht Art 58 CIM Rz 1).

Art 3 § 2 CIM, wonach die Eisenbahn zur Annahme von Gütern, deren Verladen, Umladen oder Abladen die Verwendung besonderer Vorrichtungen erfordert, nur verpflichtet ist, wenn die in Betracht kommenden Bahnhöfe über derartige Einrichtungen verfügen, kann zwar als Hinweis dafür aufgefasst werden, dass Umlade- und Abladearbeiten gegebenenfalls vom Frachtvertrag umfasst sein können. Aus dieser Bestimmung lässt aber nicht zwingend ableiten, dass derartige Leistungen unabhängig von der getroffenen Vereinbarung jedenfalls vom Frachtvertrag umfasst sind. Ein "Anspruch aus dem Frachtvertrag" im Sinn des Art 58 § 1 CIM setzt jedenfalls einen hinreichend engen sachlichen Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag selbst voraus (vgl Basedow, Münchner Kommentar zum HGB Band 7 Art 32 CMR Rz 10, der einen engen Zusammenhang mit dem Frachtvertrag für Zollleistungen bejaht, nicht aber für Lagerhaltung des Frachtführers).

Der zu fordernde enge sachliche Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag wäre für "Umschlagsleistungen" (hier Umladung des Gutes von der Bahn auf ein Transportschiff), die (nach den Behauptungen der Klägerin) erst nach Erfüllung des Transportauftrages durch Übergabe an den im Frachtbrief vorgesehenen Empfänger vorgenommen werden, nicht gegeben.

Ob nun die vom Beklagten beauftragten (Umschlagarbeiten) Inhalt des Frachtvertrags wurden oder einen ausreichend engen sachlichen Zusammenhang zum Transportauftrag aufweisen, richtet sich zunächst nach dem Inhalt des Frachtbriefs. Er dient als - allerdings widerlegbarer (Schütz in Straube HGB³ § 426 Rz 3; Mutz in Münch Komm zum HGB Art 11 CIM Rz 4) - Beweis für Abschluss und Inhalt des Frachtvertrags (Art 11 § 3 CIM; Koller Transportrecht Art 11 CIM Rz 6; Mutz aaO Art 11 Rz 4). Seine Ausstellung und Annahme ist (zusammen mit der Annahme des Gutes) auch Voraussetzung für das Zustandekommen des der CIM unterliegenden Frachtvertrags (Art 11 § 1 CIM; Schütz aaO § 426 Rz 1; Mutz aaO Art 11 Rz 2, 3 und 4; Koller aaO Art 11 CIM Rz 4 und 6).

Das Erstgericht hat - von der Annahme ausgehend, Verladearbeiten seien nach Art 3 § 2 CIM jedenfalls vom Transportauftrag umfasst - keine Feststellungen zum Inhalt des Frachtbriefs getroffen. So steht insbesondere nicht fest, wer nach dem Inhalt des Frachtvertrags Empfänger des Gutes in Antwerpen war, eine Bestimmung, die nach Art 13 lit b CIM zwingend in den Frachtbrief aufgenommen werden musste. Es steht auch nicht fest, ob der Transportauftrag durch Übergabe des Transportguts an den vorgesehenen Empfänger vor Durchführung der Umschlagarbeiten beendet war. Es kann daher noch nicht beurteilt werden, ob die von der Klägerin verrechneten Umschlagarbeiten (wie der Beklagte meint) noch im Rahmen des Frachtvertrags oder in einem engen sachlichen Bezug zu diesem vorgenommen wurden und ob sie gleich dem Frachtvertrag den Verjährungsbestimmungen des Art 58 CIM unterliegen.

Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung begegnet daher keinen Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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