OGH 11Os84/04

OGH11Os84/0424.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. August 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matschegg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dejan R***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. April 2004, GZ 064 Hv 25/04w-150, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dejan R***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I 1) sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 (zu ergänzen:)

Z 4 StGB (I 2) sowie des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt, weil er am 15. April 2003 in Wien

I. Polizeibeamten schwere Körperverletzungen zugefügt hatte, nämlich

1) absichtlich Gruppeninspektor Helmut H***** durch einen gezielten Pistolenschuss aus ca 30 cm Entfernung rechtsseitig einen Durchschuss des Oberschenkels und des Oberschenkelknochens sowie einen Steckschuss im Bereich des Innenknöchels, wobei die Tat eine Lähmung des Unterschenkelperoneusnerves und damit eine anhaltende schwere Beeinträchtigung des Gehvermögens nach sich zog, sowie

2) Revierinspektor Patrick S***** anlässlich der zu Punkt II des Schuldspruchs beschriebenen Amtshandlungen durch einen Pistolenschuss einen Bruch des linken Mittelfingers, und II. Beamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod an Amtshandlungen, nämlich seiner Anhaltung, Ausweiskontrolle sowie Verhaftung gehindert hatte, und zwar

1) Gruppeninspektor Helmut H***** durch Schläge und Stöße sowie die zu Punkt I 1 des Schuldspruchs bezeichneten Handlungen,

2) Revierinspektor Patrick S***** durch die zu Punkt I 2 des Schuldspruchs dargelegte Handlung und

3) den Letztgenannten durch Zielen mit der Pistole in die Richtung dessen Kopfes.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 5 und 10, nominell auch aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Soweit die Verfahrensrüge (Z 3) die Bestimmungen des § 152 Abs 5 (§ 248 Abs 1) StPO mit der Begründung als verletzt ansieht, der Zeuge Patrick S***** habe sich durch seine Aussage der Gefahr disziplinarrechtlicher Verfolgung ausgesetzt, ist sie schon im Ansatz verfehlt, weil § 152 Abs 1 Z 1 StPO nur im Fall der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses befreit.

Im Übrigen vermag die Beschwerde mit der bloßen Behauptung, dass aus den von ihr dargestellten Verfahrensergebnissen ein gegen den Zeugen Patrick S***** bestehender Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil des Helmut H***** indiziert sei, eine zum Zeitpunkt der Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung tatsächlich bestehende Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung des Patrick S***** nicht darzutun.

Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5), die Feststellung, der Angeklagte habe Helmut H***** (auch) durch Stöße und Schläge an den im Spruch genannten Amtshandlungen gehindert, sei unzureichend begründet, bezieht sich in Ansehung des (zutreffend) ebenfalls als tatbestandsmäßig iSd § 269 Abs 1 StGB konstatierten Pistolenschusses gegen den Genannten nicht auf entscheidende Tatsachen. Es sei daher nur der Vollständigkeit halber festgehalten, dass die angefochtene Entscheidung beweiswürdigend (ua) auf die Depositionen der Zeugen H***** und S***** Bezug nimmt (US 8), welchen in ihrer Gesamtheit entsprechende Tätlichkeiten des Angeklagten zu entnehmen sind (S 439/III iVm S 129, 135/III; S 397 f, 409/III).

Entgegen der Beschwerde hat das Erstgericht sehr wohl dargelegt, aus welchen Gründen es die Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtet (US 8). Die anlässlich des Ortsaugenscheins angefertigten Lichtbilder (S 249, 251/III), die Angaben des Zeugen H***** zu seiner körperlichen Position und zur Reaktion des Patrick S***** nach der Schussabgabe (I 1) sowie die Aussagen darüber, wie die Tatwaffe an den Tatort gelangt ist, beziehen sich nicht auf entscheidende Tatsachen und bedurften daher ebensowenig einer Erörterung wie die Depositionen des Helmut H***** zum Schuldspruch I 2 (S 381/III), die den diesbezüglichen Feststellungen (US 7) nicht widersprechen. Soweit die Beschwerde aus diesen Verfahrensergebnissen von den Urteilskonstatierungen abweichende Schlüsse zu ziehen trachtet, wendet sie sich - ebenso wie mit den rein spekulativen Erwägungen zur Schussverletzung des Angeklagten und zur Anzahl der am Tatort gefundenen Patronenhülsen - nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) ist unausgeführt geblieben und lässt solcherart - mangels Darlegung der Sachverhaltselemente, die nach Ansicht des Beschwerdeführers den Nichtigkeitsgrund herstellen - dessen deutliche und bestimmte Bezeichnung vermissen (Ratz, WK-StPO § 285d Rz 10).

Zum Schuldspruch I 1 die Annahme schwerer Dauerfolgen iSd § 85 StGB bekämpfend übergeht die Subsumtionsrüge (Z 10) die diesbezüglichen wesentlichen Urteilskonstatierungen, wonach Helmut H***** durch den vom Angeklagten abgegebenen Pistolenschuss eine Lähmung des Unterschenkelperoneusnerves, sohin eine anhaltende, schwere Beeinträchtigung des Gehvermögens erlitten hat (US 7, 11), und bringt damit die Beschwerde nicht prozessordnungskonform zur Darstellung. Korrespondierendes gilt für die Beschwerdebehauptung, die tatrichterlichen Feststellungen zum Schuldspruch I 2 würden (nur) eine Verurteilung wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung tragen, mit der die Rüge die Konstatierungen zur - willentlichen, vom Verletzungsvorsatz getragenen - Schussabgabe (US 10 f) negiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als teils offenbar unbegründet (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO), teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO) schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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