OGH 15Os52/04

OGH15Os52/0411.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert D***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22. Jänner 2004, GZ 37 Hv 48/03y-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Robert D***** wurde (I) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 erster Fall StGB und der Vergehen (II) der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB, (III) der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB und (IV) der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Abs 1, Z 2 StGB) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung -

(I) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachangeführte Geschädigte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, zu nachangeführten Handlungen verleitet, die diese in einem insgesamt 2.000 Euro nicht übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigten, und zwar:

1) am 3. Juli 2003 in St. Johann Marianne R***** zur Bereitstellung einer Unterkunft bis 6. Juli 2003, Schaden 75 Euro,

2) am 8. Juli 2003 in St. Johann Hubert H***** zur Gewährung einer Unterkunft bis 9. Juli 2003, Schaden 25 Euro,

3) am 5. Juli 203 den Kellner im Lokal S***** in Kitzbühel Michael K***** zur Überlassung von Speisen und Getränken im Betrag von 145,70 Euro,

4) am 24. November 2003 in Villach Leopold W***** zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 200 Euro,

5) am 9. Juli 2003 in Kitzbühel Trine Maria S***** zur Gewährung einer Unterkunft bis 12. Juli 2003, Schade 120 Euro, wobei er zur Täuschung eine falsche Urkunde, nämlich den von ihm mit Ralf Da***** unterfertigten Meldezettel benützte;

(II) am 9. Juli 2003 in St. Johann eine falsche Urkunde mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht wurde, indem er in der Frühstückspension H***** das Gästeblatt 593322 mit dem Namen Dr. Raffael B***** ausfüllte und mit diesem falschen Namen das Gästeblatt unterfertigte; (III) am 7. Juli 2003 in St. Johann ein Gut in einem 2.000 Euro nicht übersteigenden Wert, das ihm anvertraut wurde, nämlich die ihm als Mitarbeiter der Firma Ho***** GesbR anvertrauten Firmengelder in Höhe von 262,04 Euro, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Schuldsprüche I bis III aus Z 5, zu I/5 auch aus Z 10, zu II aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Zur umfänglichen Mängelrüge (Z 5) ist vorweg zu bemerken, dass der Gerichtshof verpflichtet ist, die Entscheidungsgründe gedrängt darzustellen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Naturgemäß hat er daher nicht auf jedes Detail einzugehen, sondern in einer Gesamtschau aller Beweisergebnisse die entscheidungswesentlichen Tatsachen zu bezeichnen und diese schlüssig sowie zureichend zu begründen, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Dabei ist das Gericht berechtigt (§ 258 Abs 2 StPO), nicht nur "zwingende" Schlüsse, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu Tatsachenfeststellungen zu ziehen, welche, wenn sie logisch, somit vertretbar sind, als Ergebnis freier richterlichter Beweiswürdigung mit Nichtigkeitsbeschwerde unanfechtbar sind. Eine Mängelrüge muss somit erfolglos bleiben, wenn sie - wie hier - unter Hervorhebung isolierter Details von Verfahrensergebnissen selbst nach Art einer Schuldberufung Beweiswerterwägungen anstellt und damit in Wahrheit - unter dem Prätext von Undeutlichkeit, Unvollständigkeit, fehlender bzw offenbar unzureichender Gründe und wegen "erheblichen Widerspruchs zwischen den Angaben in den Entscheidungsgründen und dem Akt" - bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft, ohne formale Mängel aufzuzeigen.

Entgegen der Beschwerdekritik hat das Erstgericht, ausgehend von der gebotenen Gesamtschau der Beweisergebnisse, seine Feststellungen zu I/1 bis 5, wonach der Beschwerdeführer über seine Zahlungsunfähigkeit bzw Zahlungsunwilligkeit getäuscht und hiebei mit Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz sowie gewerbsmäßiger Absicht gehandelt hat, zureichend begründet. Dabei hat es diese Annahmen aus dem Verhalten des Beschwerdeführers, der (innerhalb einer Woche) viermal die Kosten seiner Unterkunft in Beherberungsbetrieben bzw der Konsumation nicht beglichen (I/1 bis 3 und I/5) und in einem anderen Fall (I/4) die Zusage, das Darlehen schon am nächsten Tag zurückzuzahlen, nicht eingehalten, vorhandenes Geld vielmehr für Alkohol und Drogen ausgegeben hat, wobei dies dem Verhaltensmuster früherer von ihm begangener, zu einer einschlägigen Vorverurteilung führender Einmiet- und Konsumationsbetrügereien entspricht, ohne Verstoß gegen die Grundsätze logischen Denkens und denjenigen der Empirie erschlossen. Der Mängelrüge zuwider hat der Angeklagte auch mehrfach zugegeben, sein Geld zur Befriedigung seiner Drogen- und Alkoholsucht verwendet zu haben (S 331, 333, 337, 341). Insofern er zu den Punkten I/1, 3 und 4 die fehlende Begründung für die Feststellung seiner Zahlungsunfähigkeit moniert, übersieht er, dass die Tatrichter in Ansehung dieser Straftaten eine derartige Annahme gar nicht getroffen haben und die bezügliche (mängelfrei begründete) Feststellung der Vorspiegelung der eigenen Zahlungswilligkeit für die Annahme der täuschungsbedingten Kausalität der selbstschädigenden Handlung der Getäuschten ausreicht.

Die von der Zeugin Margit H***** zum Ausdruck gebrachten (S 353) wechselnden Gedankengänge über die (von ihr vermutete) Zahlungsunfähigkeit und -willigkeit des Angeklagten anlässlich dessen Einmietung in ihrem Beherbergungsbetrieb (I/2) hat das Erstgericht ohnehin mit denkmöglichen Überlegungen gewürdigt (US 17 oben). Zu Punkt I/5 des Schuldspruches haben die Tatrichter bei Annahme der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten dessen Verantwortung, sich an die Tat infolge Alkohol- und Drogenkonsums nicht mehr erinnern zu können (S 331 f), keineswegs übergangen. Vielmehr nahmen sie zu allen Betrugstaten an, dass die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten infolge Alkohol- und Drogenkonsums zwar vermindert (was bei der Strafbemessung als mildernd gewertet wurde, vgl US 20), wegen seines "letzlich doch zielgerichteten Vorgehens" aber nicht aufgehoben war (US 18).

Dass (zu I/5) das Ausfüllen und Unterfertigen des "Meldezettels" (richtig: des - bei einer Unterkunftsnahme in einem Beherbergungsbetrieb gemäß § 5 Abs 1 Meldegesetz auszufüllenden - Gästeblatts) mit falschem Namen dazu diente, eine falsche Identität unter gleichzeitiger Verschleierung seiner Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit zwecks Verhinderung späterer Eintreibung offener Mietkosten vorzugehen (US 12), bedurfte im Hinblick auf die mängelfrei begründete Feststellung der Zahlungsunwilligkeit des Beschwerdeführers keiner gesonderten Erörterung.

Die in der Mängelrüge vertretene Rechtsansicht, dass die Annahme der Deliktsqualifikation des Urkundenbetruges nach § 147 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB den (zumindest bedingten) Vorsatz des Täters voraussetzt, eine falsche Urkunde zur Täuschung bei der Begehung des Betruges zu benützen trifft zwar zu. Nicht entscheidungswesentlich ist hingegen, ob der schadenskausale Irrtum des Getäuschten tatsächlich auf die Benützung des Falsifikats zurückzuführen ist (Kirchbacher/Presslauer, WK-StGB2 § 147 Rz 11 ff) oder ob der Fälscher mit dem Falsifikat daneben auch andere Zwecke verfolgt. Die bloß spekulative Beschwerdeargumentation, das Fälschen des Gästeblattes anlässlich der Einmietung in der Pension H***** habe nicht Betrugszwecken, sondern ausschließlich ("nur") dazu gedient, sich der Ausforschung durch die Sicherheitsbehörde zu entziehen, stellt lediglich eigene Beweiserwägungen an, ohne einen Mangel im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Die gegen die Annahme der Deliktsqualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (zu I/5) gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) führt der Beschwerdeführer nicht dem Gesetz gemäß aus. Bei der Behauptung, Trine Maria S***** habe dem Angeklagten nicht deshalb Unterkunft gewährt, weil er einen falschen Meldezettel ausgefüllt, sondern weil "er über seine Zahlungsunfähigkeit und Zahlungswilligkeit gelogen hat", weshalb es "am Kausalzusammenhang zwischen der falschen Auskunft über die Identität und der dadurch herbeigeführten Handlung der so Getäuschten" fehle, übergeht der Beschwerdeführer zum einen, dass nach den Konstatierungen die Täuschung über seine Identität Teil seines Betrugsplanes (Sicherstellung der eigenen Bereicherung unter gleichzeitiger Schädigung der Unterkunftsgeberin durch Verhinderung späterer Eintreibungsmaßnahmen, vgl nachmals US 12) war. Weiters legt er aus dem Gesetz nicht dar, weshalb zwischen der Benützung der falschen Urkunde und der selbstschädigenden Handlung der Getäuschten ein Kausalzusammenhang bestehen müsse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588). Entgegen den weiteren Ausführungen der Mängelrüge haben die Tatrichter auch die Feststellungen zum Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 StGB (II) keineswegs unbegründet gelassen (Z 5 vierter Fall). Die Konstatierung des objektiven Tatgeschehens, wonach der Angeklagte (einen Tag nach der Entmietung in die Frühstückspension H***** = I/2) das Gästeblatt mit einem falschen Namen ausfüllte und mit diesem Namen auch unterfertigte (US 3, 11), konnten sie auf die geständige Verantwortung des Angeklagten stützen (S 331, vgl US 14). Die Annahme zur subjektiven Tatseite, es sei ihm hiebei zwar bewusst, aber gleichgültig gewesen, dass er durch die Unterfertigung mit falschem Namen eine Urkunde zum Nachweis seiner Identität fälschte (US 11), findet im objektiven Tatgeschehen in Verbindung mit den (oben zusammengefasst wiedergegebenen) Überlegungen des Erstgerichtes über das zielgerichtete Vorgehen des Angeklagten zureichend Stütze.

Die gegen diesen Punkt des Schuldspruches (II) gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) erschöpft sich in der substratlosen Behauptung, der Unrechtsgehalt falscher Angaben an die Meldebehörde sei von den entsprechenden Strafbestimmungen im Meldegesetz vollständig erfasst, weshalb es "aus diesen Gründen" verfehlt sei, die Tat darüber hinaus dem Tatbestand der Urkundenfälschung zu subsumieren. Damit legt der Beschwerdeführer aber (prozessordnungswidrig) aus dem Gesetz nicht dar, weshalb trotz der Subsidaritätsklausel des § 22 Abs 3 MeldeG, wonach eine Verwaltungsübertretung nicht vorliegt, wenn eine Tat nach Abs 1 und Abs 2 des § 22 MeldeG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Bestrafung nach § 223 StGB ausgeschlossen sein soll. Letztlich haben die Tatrichter auch die Feststellungen zu Punkt III des Schuldspruches (Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB) nicht unvollständig begründet (Z 5 zweiter Fall), haben sie doch in diesem Fall ihre Annahmen auch in Ansehung der subjektiven Tatseite auf das Geständnis des Beschwerdeführers gestützt (US 16, vgl S 337). Dass aus seiner damaligen Verantwortung, am Tag der Tatbegehung noch gehofft zu haben, seine Arbeit nicht zu verlieren und weiterhin ein Arbeitseinkommen zu beziehen, auch zu Gunsten des Angeklagten andere Schlussfolgerungen möglich gewesen wären, das Erstgericht aber zum Nachteil des Angeklagten andere gezogen hat, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der von der Generalprokuratur vertretenen Ansicht, jedoch entgegen derjenigen in der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung der Verteidigung - teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurück zu weisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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