Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.754,82 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 292,47 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 17. 9. 2001 beim Gericht ihres Sitzes eingebrachten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs über das Unternehmen der Klägerin und/oder über die Person der Inhaber der Klägerin und des Geschäftsführers Tatsachen zu behaupten und zu verbreiten, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens und den Kredit des Inhabers zu schädigen, insbesondere Behauptungen des Inhalts oder eines ähnlichen Inhalts, die Inhaber der Klägerin hätten beschlossen, ein Unternehmen in Konkurs zu treiben; die Inhaber würden sich schlau verhalten und hätten einen Treuhänder vorgeschoben; die Inhaber hätten sich untreu verhalten; bei einer Hausdurchsuchung hätten sich relevante Details ergeben, die diese Behauptungen rechtfertigen würden; sie begehrt weiters, sie zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten des Beklagten in der Zeitschrift „Stahlreport, das Magazin für die Stahlwirtschaft" zu ermächtigen. Der Beklagte habe die Klägerin in einem Fax herabgesetzt, das er am 9. 8. 2001 an einen für beide Streitteile wichtigen Stahlproduzenten in Polen geschickt habe. Ein Mitarbeiter des Beklagten habe sich bei einem Unternehmen in Gerasdorf, der Beklagte selbst bei einem Unternehmen in Ried im Innkreis negativ über das Unternehmen der Klägerin geäußert.
Die Beklagte wandte die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Er sei deutscher Staatsbürger und wohne in Deutschland, auch sein Unternehmen habe seinen Sitz in Deutschland. Nach Art 5 Nr 3 EuGVÜ/LGVÜ sei für die Zuständigkeit der Handlungsort oder der Erfolgsort maßgebend. In den von der Klägerin beanstandeten Fällen liege weder der Handlungsort noch der Erfolgsort im Sprengel des angerufenen Gerichts.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Art 5 Nr 3 EuGVÜ erfasse auch Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb. Maßgebend sei der Handlungsort oder der Erfolgsort. Der Handlungsort liege in keinem der drei Fälle im Sprengel des angerufenen Gerichts, wohl aber der Erfolgsort. Die behauptete Ruf- und Kreditschädigung sei im Vermögen des Unternehmens der Klägerin eingetreten. Am Sitz des Erklärungsempfängers sei auch kein Erstschaden entstanden. Es sei daher der Rechtsansicht des italienischen Höchstgerichts zu folgen, wonach bei einer Schadenersatzklage wegen Kreditschädigung der Ort maßgebend sei, an dem sich das Vermögen des betroffenen Unternehmens befinde.
Das Rekursgericht wies die Klage zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien bei einer grenzüberschreitenden Ehrverletzung durch Presseerzeugnisse die Gerichte jenes Mitgliedstaats zuständig, in dem die Veröffentlichung verbreitet und das Ansehen des Betroffenen nach dessen Behauptungen beeinträchtigt wurde. Für die Verbreitung kreditschädigender Äußerungen durch ein Fax könne nichts anderes gelten. Ob die Äußerungen auch einen finanziellen Schaden verursachten, sei nicht maßgebend, da es nur auf den Ort des Erstschadens ankomme. Die Entscheidung des italienischen Höchstgerichts betreffe keinen Unterlassungsanspruch und sei daher nicht aussagekräftig. Bei den durch Fax verbreiteten Äußerungen liege weder der Handlungsort noch der Erfolgsort in Österreich; insoweit fehle daher die inländische Gerichtsbarkeit. In den beiden anderen Fällen sei die inländische Gerichtsbarkeit zwar gegeben, weil jedenfalls der Erfolgsort in Österreich gelegen sei; das angerufene Gericht sei aber örtlich unzuständig, weil weder Gerasdorf noch Ried im Innkreis in seinem Sprengel gelegen seien.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob bei einer Rufschädigung der Sitz des davon betroffenen Unternehmens als Erfolgsort im Sinne der EuGH-Rechtsprechung zu Art 5 Nr 3 EuGVÜ zu werten ist; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Nach Art 5 Nr 3 EuGVÜ - das hier anzuwenden ist, weil die Klage vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen am 1. 3. 2002 eingebracht wurde - kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Art 5 Nr 3 EuGVÜ gilt auch für Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Art 5 Rz 48 mwN) und verdrängt damit in seinem Anwendungsbereich § 83c JN (Mayr in Rechberger, nach § 27a JN Rz 5).
Nach der Rechtsprechung des EuGH beruht die besondere Wahlzuständigkeit für Deliktsklagen darauf, dass zwischen der Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt. Wenn der Ort, an dem das für die Begründung einer Schadenersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht auch der Ort ist, an dem aus diesem Ereignis ein Schaden entstanden ist, so ist unter dem Ort, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht", sowohl der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch der Ort des ursächlichen Geschehens zu verstehen (Rs 21/76 = Slg 1976, 1735 - Mines de potasse d'Alsace, RNr 24f). Diese Rechtsprechung hat der EuGH mit der Entscheidung C-68/93 (= Slg 1995 I-00415 - Shevill, RNr 30) auf grenzüberschreitende Ehrverletzungen durch die Presse angewandt und ausgesprochen, dass der Betroffene den Herausgeber sowohl im Niederlassungsstaat als auch in dem Vertragsstaat klagen kann, in dem die Veröffentlichung verbreitet und das Ansehen des Betroffenen nach dessen Behauptung beeinträchtigt worden ist. Eine weitere Klarstellung brachte die Entscheidung C-364/93 (= Slg 1995 I-02719 - Marinari, RNr 15). Nach dieser Entscheidung ist unter dem „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", nicht auch der Ort zu verstehen, an dem der Geschädigte einen Vermögensschaden in der Folge eines in einem anderen Vertragsstaat entstandenen und dort von ihm erlittenen Erstschadens erlitten zu haben behauptet. In der bisher letzten - aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des erkennenden Senats ergangenen - Entscheidung zu dieser Frage hat der EuGH präzisiert, dass sich die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes - als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens - bezieht, weil dem Kläger nach seinem Vorbringen durch Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Vertragsstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist (EuGH 10. 6. 2004, C-168/02 - Kronhofer, RNr 21).
Die Rechtsprechung des EuGH lässt sich damit wie folgt zusammenfassen: Bei Distanzdelikten kann sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort geklagt werden; als Erfolgsort kommt aber nur jener Ort in Betracht, an dem sich die Schädigung zuerst auswirkt. Folgewirkungen auf Person oder Vermögen des Geschädigten lassen dessen Sitz auch dann nicht zum Erfolgsort werden, wenn sie gleichzeitig verwirklicht werden.
Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden:
Die Klägerin stützt ihren Anspruch darauf, dass der Beklagte für kreditschädigende Äußerungen in Polen, in Gerasdorf und in Ried im Innkreis einzustehen habe. Die Frage, ob auch der Sitz der Klägerin Erfolgsort ist, kann sich nach der Rechtsprechung des EuGH nur bei den Behauptungen stellen, die in einem nach Polen gesandten Fax enthalten waren. Nur in diesem Fall stimmen der Ort der beanstandeten Handlung (Absenden eines Fax mit kreditschädigenden Behauptungen) und der Ort, an dem aus diesem Ereignis ein Schaden entstanden ist (Rufschädigung durch Verbreiten der Behauptungen), nicht überein. In den beiden anderen Fällen soll sich der Beklagte selbst oder einer seiner Mitarbeiter bei Geschäftspartnern abfällig über die Klägerin geäußert und damit deren Ruf geschädigt haben, so dass Handlungsort und Erfolgsort identisch sind.
Die (allein) in Polen verbreiteten Behauptungen konnten den Ruf der Klägerin nur in Polen schädigen. Dass sich eine derartige Rufschädigung auf die Klägerin (und damit insoweit auch an ihrem Sitz) auswirkt, begründet ihre Klagelegitimation, reicht aber nicht aus, um die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu begründen. Es handelt sich dabei um eine - wenn auch gleichzeitig bewirkte - bloße Folge der Rufschädigung in Polen, die keine besonders enge Beziehung zwischen der Verbreitung herabsetzender Behauptungen und dem angerufenen Gericht schafft und daher auch gar nicht geeignet wäre, dessen Zuständigkeit zu rechtfertigen.
Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben. Der Anregung der Klägerin, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob bei (bloßen) Beeinträchtigungen des Rufs eines Unternehmens der Schadenseintritt regelmäßig mit dem Sitz des Unternehmens zusammenfällt, ist insbesondere angesichts der oben wiedergegebenen jüngsten Entscheidung des EuGH nicht zu folgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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