OGH 15Os44/04

OGH15Os44/0424.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zülfikar S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Dezember 2003, GZ 031 Hv 170/03z-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Zülfikar S***** (nach Wiederaufnahme des Verfahrens erneut) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (I.) und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er am 4. oder 5. Oktober 1997 in Wien Sonja S*****

I. mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie mit Gewalt auf das Bett warf, knebelte, sie gewaltsam auszog, ihr androhte, sie mit einem Messer zu kitzeln und in der Folge mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchführte;

II. durch gefährliche Drohung, indem er zu ihr sagte, falls sie jemand etwas von dem zu I. geschilderten Vorfall erzählen würde, könne sie sich "bei Gott vorstellen", zur Unterlassung einer Anzeige wegen Vergewaltigung zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die auf die Z 3, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Der Einwand aus Z 3 (iVm § 250 Abs 2 StPO), dem Angeklagten sei in der Hauptverhandlung vom 27. Juni 2001 die Aussage des in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugen Ernst S***** nicht zur Kenntnis gebracht worden, ist verfehlt, weil durch die Neudurchführung der Hauptverhandlung am 18. Dezember 2003 gemäß § 276a StPO (wegen geänderter Senatsbesetzung und Zeitablaufs) in einer früheren Hauptverhandlung allenfalls unterlaufene Nichtigkeiten obsolet geworden sind (Mayerhofer, StPO4 § 276a E 8). Davon abgesehen war der Angeklagte bei der ergänzenden Befragung des genannten Zeugen in der ersterwähnten Verhandlung ohnedies zugegen (S 419 iVm 431 ff/I) und stellte selbst Fragen an diesen (S 433 f/I).

Auch die Verfahrensrüge aus Z 4 versagt.

Mit dem Vorbringen, wonach eine der beiden Schöffinnen mit der Ablehnung von Beweisanträgen nicht einverstanden war, wird keine Urteilsnichtigkeit aufgezeigt.

Die Befragung der Zeugen Manfred Sc***** und Martina S***** "zum körperlichen Aussehen des Angeklagten zum damaligen Tatzeitpunkt" (S 503/I) war entbehrlich, weil weder aus dem Antragsvorbringen hervorgeht noch sonst einsichtig ist, warum Details zur Statur des Angeklagten für dessen Wiedererkennung relevant sein sollen. Sonja S***** identifizierte den Angeklagten, den sie ihrer Aussage zufolge schon vor der Vergewaltigung als Angestellten des Hotels kannte, in dem auch sie beschäftigt war, bei persönlichen Gegenüberstellungen als Täter (S 101, 361, 373, 395/I, je iVm S 501/I) und nahm zu dem bei der Anzeigeerstattung erwähnten Merkmal eines auffälligen Bauches (S 19/I) näher Stellung (US 6 iVm S 103, 363/I).

Dem Antrag auf Vernehmung des Rechtsanwaltes Dr. Michael D***** zum Beweis dafür, "dass entgegen der Aussage der Zeugin S***** der Zeuge Dr. D***** nicht ohne Auftrag bzw Information der Mandantin eine Forderung in den Raum stellt" (S 503/I; vgl Blg A./ zu ON 61), fehlte die gebotene Konkretisierung, warum ein allfälliger Irrtum der Zeugin hinsichtlich des erwähnten Auftrags an den Rechtsanwalt Rückschlüsse auf die Verlässlichkeit ihrer Depositionen zum Tatgeschehen zulassen sollte.

Die Vernehmung von Karl Sch***** und Daniela Se***** zum Nachweis dafür, dass die Hoteldirektion von sich aus am 5. Oktober 1997 das Probedienstverhältnis mit Sonja S***** beendete (S 505/I iVm S 179/I), unterblieb zu Recht, weil die Tatrichter ohnehin von der im Antrag thematisierten Nichtverlängerung des Probeverhältnisses ausgingen (US 7 f; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342).

Da Sonja S***** gar nicht behauptete, dem Angeklagten sichtbare Kratzverletzungen im Gesicht zugefügt zu haben (US 7; S 103, 393/I iVm S 501/I), war die Befragung der Zeugen Mustafa G***** und Martina K***** zum Beweis dafür, dass am 6. Oktober 1997 keine Kratzwunde auf der rechten Wange bzw im Gesicht des Angeklagten vorhanden war (S 505/I iVm 179/I), entbehrlich.

Auch der Antrag auf Vernehmung der Zeugen Mag. Sc***** und Daniela Se***** zum Beweis dafür, dass am 6. Oktober 1997 und an den Tagen zuvor in keinem Zimmer der dritten Etage des Hotels A***** eine Vase zerstört wurde und sich in unbelegten Zimmern des Hotels A***** keine Vasen befinden (S 505/I iVm S 181/I), war unbegründet. Zum Einen erklärte Sonja S***** niemals, dass die Vase, die sie dem Angeklagten während der Vergewaltigung auf den Kopf schlagen wollte, zerbrochen sei (S 69/I iVm S 501/I). Andererseits fehlte dem Beweisantrag die gebotene Darlegung, inwiefern der Zeuge Mag. Manfred Sc*****, der das Vorhandensein von Vasen in unbelegten Zimmern keineswegs ausschloss (S 204, 279/I) bei einer neuerlichen Vernehmung Gegenteiliges aussagen sollte und warum Daniela Se***** entgegen ihrer bisherigen Aussage (ON 27) zweckdienliche Angaben zu diesem Beweisthema machen könnte.

Nicht zielführend war auch der Antrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens hinsichtlich der Aussage der Zeugin S***** (S 507/I). Abgesehen davon, dass die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage grundsätzlich dem erkennenden Gericht zusteht (Mayerhofer aaO § 270 E 142, § 281 Z 4 E 124) und die erforderliche Zustimmung der Zeugin zu einer psychologischen Exploration im Antrag nicht einmal behauptet wurde, kommt eine Psychiatrierung nur dann in Betracht, wenn objektive Momente die Fähigkeit, Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnistreu wiederzugeben, in Frage stellen. Solche erhebliche Zweifel, die ihrem Gewicht und ihrer Art nach den im § 11 StGB erfassten Geistesstörungen gleichkommen, wurden im Antrag nicht dargetan. Dem Begehren "auf nochmalige Vernehmung des Zeugen H*****, er ist unmittelbarer Zeuge des angeblichen Telefonates und hat mit der Frau S***** über die Anzeige gesprochen" (S 509/I), fehlte ein konkretes Beweisthema (Ratz aaO § 281 Rz 327).

Entgegen dem Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) bedurften die in der Beschwerde punktuell hervorgehobenen Zeugenaussagen über die Statur des Angeklagten zur Tatzeit keiner besonderen Erörterung in den Entscheidungsgründen, weil Sonja S***** den ihr schon vor der Tat als Hotelangestellten bekannten Angeklagten bei persönlichen Gegenüberstellungen mit Sicherheit als Täter identifizierte, zu ihrer ursprünglichen Personsbeschreibung hinsichtlich des auffallenden Bauches näher Stellung nahm und weder Figur noch Körpergewicht für die Wiedererkennung maßgeblich waren (US 6 f). Weil die Erstrichter ohnedies das Unterbleiben einer Verlängerung des Probe-Dienstverhältnisses annahmen (US 7 f), war die vom Angeklagten vermissten Auseinandersetzung mit der damit übereinstimmenden Aussage des Zeugen Mag. Manfred Sc***** entbehrlich.

Die reklamierte Verwertung des Privatgutachtens Dris. L***** (ON 58) unterblieb zu Recht, weil es in der Hauptverhandlung dem Protokoll zufolge nicht verlesen wurde (S 505 unten iVm 509/I). Mit dem in der Tatsachenrüge (Z 5a) gegebenen Hinweis, dass der Zeugin Sonja S***** entgegen ihrer Darstellung von den Erhebungsbeamten kein "Jugendbild" des Angeklagten vorgezeigt wurde, vermag dieser keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten, inhaltlich auf die Beschwerde verweisenden Äußerung des Angeklagten - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO. Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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