OGH 15Os36/04 (15Os37/04, 15Os38/04)

OGH15Os36/04 (15Os37/04, 15Os38/04)24.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roland T***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB, AZ 11 E Vr 1052/99 des Landesgerichtes Korneuburg, und wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 42 E Hv 13/03k des Landesgerichtes Wr. Neustadt, über die vom Generalprokurator gegen das Urteil und den Beschluss des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 16. Mai 2003, GZ 42 E Hv 13/03k-10, und den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 12. Juni 2003, GZ 11 E Vr 1052/99-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1. das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 16. Mai 2003, GZ 42 E Hv 13/03k-10, in der Bestimmung des § 29 StGB;

2. der gemeinsam mit dem Urteil verkündete Beschluss auf Absehen vom Widerruf der im Verfahren AZ 11 E Vr 1052/99 des Landesgerichtes Korneuburg gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre in der Bestimmung des § 56 StGB;

3. der Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 12. Juni 2003, GZ 11 E Vr 1052/99-28, mit dem die im Urteil vom 25. August 1999 verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen wurde, obwohl der zu

2. genannte Beschluss vorlag, in der Bestimmung des § 43 Abs 2 StGB.

Text

Gründe:

Mit infolge sofortigen Rechtsmittelverzichts in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 25. August 1999, GZ 11 E Vr 1052/99-12, wurde Roland T***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 130 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Im Verfahren AZ 42 E Hv 13/03k des Landesgerichtes Wiener Neustadt wurde Roland T***** mit Urteil vom 16. Mai 2003 des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB, des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die gleichfalls gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Unter einem wurde vom Widerruf der im Verfahren AZ 11 E Vr 1052/99 des Landesgerichtes Korneuburg gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert (ON 10). Eine Ablichtung des in gekürzter Form gemeinsam mit dem Beschluss ausgefertigten Urteils wurde am 2. Juni 2003 dem Landesgericht Korneuburg zum oben angeführten Verfahren übermittelt (ON 11).

Mit Beschluss vom 12. Juni 2003, GZ 11 E Vr 1052/99-28, sah das Landesgericht Korneuburg - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - ungeachtet der seit 4. Juni 2003 aktenkundigen Probezeitverlängerung (ON 32) die über Roland T***** verhängte Freiheitsstrafe endgültig nach.

Rechtliche Beurteilung

Das genannte Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt steht, wie die Generalprokuratur in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Roland T***** liegt nach dem Inhalt des Schuldspruches, soweit hier von Bedeutung, zur Last, er habe mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet und dies versucht, wobei ein 2.000 Euro übersteigender Schaden herbeigeführt wurde, und zwar

I. am 5. Oktober 2002 in Vösendorf Verfügungsberechtigte der Firma N***** durch Vorspiegelung einer falschen Identität sowie seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zur Ausfolgung eines Laptops im Wert von 2.190 Euro zu verleiten versucht, wobei er zur Täuschung eine falsche Urkunde, nämlich einen unter Nachmachung der Unterschrift des Klaus G***** hergestellten Abbuchungsauftrag, verwendete;

II. in der Zeit von Februar 2001 bis Ende 2001 in Schwechat Günther J***** durch Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zur Übergabe eines PKW.

Der erstgerichtliche Ausspruch über die rechtliche Unterstellung der Taten durch deren getrennte Beurteilung als Vergehen des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB (I.) und gesondert als Vergehen des Betruges nach § 146 StGB (II.) war verfehlt. Denn zufolge § 29 StGB sind nach gefestigter Judikatur (RIS-Justiz RS0107317; Leukauf/Steininger, Komm³ § 29 Rz 5 und 6 mwN) alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Betrügereien, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jede für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei ihrer rechtlichen Beurteilung zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen. Die gesonderte Annahme eines Vergehens des versuchten schweren Betruges neben einem Vergehen des Betruges in Ansehung ein und desselben Täters in ein und demselben Urteil ist unzulässig (Ratz in WK² § 29 Rz 5 f). Roland T***** wäre daher zu I. und II. des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 15 StGB schuldig zu sprechen gewesen. Der Verstoß gegen das Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB begründet zwar Urteilsnichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 10 StPO (13 Os 12/03, 14 Os 26/01). Die rechtsirrige Subsumtion hat aber den Angeklagten über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus in concreto nicht benachteiligt. Bei der Strafbemessung wurde das Zusammentreffen von mehreren Delikten und die mehrfache Qualifikation, nicht aber die mehrfache Tatbegehung als erschwerend gewertet (vgl Ratz WK-StPO § 290 Rz 22, 24), sodass kein Anlass für ein Vorgehen nach § 292 letzter Satz StPO bestand.

Auch der gemeinsam mit dem angeführten Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt verkündete Beschluss auf Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit entsprach nicht dem Gesetz, weil die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war. Die Verlängerung der Probezeit gemäß § 53 Abs 3 StGB kann das Gericht wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung nur in der Probezeit, innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung eines bei Ablauf der Probezeit gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens beschließen (§ 56 StGB).

Im gegebenen Fall endete die im Verfahren AZ 11 E Vr 1052/99 des Landesgerichtes Korneuburg bestimmte dreijährige Probezeit mit Ablauf des 25. August 2002. Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 16. Mai 2003 wurde Roland T***** zwar auch des schon genannten, in der Zeit zwischen Februar 2001 und Ende 2001, also während der Probezeit verübten Betruges und des in diesem Zeitraum begangenen Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Doch war am 16. Mai 2003, dem Tag der Beschlussfassung auf Probezeitverlängerung, die Probezeit bereits länger als sechs Monate abgelaufen. Weil zudem das Verfahren wegen dieser Taten erst am 22. November 2002, also nach Ablauf der Probezeit, beim Bezirksgericht Schwechat anhängig wurde (AS 1 verso in ON 9 des Aktes des Landesgerichtes Wiener Neustadt), war eine Entscheidung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht und über die Verlängerung der Probezeit nicht mehr zulässig (§ 56 StGB).

Auch der Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 12. Juni 2003, GZ 11 E Vr 1052/99-28, verletzte das Gesetz.

Die Bestimmung des § 43 Abs 2 StGB über die endgültige Strafnachsicht setzt voraus, dass die Nachsicht nicht widerrufen wird. Dieses Erfordernis war aber im Zeitpunkt der Beschlussfassung zufolge rechtswirksamer und auch aus dem Akt ersichtlicher (ON 32) Verlängerung der Probezeit durch das Landesgericht Wiener Neustadt (und der damit verbundenen Möglichkeit des späteren Eintritts eines Widerrufsgrundes) noch nicht gegeben. Mitursache dieser Gesetzesverletzung war ersichtlich die Verwendung des internen Formulars Nr. 59 (ON 28 im Akt des Landesgerichtes Korneuburg), das zur Erledigung ohne Prüfung nachfolgender Geschäftsstücke verleitet. Weil sich die demnach vorzeitige endgültige Strafnachsicht zum Vorteil des Verurteilten auswirkte, bleibt - anders als bei Vorliegen von begrifflichen miteinander völlig unvereinbaren Entscheidungen - der Beschluss vom 12. Juni 2003 (ON 28) rechtswirksam. Er machte die - gleichfalls gesetzwidrige - Probezeitverlängerung des Landesgerichtes Wiener Neustadt gegenstandslos.

In Anbetracht dessen war auch insoweit ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes nach § 292 letzter Satz StPO nicht erforderlich.

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