OGH 15Os42/04

OGH15Os42/0427.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton F***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 11. Dezember 2003, GZ 601 Hv 19/02y-65, sowie die Beschwerde der Staatsanwaltschaft und die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm Abs 6 StPO gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung der Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Spruchfaktum I/1 und in der Unterstellung der zu I/2 festgestellten Tatsachen auch unter die Qualifikation des § 162 Abs 2 StGB, demgemäß auch im Strafausspruch, sowie der unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 StPO gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung der Probezeit aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen und Beschwerden werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Anton F***** wurde des Verbrechens (I/3) der versuchten betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 (Abs 1) StGB und (richtig:) der Vergehen (I/1) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB sowie (I/2) der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

1) am 16. Oktober 1999 in Grafendorf (erg:) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Firma K***** GesmbH durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Lieferung und zum Bau eines Fertigteilkellers im Wert von 456.039,60 ATS verleitet, was einen Schaden in der Höhe von zumindest 14.534,56 Euro zur Folge hatte;

2) am 24. April 2002 in Gänserndorf Bestandteile seines Vermögens, nämlich 3 Staubsauger der Marke Kärcher, 2 Staubsauger der Marke Fantomat, 3 Bodenbürsten mit Flüssigkeitstanks, 3 Mobiltelefone der Marke Nokia 6150, 1 Videorecorder der Marke Samsung, 1 Trompete mit Koffer, 1 Kehrmaschine, 1 Laptop mit Drucker, 1 Alugerüst mit 4 Rädern, einen Koffer mit Werkzeug der Marke Wisent und 3 Gartenliegen beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger in dem zu AZ 8 E 2013/01y des Bezirksgericht Gänserndorf anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren vereitelt und hiedurch einen 2.000 Euro jedenfalls übersteigenden Schaden herbeigeführt;

3) am 11. Oktober 2000 in Gänserndorf sein Vermögen wirklich verringert, indem er ein Veräußerungs- und Belastungsverbot auf den ihm gehörenden Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** im Wert von 25.000 Euro einräumte und hiedurch die Befriedigung seiner Gläubiger zu vereiteln "und die Herbeiführung eines 2.000 Euro übersteigenden Schadens versuchte".

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt, soweit sie sich gegen den Schuldspruch zu I/3 und I/2 wegen des Vergehens nach § 162 Abs 1 StGB richtet, ihr Ziel.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die faktische Nichtdurchführung des - in Entsprechung des in der Hauptverhandlung vom 17. November 2003 (vgl S 254/II) von der Verteidigung neuerlich gestellten (vgl das Entschuldigungsschreiben ON 56 und ON 59/II) - Antrages auf Ladung des Zeugen Sch***** (S 1c AV-Bogen) Verteidigungsrechte nicht verletzt. Nachdem der Zeuge in der Verhandlung vom 11. Dezember 2003 nicht erschienen war (S 259/II), wurde von der Vorsitzenden versucht, ihn telefonisch zu kontaktieren. Warum dies nicht gelang, wurde in der Verhandlung erörtert. Da der Grund für die mangelnde Umsetzung der prozessleitenden Verfügung mit der Änderung der Verhältnisse seit der Beschlussfassung zusammenhing (die beschlossene Zeugenladung stieß auf faktische Schwierigkeiten), liegt der Mangel, anders als Z 4 verlangt, nicht im Zwischenerkenntnis (vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 317). Im Hinblick auf die in Anwesenheit der Verteidigung erörterten Umstände des Nichterscheinens des Zeugen wäre der aus dem Zwischenerkenntnis berechtigte Angeklagte verhalten gewesen, dessen Umsetzung zu verlangen, um bezüglich der Entscheidung über dieses Begehren zur Anfechtung berechtigt zu sein, das heißt er hätte einen neuerlichen Antrag auf Vernehmung des Zeugen stellen müssen. Da dies nicht geschehen ist, mangelt es ihm an der Legitimation zur Erhebung einer Verfahrensrüge.

Im Übrigen lässt der Antrag, der zum Beweis dafür gestellt worden war "dass keine Zahlungsunwilligkeit vorgelegen ist, sondern er (der Zeuge) beauftragt war die finanziellen Angelegenheiten mit der Firma K***** zu bereinigen" mangels Substantiierung nicht erkennen, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz aaO Rz 330), und wäre damit aus Z 4 schon aus diesem Grund unbeachtlich.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) Widersprüchlichkeit der Begründung betreffend die behauptete Krebserkrankung des Angeklagten sowie das Übergehen der Aussage des Zeugen Dris. V***** bzw deren unrichtige Wiedergabe behauptet, gesteht sie zum einen ohnedies deren Erörterung zu und übt zum anderen unter Anstellen eigener Beweiserwägungen, teils unter Bezugnahme auf isoliert betrachtete Verfahrensergebnisse, teils auf spekulativer Grundlage ausschließlich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese haben jedoch im Einklang mit den Grundsätzen der Logik und dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend begründet dargelegt, warum sie - entgegen der leugnenden Verantwortung des Angeklagten - davon ausgegangen sind, dass das Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten seiner Tochter eingeräumt wurde, um eine Befriedigung der Firma K***** zu verhindern (US 10 ff). Dass die aus den oben angeführten Beweismitteln vom Erstgericht gezogenen Schlüsse der Verantwortung des Angeklagten nicht folgen und dem Beschwerdeführer nicht überzeugend genug scheinen, vermag den behaupteten Begründungsmangel nicht darzustellen.

Gleiches gilt für den Einwand zum Spruchfaktum I/2, wonach das Erstgericht die Ausführungen des Angeklagten, er habe von den gepfändeten Gegenständen "im Detail" nicht gewusst, außer Acht gelassen habe. Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat das Erstgericht die gegenteiligen Beweisergebnisse erörtert (US 13) und begründet dargelegt, warum es auch in diesem Punkt der anders lautenden Verantwortung des Angeklagten nicht gefolgt ist.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist erneut auf eine unrichtige Beurteilung der Aussage des Zeugen Dr. V***** und somit falsche Schlussfolgerung zum Grund der Erkrankung des Angeklagten, vermag aber mit diesem Vorbringen keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über den die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unterlässt mit dem Einwand zu I/3, das Erstgericht hätte Feststellungen über die subjektive Tatseite zu treffen gehabt, "obwohl vom festgestellten Sachverhalt her indiziert gewesen wäre, den Vorsatz des Angeklagten zu konkretisieren", die Klarstellung, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (Ratz aaO Rz 584). Mit dem Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten, das Belastungs- und Veräußerungsverbot nur zur Absicherung des Erbes seiner Tochter eingeräumt zu haben, versucht die Beschwerde missliebige Feststellungen beweiswürdigend durch andere zu ersetzen und erweist sich damit nicht als prozessförmig ausgeführt (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO, vgl Ratz aaO Rz 593).

Die Beschwerdekritik zum Grunddelikt laut Spruchfaktum I/2, die Ausführungen des Erstgerichtes zur subjektiven Tatseite beschränkten sich auf den substanzlosen Gebrauch der verba legalia, erweist sich zum einen ihrerseits als nicht ausreichend substanziiert, und lässt zum anderen den für eine prozessordnungsgemäße Darstellung des Nichtigkeitsgrundes vorausgesetzten Hinweis vermissen, welche nach der Aktenlage indizierte Konstatierung nach Ansicht des Beschwerdeführers über die Urteilsfeststellungen hinaus (US 7) vom Schöffengericht noch zu treffen (und in weiterer Folge auch den Rechtsmittelausführungen zugrunde zu legen) gewesen wären (Ratz aaO Rz 594). Die Behauptung, es lägen "durchaus Anhaltspunkte dafür vor, Feststellungen zu treffen", hätte das Erstgericht im Hinblick darauf die "gebotenen" Feststellungen getroffen, entspricht gleichfalls nicht dem Gebot der deutlichen und bestimmten Behauptung eines Sachverhaltes, der den Prüfungskriterien des ebenso bezeichneten Nichtigkeitsgrundes entspricht (Ratz aaO § 285d Rz 10). In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dieser Ansicht (erörterungslos) ablehnenden Äußerung der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO - gemäß § 285d Abs 1 StPO (zum Teil nach § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a StPO) bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Im Recht ist die Nichtigkeitsbeschwerde allerdings mit dem Einwand zu I/2 (Z 10), die Feststellungen zur Höhe des Wertes der der Pfändung entzogenen Gegenstände stellten keine tragfähige Grundlage für die Annahme eines 2.000 Euro überschreitenden Wertes dar. Denn die Konstatierung, "die Gegenstände waren nicht sehr viel wert" (US 7), bietet keine ausreichende Tatsachengrundlage für eine Unterstellung nach § 162 Abs 2 StGB (Ratz aaO Rz 605).

Als zutreffend erweist sich weiters die Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5) geltend machende Kritik betreffend das Faktum I/1, wonach das Schöffengericht entscheidende Umstände aus der Aussage des Angeklagten (dass die den Vertrag für den Keller und später den Vergleich mitunterschreibende Zeugin W***** für die Bezahlung mit gehaftet hätte) mit Stillschweigen übergangen hat. Beweiswürdigend ging das Erstgericht davon aus, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Bestellung des Kellers hohe Schulden hatte und zahlreiche Exekutionen bestanden und er es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit auch abgefunden habe, dass er den Keller nicht finanzieren werden könne, er zwar hoffte, dass er irgendwie zu Geld kommen werde, zumal er auch ein Steuerguthaben hatte, jedoch nicht die Absicht hatte, dieses Steuerguthaben für die Abdeckung des Kellers zu verwenden (US 4). Die sich aus dem Vertrags- und Vergleichsabschluss ergebende Zahlungsverpflichtung der Zeugin W***** wurde ebenso mit Stillschweigen übergangen wie die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach er das Geld zur Begleichung des Restkaufpreises von 200.000 S zur Verfügung gehabt hätte, wenn er die Zeugin W***** nicht wegen ihrer Haushälfte ausbezahlen hätte müssen. Damit ist das Schöffengericht aber seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, im Urteil alle in der Hauptverhandlung vorgekommenen erheblichen Beweise zu würdigen und zu erörtern, wie es über die den Feststellungen entgegenstehenden Beweisergebnisse hinweggekommen ist (Mayerhofer StPO § 281 Z 5 E 57). Da die aufgezeigten Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht behoben werden können und sich demnach zeigt, dass eine neue Hauptverhandlung unumgänglich ist, war der Nichtigkeitsbeschwerde im oben aufgezeigten Umfang gemäß § 285e StPO bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil insoweit sowie im Strafausspruch und der damit verbundene Beschluss aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft ebenso wie mit ihren Beschwerden auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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