OGH 7Ob85/04g

OGH7Ob85/04g26.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert S*****, vertreten durch Dr. Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johannes Schröttner, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 4.809 sA), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2003, GZ 7 R 158/03m-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. August 2003, GZ 3 C 1711/02z-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das klagsabweisende Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.512,70 (darin EUR 163,78 Umsatzsteuer und EUR 530 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Außer Streit steht, dass sich der Kläger am 9. 6. 2002 im Café der Beklagten in Graz aufhielt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Auszahlung eines dabei an einem Glücksspielautomaten der Beklagten erzielten Gewinnes von EUR

4.809. Dieser sei von der Kellnerin der Beklagten bestätigt, jedoch nie ausbezahlt worden. Es treffe nicht zu, dass der Glücksspielautomat funktionsuntüchtig gewesen sei. Die Beklagte hätte aber auch im Fall einer Fehleranfälligkeit des Automaten, die in ihren Risikobereich falle, für den Gewinn einzustehen. Wenn der Apparat nicht funktionierte, hätte er außer Betrieb genommen werden müssen. Die Spieler durften davon ausgehen, dass "ausgeworfene" Gewinne ausbezahlt würden.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Kläger habe an ihrem Glücksspielautomaten keinen (derartigen) Gewinn erzielt. Die unverzüglich nach der Gewinnreklamation des Klägers durchgeführte Kontrolle des Spielautomaten habe ergeben, dass dessen Banknotenakzeptor nicht ordnungsgemäß funktionierte. Er habe ungeachtet der Höhe des eingesteckten Geldbetrages ohne zu stoppen Guthaben = Spielkredit auf den Automaten aufgebucht. Deshalb sei die Auszahlung des vermeintlichen Gewinnes zu Recht abgelehnt worden. Dem Kläger sei als erfahrenem Spieler auch die Funtions[un]tüchtigkeit des Spielautomaten bekannt. Ein Gewinn in dieser Höhe sei im Übrigen aufgrund der Technik des Apparates ausgeschlossen, weil es sich um einen behördlich genehmigten Spielautomaten handle, bei welchem gemäß dem Steiermärkischen Veranstaltungsgesetz (Stmk-VeranstG) pro Spiel ein Einsatz von höchstens 50 Cent und ein Gewinn von maximal EUR 20 möglich seien. Außerdem stelle der Klagsbetrag als sog "Spielschuld" eine Naturalobligation dar. Auch nach der Bestätigung der Mitarbeiterin der Beklagten, dass der gegenständliche Betrag auf dem Automaten gestanden sei, fehle dem weder hinterlegten noch tatsächlich entrichteten Gewinn die Klagbarkeit.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Beklagte betreibt in ihrem Lokal mit Bescheid des Gewerbeamtes der Stadt Graz bewilligte Spielautomaten. Der Kläger "begann" (richtig: beendete es [Beilage ./A]) am 9. 6. 2003 gegen 17.30 Uhr an einem Glücksspielautomaten der Beklagten das Spiel "Bingo Ball" (richtig: "Bingo Roll" [Beilage ./1]) zu spielen. Nachdem er EUR 100 in das Gerät eingeschoben hatte, begann er zu spielen. Er spielte über viereinhalb bis fünf Stunden lang bis zu einem Betrag von EUR

4.809 und wandte sich dann an die Kellnerin, welche den Betrag vom Zählwerk abschrieb und eine Bestätigung ausfüllte. Da nicht genug Geld in der Kassa vorhanden war, informierte die Kellnerin die Chefin des Lokals, welche meinte, dass der Gewinn nicht möglich sei und deshalb erst überprüft werden müsse. Eine Woche später setzte sich der Kläger mit der Chefin des Lokals telefonisch wieder in Verbindung, um mit ihr über den Gewinn zu sprechen. Sie teilte ihm mit, dass der Spielautomat defekt gewesen sei, weshalb er keinen Anspruch auf Gewinn habe.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, Wette und Spiel begründeten, soweit sie erlaubt seien, eine Naturalobligation gemäß § 1271 ABGB. Solche Gewinne wären nur einklagbar, wenn sie nicht bloß versprochen, sondern auch wirklich entrichtet oder hinterlegt worden seien. Der Ausnahmebestimmung des § 1274 ABGB unterliegende und deshalb einklagbare Gewinnforderungen seien nur Gewinne in den Staatsloterien bzw in den vom Staat ausdrücklich genehmigten Veranstaltungen. Auch die Ausstellung der Bestätigung habe die Klagbarkeit der Forderung nicht bewirkt, weil damit der Gewinn nur versprochen, nicht aber wirklich ausgezahlt worden sei. Der weder entrichteten noch hinterlegten Spielschuld fehle als Naturalobligation die Klagbarkeit.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf, verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung an das Prozessgericht erster Instanz zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der gerügte Verfahrensmangel liege nicht vor, weil das Erstgericht ohnehin festgestellt habe, dass es sich beim Spielautomaten im Lokal der Beklagten um einen mit Bescheid des Gewerbeamtes der Stadt Graz bewilligten Spielautomaten handle, was die Beklagte im Übrigen nie bestritten habe. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat in rechtlicher Hinsicht folgenden Standpunkt:

Nach der bisherigen Rechtsprechung (EvBl 1986/168) werde das bloße Aufstellen eines nach den Gesetzen nicht verbotenen Spielautomaten nicht als eine staatlich genehmigte Glücksspielveranstaltung iSd § 1274 ABGB angesehen, weshalb Spielgewinne selbst dann, wenn darüber ein Schuldschein ausgestellt wurde, nicht einklagbar seien. Dem könne sich das Berufungsgericht im Hinblick auf die im Jahr 1998 ergangene neue Entscheidung eines verstärkten Senates der Obersten Gerichtshofes (1 Ob 107/98m) jedoch nicht mehr anschließen. Beim Glücksspielautomaten der Beklagten handle es sich um einen behördlich genehmigten Automaten, der "voraussichtlich" die Voraussetzungen des § 6a Abs 3 Stmk-VeranstG erfülle. Zumindest behaupte dies die Beklagte und würde sich dies auch aus dem vorgelegten Gutachten Beilage ./1 ergeben. Da eine Abgrenzung zwischen Wette und Spiel entbehrlich sei, weil § 1274 ABGB für beide Rechtsgeschäfte anzuwenden sei (1 Ob 107/98m), könne kein rechtlicher Unterschied zwischen behördlich genehmigten Buchmacherwetten und behördlich genehmigten Glücksspielautomaten gemacht werden. Spielgewinne aus Glücksspielautomaten, die die Voraussetzungen des Stmk-VeranstG, insbesonders dessen §§ 5a und 6a erfüllten, seien daher unter der Voraussetzung, dass der Spieler (wie hier) den Spieleinsatz tatsächlich entrichtet habe, klagbar. Dies könnte zur gänzlichen Klagsstattgebung führen. Die Beklagte habe aber eingewandt, dass der Glücksspielautomat defekt gewesen sei und dazu Beweismittel angeboten. Auch im Hinblick auf § 19a Abs 1 und 2 Stmk-VeranstG, wonach der Bewilligungsinhaber den Spielbetrieb zu überwachen und dafür zu sorgen habe, dass beim Spielbetrieb die gesetzlichen Bestimmungen und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen eingehalten werden, komme diesem Einwand allenfalls Berechtigung zu. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die dazu angebotenen Beweise aufzunehmen haben. Es werde erforderlich sein, festzustellen, ob der vom Kläger erzielte Gewinn auf einen defekten Apparat zurückgeführt werden könne, und ob dieser Defekt auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Letzteres sei deshalb von Bedeutung, weil für die Mangelhaftigkeit des Spielautomaten ansonsten die Beklagte allein einzustehen habe. In diesem Zusammenhang werde auch festzustellen sein, ob der betreffende Spielautomat die Voraussetzungen des Stmk-VeranstG erfülle, insbesondere dessen § 6a. Um der Argumentation der Beklagten entgegentreten zu können, werde allenfalls auch noch festzustellen sein, ob insgesamt ein Gewinn [von EUR 4.809] bei einem Spieleinsatz von maximal EUR 0,50 und einem Gewinn von EUR 20 [Anm: pro Spiel] in der vom Kläger angegebenen Zeit möglich sei.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehle, ob Glücksspielautomaten, die behördlich genehmigt sind und die Voraussetzungen des Stmk-VeranstG erfüllen, als Staatslotterien iSd § 1274 ABGB anzusehen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist aus den genannten Gründen zulässig; es kommt ihm auch Berechtigung zu.

Das von der Beklagten bekämpfte Abgehen von der bisherigen Rsp des

Obersten Gerichtshofes, wonach das bloße Aufstellen eines - nicht

verbotenen - Spielautomaten nicht als eine staatlich genehmigte

Glücksspielveranstaltung iSd 1274 ABGB angesehen wird und

Spielgewinne daher, selbst wenn darüber Schuldscheine ausgestellt

wurden, nicht einklagbar sind (SZ 58/184 = EvBl 1986/168 = JBl 1986,

728 = HS 16.846 = REDOK 8670; so auch zuletzt: Krejci in Rummel³ II/1

[2002] Rz 69a zu §§ 1267 - 1274 ABGB), hat das Berufungsgericht

ausdrücklich damit begründet, es könnte sich dieser Rsp im Hinblick

auf die Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten

Gerichtshofes, 1 Ob 107/98m (SZ 71/183 = EvBl 1999/49 = JBl 1999, 117

= RdW 1999, 202 = ecolex 1999/1 [zust Wilhelm] = JAP 1999/2000, 33

[zust Reidinger] = HS 29.489 = ÖJZ-LSK 1999/56) nicht (mehr)

anschließen. Darin ist jedoch - wie vorweg festzuhalten ist - nicht über derartige Spielgewinne aus Glücksspielautomaten entschieden worden, sondern über "Buchmacherwetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, die aufgrund einer Bewilligung der Landesregierung zur gewerbsmäßigen Vermittlung derartiger Wetten abgeschlossen worden sind" (Koziol/Welser II12 255). Für diese hat ein verstärkter Senat des Obersten Gerichtshofes den Rechtssatz formuliert, "Buchmacherwetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, die aufgrund einer Bewilligung der Landesregierung zur gewerbsmäßigen Vermittlung derartiger Wetten abgeschlossen werden, sind 'Staatslotterien' im Sinne des § 1274 ABGB. Demnach ist die Wettschuld eines solchen Buchmachers jedenfalls dann klagbar, wenn sein Vertragspartner den Wettpreis tatsächlich entrichtet oder hinterlegt hat. Unklagbar ist dagegen der von einem solchen Buchmacher kreditierte Wettpreis, wenn der Vertragspartner die Wette verloren hat."

und ausgesprochen:

"Dieser Rechtssatz muss hier zur gänzlichen Klagestattgebung führen, weil der Kläger der Beklagten den Wettpreis bezahlte und die gültig zustande gekommene Wette gewann. Entgegen der Ansicht der Beklagten entspricht es, wie oben im Einzelnen nachgewiesen wurde, gerade der Absicht des Gesetzgebers, 'landesbehördlich bewilligte Sportwetten ... besser' zu stellen 'als sonstige nicht bewilligte Wetten', die nicht mehr als 'bloße Naturalobligationen erzeugen'."

Insoweit ist daher auf die ausführliche Begründung dieser Entscheidung zur Auslegung des Begriffs "Staatslotterien" in § 1274 ABGB (mit historischen, teleologischen und rechtsvergleichenden Argumenten) zu verweisen, die sich an - im vorliegenden Fall unstrittig nicht anzuwendenden - besonderen, für Sportwetten bestehenden Regelungen orientiert (vgl 1 Ob 107/98m mwN). Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt stellt sich aber - wie bereits aufgezeigt - nicht die Frage, ob ein konzessionierter Buchmacher für eine Wettschuld gerichtlich einzustehen hat, sondern jene, ob - entgegen der eingangs zitierten Rsp und Lehre - die Aufstellung eines gesetzlich nicht verbotenen Spielautomaten ebenfalls als staatlich genehmigte Glücksspielveranstaltung iSd § 1274 ABGB zu qualifizieren sei, weil - wie das Berufungsgericht meint - "kein rechtlicher Unterschied" zwischen behördlich genehmigten Buchmacherwetten und behördlich genehmigten Glücksspielautomaten gemacht werden könne, womit auch Spielgewinne aus Glücksspielautomaten, die die Voraussetzungen des Stmk-VeranstG, insbesondere dessen §§ 5a und 6a erfüllen, unter der Voraussetzung, dass der Spieler den Spieleinsatz (wie hier) tatsächlich entrichtet hat, klagbar wären.

Dieser Beurteilung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

Zuzugestehen ist, dass gemäß § 1272 ABGB "jedes Spiel ... eine Art Wette" darstellt. Die Rechtsnatur des Spiels ist jener der Wette zumindest wesensähnlich. Letztere ist der weitere Kreis, in den auch das Spiel fällt, wobei eine Abgrenzung zwischen Spiel und Wette für deren zivilrechtliche Folgen nach herrschender Ansicht entbehrlich ist, weil auf beide Rechtsgeschäfte dieselben Rechtsvorschriften - also auch § 1274 ABGB - anzuwenden sind (1 Ob 107/98m mwN). Für ein Abgehen von den in Rsp und Lehre vertretenen Grundsätzen, wonach die Aufstellung eines gesetzlich nicht verbotenen Spielautomaten keine staatlich genehmigte Glücksspielveranstaltung darstellt (Krejci in Rummel³ II/1 [2002] Rn 69a zu §§ 1267 - 1274 ABGB mwN) ist daraus jedoch nichts zu gewinnen:

Dem aus dem für Sportwetten maßgebenden Gesetz "unmissverständlich hervorgetretenen Leitgedanken des Schutzes des Wettpartners eines konzessionierten Buchmachers" (1 Ob 107/98m) kann hier nämlich schon mangels Anwendbarkeit der zitierten Bestimmungen auf Spielautomatengewinne keine Bedeutung für eine (neue) Qualifikation der Aufstellung von gesetzlich nicht verbotenen Spielautomaten als staatlich genehmigte Glücksspielveranstaltung iSd § 1274 ABGB zukommen; und ein vergleichbarer Schutzgedanke in den hier bezughabenden Regelungen des GSpG bzw des Stmk-VeranstG, wonach zur Erlangung einer behördlichen Bewilligung zur Aufstellung von Glücksspielautomaten bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen sind (vgl dazu Schwartz, Strukturfragen und ausgewählte Probleme des österr Glücksspielrechts, 105 ff bzw [zu den "Spielapparaten" iSd Stmk-VeranstG:] 118 f), ist ebenfalls nicht zu erkennen. Im vorliegenden Fall besteht somit kein Anlass, von der in der Lehre gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Unklagbarkeit von Gewinnanprüchen im Zusammenhang mit (Geld-)Spielautomaten abzugehen. Da die erstgerichtliche Klageabweisung diesen Grundsätzen entspricht, ist das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Sollte es sich jedoch um einen nach dem GSpG verbotenen Betrieb eines Spielautomaten, bei dem ein in Geld oder Geldeswert bestehender, dem Gesetz nicht entsprechender Gewinn in Aussicht gestellt oder ausgefolgt wird (Krejci aaO Rz 62 zu §§ 1267 - 1274 ABGB), gehandelt haben (weil der gegenständliche Spielautomat etwa die Wertgrenzen des "kleinen Spiels" [Schwartz aaO 105] nicht erfüllte [vgl den Auftrag des Berufungsgerichtes an das Erstgericht, dies noch näher festzustellen: Seite 7 der Berufungsentscheidung]), wäre der Klageforderung die Grundlage schon infolge Nichtigkeit der auf Gewinnauszahlung gerichteten Vereinbarung entzogen. Die Rückforderung des Einsatzes wurde nicht begehrt. Die Entscheidung über Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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