OGH 13Os30/04

OGH13Os30/0419.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef N***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 17. September 2003, GZ 39 Hv 78/03t-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 erster Fall StGB (II.) sowie im Strafausspruch und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache in diesem Umfange zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Josef N***** wurde der - jeweils tatmehrheitlich begangenen - Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB aF (I.1.) des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I.2.) sowie des Vergehens (richtig wegen Tatmehrheit: der Vergehen) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (I.3.) und des Vergehens (richtig: der Vergehen) der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 erster Fall StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in der Zeit von 1991 bis Mitte 1995 in Seekirchen zu I. an seiner am 5. September 1981 geborenen und somit unmündigen Tochter Kristina N***** in wiederholten Angriffen und unregelmäßigen Abständen

1. sexuelle Handlungen in Form von Einführen eines Fingers in die Scheide durchgeführt und seine Tochter dadurch auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht;

2. durch intensives Betasten der äußeren Geschlechtsteile außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen;

3. die in den Fakten I.1. und 2. beschriebenen Handlungen vorgenommen und dadurch sein minderjähriges Kind zur Unzucht missbraucht;

zu II. dadurch, dass er in Gegenwart seiner am 5. September 1981 geborenen und somit unmündigen Tochter Kristina N***** wiederholte Male seinen erigierten Penis entblößte, eine Handlung, die geeignet war, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen. Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a und 9 lit c des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge (Z 5) moniert als Unvollständigkeit im Bezug auf die Feststellung des Einführens eines Fingers in die Scheide des Tatopfers (I.1.) das Übergehen der Aussage der Mona Lisa N*****, der Schwester der Kristina N*****.

Eine Auseinandersetzung mit dieser Zeugenaussage war jedoch entbehrlich, weil nur Tatsachenbekundigungen über sinnenhafte Wahrnehmungen, (die der Vergangenheit angehören), den Gegenstand einer Zeugenaussage bilden können (Mayerhofer StPO4 § 150 E 1, 2; Steininger Komm3 § 288 Rn 4), nicht aber subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge (EvBl 1992/189), als welche der von der Zeugin Mona Lisa N***** aus der angeblichen Nichterwähnung einer Penetration gezogene Schluss anzusehen ist, eine solche habe nicht stattgefunden. Auch auf die Aussage der Zeugin Nelida N*****, der Mutter des Tatopfers, einzugehen, war das Erstgericht nicht verhalten, war doch auch daraus nichts Sachdienliches zu gewinnen. Diese Zeugin hat nämlich ausdrücklich erklärt, dass der Angeklagte nach den Schilderungen Kristina N*****s ihre Brüste gestreichelt und auch mit seinen Händen den Intimbereich des Mädchens berührt hätte, sie jedoch nicht hätte in Erfahrung bringen können, was dabei "im speziellen" geschehen sei, weil "Kristina einfach nichts mehr erzählt" hätte (S 107).

Aus welchen Gründen das Tragen eines Höschens und eines Nachthemds das Berühren der bloßen Geschlechtsteile letztlich unmöglich machen soll, bleibt unerfindlich. Im Übrigen betrifft die Frage der Bedeckung von Geschlechtsteilen anlässlich deren Betastung keine entscheidende Tatsache.

Die Mängelrüge gegen die Schuldsprüche I. geht somit ins Leere. Gleiches trifft für die umfängliche Tatsachenrüge (Z 5a) zu, welche die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter zu den Schuldsprüchen I. zu widerlegen trachtet, ohne jedoch sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der diese Schuldsprüche stützenden Feststellungen entscheidender Tatsachen aufzuzeigen. Die Rüge nach Z 9 lit c (richtig: Z 10, Höpfel in WK2 § 61 Rz 20) kritisiert, dass neben der Verurteilung wegen wiederholten Einführens eines Fingers in die Scheide nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB aF (I.1.) der Angeklagte zusätzlich für die zur gleichen Zeit oder zumindest im selben Zeitraum angelasteten Missbrauchshandlungen nach § 207 Abs 1 StGB idgF (I.2.) verurteilt worden sei. Letztere Missbrauchshandlungen seien jedoch "untergeordnet" gegenüber einer Penetration mit dem Finger und daher "nach dem Günstigkeitsprinzip von der Verurteilung nach der damals geltenden Bestimmung des § 207 Abs 1 StGB umfasst bzw in diese einzubeziehen". Die Verurteilung für ein weiteres Delikt nach der geltenden Fassung widerspreche ansonsten dem Günstigkeitsprinzip.

Die Beschwerde unterlässt jedoch darzulegen, was unter "untergeordnet" zu verstehen sei, bleibt somit undeutlich sowie unbestimmt, und lässt eine Ableitung aus dem Gesetz vermissen, aus welchen Gründen sonstige weitere Missbrauchshandlungen neben einer Penetration mit dem Finger, "untergeordnet" gewesen seien. Auf eine Änderung der Subsumtion von § 207 Abs 1 aF zu § 207 Abs 1 StGB zielt die Beschwerde nicht ab, vielmehr - in Verkennung der Tatsache einer jeweils gleicherartigen Verbrechensmenge und in der irrigen Annahme einer Art fortgesetzten Delikts (vgl WK-StPO § 281 Rz 622 ff) - nur auf eine Verdrängung von § 207 neu durch § 207 alt StGB infolge Scheinkonkurrenz und geht solcherart nicht von den Feststellungen aus.

Insoweit geht die Nichtigkeitsbeschwerde ebenfalls ins Leere. Sie ist jedoch berechtigt, soweit sie sich aus Z 5 sowie nominell Z 9 lit c (inhaltlich: 9 lit a) gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens (wegen Tatmehrheit richtig: der Vergehen) der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 erster Fall StGB richtet.

Zutreffend zeigt die Rechtsrüge auf, dass Feststellungen zum Vorsatz bezüglich der allgemeinen Gefährdungseignung (Schick, WK2 § 208 Rz 11) zur Gänze fehlen. Schon aus diesen Gründen - ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeargumente ist demnach nicht erforderlich - zeigt sich, dass dieser Schuldspruch teils nicht zureichend begründet ist, teils zu seiner Stützung weitere erforderliche Feststellungen fehlen. Da der Begründungsmangel und das Fehlen der Feststellungen durch den Obersten Gerichtshof nicht behoben werden können, ist die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung (und eine neue Entscheidung) unerlässlich.

Das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher im Schuldspruch wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 erster Fall StGB (II.) sowie im Strafausspruch und - wegen des Zusammenhanges - auch im Ausspruch über die privatrechtlichen Aussprüche bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO).

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch - ebenfalls bei der nichtöffentlichen Beratung - gemäß § 285d StPO zurückzuweisen und der Angeklagte mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 Abs 1 StPO.

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