OGH 11Os31/04

OGH11Os31/0427.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pröstler-Zehetmaier als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Jänner 2004, GZ 142 Hv 139/03g-44, sowie über die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss (§ 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Strafausspruch, einschließlich der Einweisung in eine Anstalt nach § 21 Abs 2 StGB, ebenso wie der Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung und der Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält - wurde Peter G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (A) und des Vergehens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A. am 4. Juli 2003 Jenny D***** mit Gewalt und durch Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihr den Mund zuhielt, sie an der Schulter packte und zu Boden drückte, sie dazu aufforderte, ruhig zu sein, sonst würde er sie schlagen, ihre Brust betastete und einen Finger in ihre Vagina einführte;

B. am 31. August 2003 Magdalena K***** mit Gewalt zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie an den Händen packte und festhielt, wobei er infolge ihrer lauten Schreie von ihr ablassen musste.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28, 36, 201 Abs 2 StGB eine zweijährige Freiheitsstrafe und wies ihn überdies in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB ein. Zudem widerrief es die dem Genannten zum AZ 6 Hv 9/03v des Jugendgerichtshofes Wien gewährte bedingte Strafnachsicht. Gegen das Urteil richtet sich die nominell auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 (inhaltlich Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 11) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist teilweise im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, übersieht jedoch zu A die vom Erstgericht herangezogene geständige Verantwortung des Angeklagten (US 11) und bekämpft zu B die denkmöglich insbesondere auf den Wortlaut der Äußerung des Angeklagten gestützte Schlussfolgerung der Tatrichter auf sein Vorhaben (US 11 f) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vernachlässigt mit der Behauptung des Fehlens von Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu A die konkreten Urteilskonstatierungen in ihrer Gesamtheit (US 10 f iVm 3), aus denen die Annahme des Schöffengerichts auf willentliche Begehung der objektiv ausführlich beschriebenen Tat des - zu diesem Faktum völlig geständigen - Angeklagten gerade noch hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

Zu B übersieht die - ebenso Feststellungen zur inneren Tatseite vermissende - Beschwerde die Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte die beschriebene Gewalt "zwecks Vornahme geschlechtlicher Handlungen" anwendete (US 11).

Mit der Behauptung (Z 9 lit b), dass der Angeklagte die Taten im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) begangen habe, bestreitet die Rechtsrüge die gegenteiligen Urteilsannahmen (US 19) und ist daher wiederum nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Hingegen kommt der den Ausspruch nach § 21 Abs 2 StGB betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde (nominell Z 3, richtig Z 11 erster Fall iVm Z 3 [§ 252 Abs 1 Z 1 StPO]) Berechtigung zu, weil das schriftliche Gutachten der in der Hauptverhandlung nicht vernommenen Sachverständigen Dr. W***** ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 252 Abs 1 Z 1 StPO und auch ohne Einverständnis der Parteien (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) verlesen wurde (S 353; zur Frage eines Verstoßes gegen § 439 Abs 2 StPO vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 260). Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, war daher in seinem Ausspruch über die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB und im davon im konkreten Fall nicht zu trennenden (§ 289 StPO) Strafausspruch und in diesem Sinn auch der Widerrufsbeschluss aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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