OGH 15Os27/04

OGH15Os27/0422.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alois O***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Alois O***** und Konrad S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10. Dezember 2003, GZ 22 Hv 97/03v-289, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Alois O***** gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alois O***** und Konrad S***** im zweiten Rechtsgang des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf die im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche zu Freiheitsstrafen verurteilt. Alois O***** wurde gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Nach dem Schuldspruch haben Alois O***** und Konrad S***** am 11. Februar 2002 in Innsbruck im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter die Ina R***** und die Andrea H***** durch Gewalt und durch gefährliche Drohung, nämlich durch die von Konrad S***** gegenüber Ina R***** vorgebrachte Aufforderung, sie habe ab jetzt 1.000 S pro Tag Standgeld zu bezahlen, wobei Alois O***** die Ina R***** durch Ansetzen einer Faustfeuerwaffe mit dem Tod bedrohte, zu einer Handlung, nämlich zur Zahlung von Geld, zu nötigen versucht, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, durch das Verhalten der Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und sie die Erpressung gewerbsmäßig und mit Todesdrohung begingen. Den Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, Alois O***** gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO und Konrad S***** auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO. Sie sind nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängel- (Z 5) und den Tatsachenrügen (Z 5a) ist zunächst entgegenzuhalten:

Das Gericht ist gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO verpflichtet, die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen und darin mit Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen werden und aus welchen Gründen dies geschah. Dabei hat es die Beweismittel nicht nur einzeln, sondern in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig zu prüfen und letztlich nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Es ist aber nicht gehalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen von Angeklagten und Zeugen sowie sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin zu erörtern und darauf zu untersuchen, wieweit die einzelnen Angaben oder Beweismittel für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen. Es hat vielmehr nur alle entscheidungswesentlichen Umstände einer Prüfung zu unterziehen und diese zu würdigen. Dass aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können, als es das erkennende Gericht getan hat, stellt einen Akt der freien Beweiswürdigung dar. Eine den Denkgesetzen widersprechende Begründung würde einen Nichtigkeitsgrund bewirken (EvBl 1972/17 uva). Dieser gesetzlichen Verpflichtung sind die Tatrichter nachgekommen. Sie haben den Schuldspruch auf die Polizeierhebungen sowie die Angaben der Zeugen Silvia T*****, Ina R*****, Andrea H***** und Manuela B***** vor der Polizei, dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung im ersten Rechtsgang gestützt. Ausführlich haben sie dargestellt, warum sie diesen Aussagen und nicht jenen der Zeugen im zweiten Rechtsgang sowie der Verantwortung der Angeklagten gefolgt sind (US 7 bis 27). Die dafür gegebene Begründung entspricht den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungswerten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alois O*****:

Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht die Beweiskraft der Aussagen der (Haupt-)Belastungszeugin Ina R***** und Andrea H***** herabzusetzen. Sie greift einzelne Beweisergebnisse heraus, unterzieht sie einer gesonderten Wertung und behauptet dann Widersprüche zu den Angaben der jeweils anderen Zeugin. Dabei bezeichnet sie die Depositionen der Zeuginnen mehrfach als "unglaubwürdig" (S 385), "äußerst bedenklich" (S 386), demgegenüber sei die eigene Wertung "jedenfalls schlüssiger und lebensnaher" (S 388). Der Beschwerdeführer vermag dabei aber keine Umstände aus den Akten aufzuzeigen, welche erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen ergeben könnten. Soweit er sich dabei auf eine Verletzung der "rationalen Kriterien der Denkgesetze" beruft und damit inhaltlich den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend macht, legt er nicht dar, welche Feststellungen oder Erwägungen nicht nebeneinander bestehen könnten, sondern will er nur wieder einzelne Beweisergebnisse in seinem Sinne gewürdigt wissen. Wenn der erkennende Senat im zweiten Rechtsgang auf die Beweiswürdigung der Richter im ersten Rechtsgang verweist und sich deren Meinung anschließt, liegt darin kein mit Nichtigkeit bedrohter Fehler des Gerichtes, sondern ist dies nur Ausfluss der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Konrad S*****:

Die Punkte 1 bis 4 der Mängelrüge (Z 5) setzen sich nur mit der Glaubwürdigkeit der Belastungszeuginnen auseinander und versuchen aus einzelnen aus dem Zusammenhang gelösten Ergebnissen des Beweisverfahrens die vom erkennenden Gericht angenommene Glaubwürdigkeit zu untergraben. Die Ausführungen übersehen jedoch die vom Gericht in gesetzeskonformer Weise vorgenommene Gesamtschau der Beweisergebnisse und stellen damit eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung ohne Behauptung von Begründungsmängeln dar. Die Feststellung, die Angeklagten hätten den Straßenstrich in Innsbruck zumindest zum Teil übernehmen wollen, betrifft lediglich das Motiv der Straftat, somit keine für die Schuldfrage entscheidende Tatsache. Überdies haben die Tatrichter diese nicht nur daraus abgeleitet, dass die Angeklagten öfter gemeinsam unterwegs waren, sondern sie mängelfrei auf die Beweisergebnisse insgesamt gestützt (US 27).

Zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte im Tatzeitpunkt über ein eigenes Einkommen verfügt hat, sondern nur darauf, ob er die strafbare Handlung in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Die Ausführungen des Erstgerichtes, die Angeklagten seien "bislang einkommenslos" gewesen betreffen daher keine entscheidende Tatsache.

Ein Begründungsmangel liegt somit nicht vor.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) greift in ihren einzelnen Untergliederungen jeweils eine Tatsache des Beweisverfahrens heraus, unterzieht diese isoliert einer gesonderten Würdigung und kommt dabei zu anderen Ergebnissen als das erkennende Gericht. Damit werden aber nicht der Strafprozessordnung entsprechend Umstände aus den Akten aufgezeigt, die erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen ergeben könnten. Dass die Polizei die Angeklagten nicht sofort nach Anzeigeerstattung am 15. Februar 2002 sondern erst nach einer Observation am 18. Februar 2002 verhaftet hat, vermag ebensowenig erhebliche Bedenken gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter zu erzeugen, wie der Umstand, dass diese zwischen der Beobachtung von Polizeibeamten am 11. Februar 2002 über das Mitführen von Waffen im Auto einen Zusammenhang mit der Auffindung von Waffen in einem Seesack am 10. Juli 2003 hergestellt haben. Hat doch der erhebende Polizeirevierinspektor K***** am 10. Juli 2003 den Seesack samt den darin befindlichen Baseballschlägern eindeutig wiedererkannt (US 24). Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer vom Mitführen der Waffe durch Alois O***** Kenntnis hatte und mit deren Gebrauch einverstanden war, hat das Erstgericht den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechend begründet (US 27). Diesen Ausführungen vermag der Rechtsmittelwerber nur seine eigene leugnende Verantwortung und die Bestreitung der Begründung gegenüber zu stellen.

Mit der Änderung der Aussagen der betroffenen Zeuginnen hat sich das Schöffengericht ausführlich auseinandergesetzt. Bedenken gegen diese Begründung vermag die Beschwerde nicht hervorzurufen. Die Subsumtionsrüge (Z 10) ist nicht dem Gesetze gemäß ausgeführt. Zum einen wird nicht dargetan, welches andere Strafgesetz hätte angewendet werden müssen (Mayerhofer, StPO4 § 281 Z 10 E 8), zum anderen stellt die Beschwerde keinen Vergleich des festgestellten Sachverhaltes mit dem darauf angewendeten Gesetz an, um daraus einen Rechtsfehler abzuleiten, sondern bestreitet teilweise Konstatierungen des Erstgerichtes und will diese durch andere ersetzt haben. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alois O***** war daher als unbegründet, jene des Angeklagten Konrad S***** teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO).

Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

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