OGH 9ObA36/04s

OGH9ObA36/04s21.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Gerhard Prochaska als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Dr. Othmar T*****, vertreten durch Dr. Robert A. Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei M***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Graf, Maxl & Pitkowitz, Rechtsanwälte in Graz, wegen Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 64.635,79), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Jänner 2004, GZ 7 Ra 95/03z-64, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. März 2003, GZ 35 Cga 88/00g-55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß Art V Abs 3 BPG ist dieses Gesetz auf Leistungszusagen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes (1. Juli 1990) gemacht wurden, nur hinsichtlich der nach seinem Inkrafttreten erworbenen Anwartschaften anzuwenden.

Das Berufungsgericht hat ausführlich begründet, warum es davon ausgeht, dass die dem Klagebegehren zugrunde liegende direkte Leistungszusage der beklagten Partei nicht erst auf dem letzten schriftlichen Dienstvertrag vom 13. 8. 1992 beruht, sondern zumindest auf die Vereinbarung vom 31. 12. 1987 zurückgeht. Bei dieser Auslegung der vertraglichen Abreden der Streitteile, die über den konkreten Fall hinaus keine Bedeutung hat, ist dem Berufungsgericht keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen, sodass insoweit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen ist.

Die Auffassung, dem Kläger sei zumindest ab 1. Jänner 1988 die Eigenschaft eines Arbeitnehmers der beklagten Partei zugekommen, die bis zu seinem Ausscheiden durch den Pensionsantritt mit 31. 12. 1996 angedauert habe, erscheint angesichts der konkreten Umstände in keiner Weise bedenklich. Der Ansicht des Klägers, mit der Vereinbarung vom 13. 8. 1992 sei ein neues Dienstverhältnis begründet worden, hat das Berufungsgericht entgegengehalten, dabei seien im Verhältnis zum früheren Vertragsinhalt nur Nebenbestimmungen geändert worden, sodass eine Novationswirkung nicht eingetreten sei. Der letzte schriftliche Vertrag sei auch nicht im unmittelbaren Anschluss an seine Abberufung als Geschäftsführer, sondern erst etwa zweieinhalb Jahre später formuliert worden, wobei insbesondere die Regelung über die Betriebspension unverändert geblieben sei. Berücksichtigt man weiters, dass im Vertrag vom 13. August 1992 die vollständige Anrechnung der Vordienstzeiten vereinbart und dem Kläger bei Beendigung des Dienstverhältnisses entsprechend den einschlägigen Vertragsklauseln eine Abfertigung im Ausmaß von 36 Monatsgehältern ausgezahlt wurde, begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, es liege ein einheitliches Dienstverhältnis vor, das bereits vor dem Inkrafttreten des BPG begonnen hat, keinen Bedenken. Jedenfalls wurde die bereits in der vorangegangenen Vereinbarung enthaltene Leistungszusage unverändert übernommen, sodass die Auffassung, die dem Klagebegehren zugrunde liegende Leistungszusage sei im Sinne des Art V Abs 3 BPG vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes gemacht worden, nicht als bedenkliche Fehlbeurteilung angesehen werden kann.

2. Soweit sich der Revisionswerber darauf beruft, dass das BPG auf die nach seinem Inkrafttreten erworbenen Anwartschaften anzuwenden sei, sodass er in der Zeit vom 1. 7. 1990 bis 31. 12. 1996 Pensionsanwartschaften im Umfang von 66 Monaten erworben habe, weshalb ihm ein diesen Anwartschaften entsprechender anteiliger Pensionsanspruch gebühre, übersieht er offenbar, dass dies nur zu einem Anspruch auf eine einmalige (kapitalisierte) Geldzahlung führen könnte (§ 7 Abs 3 Z 4 iVm Abs 5 BPG). Der Zuspruch eines solchen "Unverfallbarkeitsbetrags" ist durch das Klagebegehren jedenfalls nicht gedeckt.

3. In ihrer direkten Leistungszusage behielt sich die beklagte Partei ausdrücklich vor, die zugesagte Pension zu kürzen oder einzustellen, wenn sich die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass die Aufrechterhaltung der zugesagten Pensionen eine Gefährdung des Weiterbestandes der Gesellschaft zur Folge hätte.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Fortbestand des Unternehmens der beklagten Partei seit dem Geschäftsjahr 1999/2000 äußerst gefährdet; die Bilanz zum 31. 12. 2001 wies eine Überschuldung von rund 77 Mio S aus. Die beklagte Partei setzte zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation:

So wurden die stillen Gesellschafter, die Einlagen von rund S 110 Mio hielten, mit rund 30,8 Mio S abgefertigt; vom nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögen wurden Grundstücke und Gebäude verkauft; der Personalstand von 107 Mitarbeitern wurde bis 2001 auf 67,5 reduziert, wobei geplant war, die Mitarbeiteranzahl um weitere 13 zu senken; von Gesellschaftern der beklagten Partei wurde bis Dezember 2002 weiteres Eigenkapital von 2 Mio EUR eingebracht; nach dem Widerruf der Pensionszusagen wurden mit 13 der ingesamt 14 Anspruchsberechtigten Pensionsabfindungen vereinbart und ausgezahlt, wodurch Pensionsrückstellungen von rund 26,5 Mio S gewinnerhöhend aufgelöst werden konnten. Nur durch die Summe dieser Maßnahmen konnte der Fortbestand des Unternehmens, der weiterhin stark gefährdet ist, gesichert werden. Bei der derzeitigen Kostenstruktur ist ein Mindestumsatzvolumen von 400 Mio S notwendig, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern; bei einer weiteren Kostensenkung genügt ein niedrigerer Umsatz. Bei Aufrechterhalten der Pensionszusagen wäre ein zusätzlicher Umsatz von jährlich 20 Mio S pro Jahr erforderlich. Angesichts der derzeitigen Marktsituation und Konjunktur ist in absehbarer Zeit keine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation zu erwarten.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, unter den gegebenen Umständen sei die Ausübung des der beklagten Partei vertraglich eingeräumten Rechts auf Widerruf der Pensionszusagen erforderlich gewesen, um den Fortbestand der Gesellschaft zu ermöglichen. Obzwar der Wegfall der Pensionsleistungen allein nicht den Fortbestand des Unternehmens gewährleistet hätte, stelle er doch einen wesentlichen Beitrag hiezu dar, der zumindest vom Widerruf im Jahr 2000 bis dato den Fortbestand des Unternehmens mit möglich gemacht habe. Entscheidend sei auch nicht allein der notwendige Aufwand für die Einhaltung der dem Kläger gegenüber abgegebenen Leistungszusage. Vielmehr sei im Sinne des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kosten für alle Pensionisten abzustellen, zumal sich auch die Widerrufsklausel auf den Widerruf "der Pensionen" beziehe. Wenn der Kläger unter Hinweis auf höchstgerichtliche Judikatur meine, der Widerruf der Pensionszusage trotz nachhaltiger Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sei deswegen unzulässig, weil er mit dem anderen Maßnahmen den Weiterbestand des Unternehmens nicht gewährleiste, sei ihm zu erwidern, dass den genannten Entscheidungen ganz andere Sachverhalte (Einstellung der bisherigen Unternehmenstätigkeit) zugrunde gelegen seien, wogegen die beklagte Partei nach wie vor ein lebendes Unternehmen betreibe.

Der auch in der Revision erhobene Vorwurf, die Entscheidung des Berufungsgerichts weiche von der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur ab, weshalb die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO gegeben seien, ist verfehlt. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass dort ganz besondere Sachverhaltskonstellationen zu beurteilen waren. In beiden Entscheidungen (8 ObA 147/97v = SZ 70/213; 9 ObA 306/01t = DRdA 2003/42) wurde - bezogen auf die zu beurteilenden Sachverhalte - ausgesprochen, dass die Widerrufsklausel dann jedenfalls keine Wirkung mehr entfalten kann, wenn der Weiterbestand des Unternehmens ohnedies nicht mehr gewährleistet ist. Dann würde der Widerruf der Pensionszusagen in Wahrheit nicht eine Gefährdung für den Weiterbestand des Unternehmens abwenden, sondern alle übrigen Gläubiger einseitig begünstigen.

Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Frage, welche Bedeutung dem Widerrufsvorbehalt zukommt, wenn feststeht, dass der mit einem allfälligen Widerruf verfolgte Zweck mit Sicherheit nicht mehr erreicht werden kann. Vielmehr stellt sich die Frage, ob der (vereinbarte bzw vorbehaltene) Widerruf auch dann zulässig ist, wenn nicht eindeutig beurteilt werden kann, ob diese Maßnahme - regelmäßig gemeinsam mit anderen - geeignet ist, den Fortbestand des Unternehmens auf Dauer zu gewährleisten.

Abgesehen davon, dass eine (positive) Fortbestandsprognose nur ex ante abgegeben werden kann, weil sie ja Voraussetzung für die Entscheidung über den Widerruf ist, sind dafür stets die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls von entscheidender Bedeutung, sodass sich insoweit erhebliche Rechtsfragen regelmäßig nicht stellen, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vorläge, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Soweit das Berufungsgericht im vorliegenden Fall insbesondere auch aus der mehrjährigen Entwicklung (vom Widerruf im Februar 2000 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 13. März 2003) abgeleitet hat, die beklagte Partei sei zu Recht davon ausgegangen, dass unter anderem der Widerruf der Pensionszusagen den Fortbestand des Unternehmens sichern werde, kann darin keine krasse Fehlbeurteilung erblickt werden. Dem steht auch nicht grundsätzlich entgegen, dass eine Prognose über die künftige Konjunkturlage bzw die Entwicklung der Marktsituation nicht erstellt werden kann und bei der gegebenen Marktsituation und Konjunkturlage auch in absehbarer Zeit keine Verbesserung der Wirtschaftslage der beklagten Partei zu erwarten ist. Angesichts des festgestellten Sachverhalts kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass ohne die von der beklagten Partei - in ihrer Gesamtheit - getroffenen Maßnahmen eine Betriebseinstellung unvermeidlich gewesen wäre, wogegen nun der Fortbestand des Unternehmens zumindest für einige Zeit gesichert war und für die Zukunft nicht mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.

Dass sichere Prognosen über die Lebensfähigkeit eines Unternehmens nicht abgegeben werden können, liegt in der Natur der Sache. Die Auffassung des Revisionswerbers, der Arbeitgeber müsse nachweisen, dass das Unternehmen mit größter Sicherheit für (noch) längere Zeit fortbestehen werde, würde auch bedeuten, dass ein Widerruf bereits erheblich früher in Betracht käme, setzt eine sichere Fortbestehensprognose doch das Vorhandensein eines nicht unerheblichen "Kapitalpolsters" voraus, der geeignet ist, auch unerwartete Entwicklungen abzufangen. Dass ein solcher Ansatz nicht im Sinne der Pensionsbezieher sein kann, liegt auf der Hand. Für die Ausübung des Widerrufsrechts muss daher eine ausreichende Wahrscheinlichkeit des - dadurch geförderten - Fortbestands des Unternehmens ausreichen, die vom Berufungsgericht in unbedenklicher Weise bejaht wurde. Entgegen der Darstellung des Revisionswerbers wurde in der Entscheidung SZ 70/213 auch nicht ganz allgemein ausgesprochen, dass es Sache des Arbeitgebers sei, zu behaupten und zu beweisen, dass der Pensionswiderruf eine Gefährdung des Weiterbestands des Unternehmens verhindern könne. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof dort nur zur (nicht behaupteten) Fortführung des Unternehmens in einem Insolvenzverfahren Stellung genommen, die insofern einen besonderen Ausnahmefall bildet, als im Insolvenzverfahren typischerweise von einer Beendigung der Geschäftstätigkeit auszugehen ist.

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